BPatG: Kein Markenschutz für „Gruppenreisen“ als Wortzeichen Beschluss vom 25.02.2010 – 29 W (pat) 11/10

Der Markenanmeldung „Gruppenreisen“ fehlt für die beanspruchten Dienstleistungen „Zeitschriften, Bücher und Seminare“ jegliche Unterscheidungskraft. Die mit den beanspruchten Dienstleistungen angesprochenen Verbraucher werden das Anmeldezeichen daher ohne jedes Nachdenken nur in dem Sinne verstehen, dass diese in engem Zusammenhang mit fu?r Gruppen organisierten Reisen erbracht werden. Bei diesem hohen Bekanntheitsgrad des Begriffs „Gruppenreisen“ wird das angesprochene Publikum das Anmeldezeichen nur als schlichten Hinweis auf diese sachliche Eignung der gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen. Da die Gesamtbezeichnung allgemein gebräuchlich ist, wird ihm auch nicht der Gedanke kommen, dass statt dessen auf die Herkunft dieser Dienstleistungen aus einem ganz bestimmten Unternehmen hingewiesen werden soll. Damit ist das Wortzeichen aber nicht geeignet, die Hauptfunktion einer Marke zu erfüllen.

BPatG, Beschluss vom 25.02.2010 – 29 W (pat) 11/10Gruppenreisen
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 03 752.5

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 25. Februar 2010 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, des Richters Dr. Kortbein und der Richterin Kortge

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Das Wortzeichen

Gruppenreisen

ist am 17. Januar 2007 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:

Publikation von Zeitschriften und Büchern, auch in elektronischer Form, auch im Internet

Veranstaltung von Messen, Kongressen, Seminaren und sonstigen Events zu gewerblichen oder zu Werbezwecken.

Durch Beschluss vom 10. Juni 2008 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass es sich bei dem aus allgemein verständlichen Begriffen der deutschen Alltagssprache zusammengesetzten Wortzeichen „Gruppenreisen“ um einen rein beschreibenden Hinweis auf Art und Thematik der beanspruchten Dienstleistungen handele, nämlich Reisen, bei denen für eine Gruppe von Personen ein Anbieter die Organisation und Durchführung übernehme. So könnten Messen, Kongresse, Seminare etc., die es auch speziell zu Gruppenreisen gebe, wie eine Internetrecherche ergeben habe, die neuestenTrends auf dem Gebiet der Gruppenreisen präsentieren. Zeitschriften und Bücher könnten sich ebenfalls in vielfältiger Weise der Thematik der Gruppenreisen widmen. Vergleichbare Anmeldungen, wie „Abi Reisen“, „ARZTREISEN“, „Internetreisen“, „Autoreisen“, „RUCKSACK REISEN“, „SPARREISEN“, „Weltenbummler Reisen“ und „GRUPPENUNTERKÜNFTE“, hätten ebenfalls nicht zu einer Eintragung geführt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. Juni 2008 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.

Sie rügt vorab eine Ungleichbehandlung wegen der Eintragung einer Vielzahl vergleichbarer Drittmarken. Wegen der genauen Bezeichnungen, der Registernummern sowie der Waren- und Dienstleistungsklassen dieser Drittmarken wird auf Seite 2 der Beschwerdebegründung (Bl. 15 GA) Bezug genommen. Sie trägt vor, selbst wenn die nicht für die Durchführung von Gruppenreisen angemeldeten Dienstleistungen ihrer Art nach im Zusammenhang mit Reisen in Gruppen in Anspruch genommen werden könnten, werde der Verkehr nicht annehmen, derartig gekennzeichnete Dienstleistungen seien auf das Thema „Gruppenreisen“ beschränkt. Die Eintragung des Anmeldezeichens führe auch nicht zu einer unnötigen Erschwerung der freien Verwendbarkeit des Wortes „Gruppenreisen“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen. Denn mit der Vorschrift des § 23 Nr. 2 MarkenG sei das Recht aus der Marke gegenüber einer beschreibenden Verwendung hinreichend abgegrenzt, so dass bei einer solchen Verwendung durch Dritte Unzuträglichkeiten nicht zu erwarten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „Gruppenreisen“ als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 – BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 -VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2008, 1093 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis; GRUR 2009, 949 f. Rdnr. 10 – My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 – SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. -marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006). Ob das Merkmal des engen beschreibenden Bezuges vorliegt, hängt davon ab, ob das Publikum den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und deshalb in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für die individuelle betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH a. a. O. 854 Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 – BuchPartner).Nach diesen Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Wortzeichen „Gruppenreisen“ für die angemeldeten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Denn es stellt zumindest einen engen beschreibenden Bezug zu den vorgenannten Dienstleistungen her, weshalb der Verkehr in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für die individuelle betriebliche Herkunft dieser Dienstleistungen sehen wird.

