BPatG: Dornröschen ./. Schneewittchen

BPatG, Beschluss vom 24.09.2008 – 26 W (pat) 88/07Dornröschen ./. Schneewittchen
§§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

Zwischen den Marken Dornröschen und Schneewittchen besteht keine Verwechslungsgefahr.

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 58 753

hat der 26. Senat des Bundespatentgerichts (Marken-Beschwerdesenat) in der Sitzung vom 24. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fuchs-Wissemann, den Richter Reker und die Richterin Kopacek beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Kostenantrag des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

G r ü n d e

I
Gegen die für die Ware

„Wein“

eingetragene Marke 305 58 753

Dornröschen

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

„Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver,

Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“

eingetragenen prioritätsälteren Marke 304 28 574

Schneewittchen.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei der gebotene Abstand zwischen den Vergleichsmarken eingehalten. Die angegriffene Marke unterscheide sich in klanglicher und in schriftbildlicher Hinsicht eindeutig von der Widerspruchsmarke. Lediglich das Suffix „-chen“, welches in der deutschen Sprache die Verkleinerungs- bzw. Verniedlichungsform darstelle, stimme überein, könne aber eine Verwechslungsgefahr nicht begründen. Eine begriffliche Verwechslungsgefahr bestehe ebenfalls nicht. Beide Vergleichsmarken stellten zwar bekannte Märchen der Gebrüder Grimm mit weiblichen Hauptfiguren dar.

Nicht zuletzt wegen dieser Bekanntheit und der unterschiedlichen Inhalte würden diese Märchen aber nicht miteinander verwechselt. Die von der Widersprechenden zitierte Entscheidung „Rebenfreund/Traubenfreund“ (BPatG GRUR 1998, 1025, 1027) finde keine Anwendung, da „Reben“ und Trauben“ begrifflich ähnlich seien, was auf die genannten Märchenfiguren nicht zutreffe. Auch ein gedankliches In-Verbindung-Bringen scheide aus, da das bloße Vorhandensein des Wortteils „-chen“ hierfür nicht ausreiche und es sich nicht um einen kennzeichnungskräftigen Stammbestandteil handele. Zudem fehle es an einer Markenserie der Widersprechenden.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, sei nicht mit der nötigen Sicherheit auszuschließen. Bei den Vergleichsmarken handele es sich um Märchenfiguren der Gebrüder Grimm, die auf „-chen“ endeten. Dies lege die Vermutung nahe, es lägen Serienzeichen vor, die irrtümlich demselben Herkunftsbetrieb zugeordnet würden. Sie – die Wi- dersprechende – gehöre zum gleichen Konzern wie die Inhaberin der berühmten Marke „Rotkäppchen“, die seit Jahrzehnten benutzt werde und einen Bekanntheitsgrad von 78 % (gestützt) bzw. 46 % (ungestützt) besitze.

Die Widersprechende beantragt daher sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen. Zudem beantragt er, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Er vertritt die Auffassung, die Widerspruchsmarken 304 28 574 „Schneewittchen“ und 304 28 575 „Schneeweißchen“ seien mit der angegriffenen Marke nicht verwechselbar. Es bestünden keine klangliche Ähnlichkeit und auch keine Ähnlichkeit im Erscheinungsbild. Auch eine begriffliche Ähnlichkeit liege nicht vor. Die Widersprechende verwechsle die begriffliche Ähnlichkeit mit der Gemeinsamkeit der literarischen Herkunft aus der Märchensammlung der Gebrüder Grimm. Die verschiedenen Märchen hätten indes unterschiedliche Handlungen und seien nicht miteinander verknüpft. Im Hinblick auf eine mögliche gedankliche Verbindung liege auch kein wesensgleicher Stammbestandteil vor. Dem Verkehr sei bekannt, dass es sich um verschiedene Märchenfiguren handele. Die Widersprechende habe mit der Schaffung der Marke „Rotkäppchen“ nichts zu tun, sondern habe nur eine Beteiligung an der „R…“ erworben. Dies sei dem Verkehr indes nicht bekannt. Es sei durchaus üblich, Wein, weinhaltige Getränke und Spirituosen mit Namen und Figuren aus bekannten Märchen zu kennzeichnen; dies zeigten Eintragungen wie „Rumpelstilzchen“, „Rapunzel“, „Hänsel und Gretel“, „Hans im Glück“, die für verschiedene Inhaber geschützt seien. Zudem habe der Markeninhaber die angegriffene Marke als Kunstwort aus den Rebsortenbezeichnungen „Dornfelder“ und „Rosenmuskateller“ geschaffen.

II
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken unter keinem denkbaren Gesichtspunkt besteht. Der Beschwerdeeinlegung am 6. November 2007 ist zu entnehmen, dass sich diese nur auf die Widerspruchsmarke 304 28 574 „Schneewittchen“ erstreckt, da nur diese im Betreff genannt ist (und nicht auch auf die Marke 304 28 575 „Schneeweißchen“, die Gegenstand des Widerspruchsverfahrens vor der Markenstelle war).

Nach den Vorschriften der §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke aus- geglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 597 – Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 437, 438 – Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 – MEY/Ella May).