Die angemeldete Marke besteht aus dem allgemein bekannten deutschen Wort „Gruppenreisen“. Unter diesem Begriff werden Reisen verstanden, bei denen für eine Gruppe von Personen ein Anbieter die Organisation und Durchführung übernimmt (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Die mit den beanspruchten Dienstleistungen angesprochenen Verbraucher werden das Anmeldezeichen daher ohne jedes Nachdenken nur in dem Sinne verstehen, dass diese in engem Zusammenhang mit für Gruppen organisierten Reisen erbracht werden. Denn die zu publizierenden Zeitschriften und Bücher, auch in elektronischer Form oder im Internet, können sich in vielfältiger Form dem Thema „Gruppenreisen“ widmen. Es ist zudem üblich, Seminare nach dem Inhalt der angebotenen Informationen zu bezeichnen. Sie können sich daher thematisch mit Gruppenreisen befassen. Das Thema „Gruppenreisen“ kann auch Gegenstand der durchzuführenden Messen, Kongresse und „sonstigen Events“ sein. Dieses Verständnis des Verbrauchers liegt auch deshalb besonders nahe, weil die Internetrecherche des DPMA, auf die Bezug genommen wird, ergeben hat, dass es bereits spezielle Gruppenreisemessen gibt und … Unternehmen in der Bus- und Gruppentouristik tätig sind. Bei diesem hohen Bekanntheitsgrad des Begriffs „Gruppenreisen“ wird das angesprochene Publikum das Anmeldezeichen nur als schlichten Hinweis auf diese sachliche Eignung der gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen. Da die Gesamtbezeichnung allgemein gebräuchlich ist, wird ihm auch nicht der Gedanke kommen, dass statt dessen auf die Herkunft dieser Dienstleistungen aus einem ganz bestimmten Unternehmen hingewiesen werden soll. Damit ist das Wortzeichen aber nicht geeignet, die Hauptfunktion einer Marke zu erfüllen. Die auf Seite 2 der Beschwerdebegründung angeführten 22 Voreintragungen von Drittmarken für angeblich vergleichbare Leistungen, von denen nur 12 ähnlich sind, weil sie den Wortbestandteil „Reisen“ aufweisen, ändern nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit des vorliegend zu beurteilenden Anmeldezeichens. Zunächst ist festzustellen, dass diesen Eintragungen auch eine Reihe von Zurückweisungen vergleichbarer Bezeichnungen, wie „Abi Reisen“, „ARZTREISEN“, „Internetreisen“, „Autoreisen“, „RUCKSACK REISEN“, „SPARREISEN“, „Weltenbummler Reisen“ und „GRUPPENUNTERKÜNFTE“, entgegensteht. Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des DPMA, die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG darstellen. Dies setzt aber voraus, dass sich die bisherige Amtspraxis als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren (BPatG 29 W (pat) 43/04 – juris Tz. 15 -print 24). Ferner wird verlangt, dass die Beschwerdeführerin ihrer – die Amtsermittlung immanent einschränkenden – materiellen Mitwirkungslast nachkommt. Das bedeutet, dass sie substantiiert zur Vergleichbarkeit des Eintragungszeitpunkts, des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, der Zeichen selbst und der jeweiligen Rechtsprechungssituation vortragen muss. Es genügt nicht, – wie hier – eine Vielzahl von ähnlich gearteten Voreintragungen ohne eigene Auswertung und Gegenüberstellung nach den vorgenannten Kriterien schlicht aufzuzählen (BPatG GRUR 2009, 1173, 1175 – Freizeit-Rätsel-Woche). Da es dem angemeldeten Wortzeichen bereits an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt bleiben, ob ihm auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an seiner freien Verwendbarkeit entgegen steht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann jedenfalls die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG nicht zur Einschränkung eines schutzwürdigen Freihaltungsinteresses herangezogen werden. Diese Regelung spielt im Rahmen der Schutzfähigkeitsprüfung keine Rolle, weil sie lediglich der Klarstellung und Beschränkung von Markenrechten im Verletzungsprozess dient und damit einen bereits bestehenden Markenschutz voraussetzt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 28 – Chiemsee; BPatG 28 W (pat) 132/08 – juris Tz. 13 – Battery-Booster).

Ein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.

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