Bei bestehender Identität der Ware „Wein“ der angegriffenen Marke mit „alkoholischen Getränken (ausgenommen Biere)“ der Widerspruchsmarke und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke scheiden sämtliche Formen der unmittelbaren Verwechslungsgefahr zwischen „Dornröschen“ und „Schneewittchen“ aus, da es keine ausreichenden klanglichen, schriftbildlichen und auch keine unmittelbar begrifflichen Übereinstimmungen zwischen den Vergleichsmarken gibt.

Eine Verwechslungsgefahr kann allerdings auch in der Weise gegeben sein, dass zwar nicht die Gefahr von unmittelbaren Verwechslungen der sich gegenüberstehenden Zeichen als solcher besteht, aber die Gefahr, dass das angegriffenen Zeichen im Sinn der Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der Zeichen infolge einer teilweisen Übereinstimmung in einem wesentlichen Kern der Widersprechenden zugeordnet wird. Insbesondere kann eine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr gegeben sein, wenn trotz der erkannten begrifflichen Unterschiede wegen einer Ähnlichkeit des Sinngehalts und einer einander entsprechenden Markenbildung auf eine Zusammengehörigkeit i. S. v. Serienmarken geschlossen werden kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 336 m. w. N.). Dies gilt besondere bei Marken, die denselben charakteristischen Aufbau aufweisen oder aus sonstigen Gründen den Gedanken an dieselbe betriebliche Herkunft nahelegen, was durch eine Benutzung einer Zeichenserie durch die Widersprechende gefördert wird. Die gedankliche Verbindung muss sich zudem aufdrängen (vgl. BGH GRUR 1999, 736 – MONOFLAM/POLYFLAM).

Vorliegend besteht zum einen Übereinstimmung in der Endsilbe „-chen“, was aber aufgrund des Umstandes, dass es sich um eine bloße Verkleinerungsform und damit nicht um einen hinweiskräftigen Stammbestandteil auf die Widersprechende handelt, nicht für eine gedankliche Verbindung ausreicht, selbst wenn die Widersprechende über weitere Zeichen mit diesem Bestandteil verfügt. Zum anderen ist zwischen den Vergleichsmarken zwar eine gewisse begriffliche Parallele gegeben durch den Umstand, dass es sich um bekannte Märchenfiguren der Gebrüder Grimm handelt. Dies genügt indes für die Annahme einer begrifflichen Verwechslungsgefahr bereits deshalb nicht, weil es auf dem vorliegenden Warensektor zahlreiche Drittzeichen gibt, die ebenfalls bekannte Märchengestalten bezeichnen (vgl. die vom Markeninhaber genannten Marken wie z. B. „Rumpelstilzchen“, „Hänsel und Gretel“, „Hans im Glück“ etc.), sodass ein Hinweischarakter von Märchenfiguren allein auf die Widersprechende keinesfalls gegeben ist – selbst wenn ihr die Marke „Rotkäppchen“ zuzurechnen wäre, was allerdings erheblichen Zweifeln begegnet und darüber hinaus dem Verkehr auch nicht bekannt sein dürfte. Zum anderen können – abgesehen von den Umstand, dass beide Marken weibliche Märchenfiguren bezeichnen – die Märchengestalten „Dornröschen“ mit „Schneewittchen“ nicht offensichtlich miteinander in Verbindung gebracht werden, da es sich inhaltlich thematisch um zwei vollkommen verschiedene Märchen handelt, deren Gemeinsamkeiten nicht über die für viele Märchen charakteristischen Elemente hinausgehen. Die Übereinstimmungen im begrifflichen Zeicheninhalt sind demnach so gering, dass sich ihre Wirkung auf den Bereich einer allgemeinen, nicht herkunftshinweisenden Assoziation beschränkt, die für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht genügt (vgl. BGH GRUR 2004, 779, 782 – Zwilling/Zweibrüder).

Bei der gegebenen Sachlage besteht auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn. Bei dieser Art der Verwechslung erkennt der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen, geht aber von einer teilweisen Übereinstimmung von organisatorischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Zeicheninhabern aus (vgl. BGH GRUR 2002, 171 – Marlboro Dach). Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden. Allein dadurch, dass die Vergleichszeichen zwei bekannte Märchenfiguren der Gebrüder Grimm bezeichnen, drängt sich für den Durchschnittsverbraucher nicht der Eindruck auf, die Zeichen seien zur Kennzeichnung bestehender Unternehmensverbindungen aufeinander bezogen, nicht zuletzt aufgrund der bestehenden Drittzeichen. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Widersprechen- den genannte Marke „Rotkäppchen“, die zum gleichen Konzern wie die Widerspruchsmarke gehört. Zum einen erscheint die Bekanntheit dieser Marke der Widersprechenden nicht zweifelsfrei zurechenbar. Zum anderen ist die Marke „Rotkäppchen“ von der angegriffenen Marke aus denselben Gründen begrifflich ebenso weit entfernt wie Widerspruchsmarke „Schneewittchen“.

III
Es besteht kein Anlass, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens gemäß § 71 Abs. 1 und 4 MarkenG aufzuerlegen. Nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG trägt jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände. Solche sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. Ströbele/Hacker, Mar- kengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdnr. 11 m. w. N.). Auch wenn die Erfolgsaussichten des vorliegenden Widerspruchs nur gering einzustufen waren, hat sie für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht vollkommen fernliegende Argumente vorgetragen, weshalb ihr ein die Kostentragungspflicht begründendes, prozessual sorgfaltswidriges Verhalten nicht angelastet werden kann.

(Unterschriften)

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