BPatG: Die Marken RAGS und J.C. RAGS sind im Bereich Bekleidung nicht verwechslungsfähig

Zwischen den Marken RAGS und J.C. Rags besteht trotz Warenidentität in der Klasse 25 (Bekleidung) und mittlerer Warenähnlichkeit in den Klassen 27 und 28 (Sportartikel) keine Verwechslungsgefahr. Da im Bekleidungssektor Initialen als Herkunftsbezeichnung und die Hinzufügung einer warenbeschreibenden Angabe gebräuchlich sind, liegt es für Teile des Verkehrs, welchen die Bedeutung von „RAGS“ für „Klamotten“ bekannt ist, nahe, die Widerspruchsmarke nur im Sinne von „Klamotten von J. C.“ aufzufassen und dem übereinstimmenden Bestandteil „RAGS“ damit allein eine warenbeschreibende Bedeutung beizumessen.

BPatG, Beschluss vom 14.05.2009 – 27 W (pat) 85/08RAGS
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 17 460

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht sowie die Richter Schwarz und Kruppa

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.
Die Widersprechende hat gegen die am 18. November 2005 veröffentlichte Eintragung der am 23. März 2005 angemeldeten, für

Klasse 18: Taschen (soweit in Klasse 18 enthalten), Reise- und Handkoffer; Klasse 25: Bekleidungsstücke; Klasse 27: Fitnessmatten; Klasse 28: Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Torwartprotektoren

geschützten Marke Nr. 305 17 460

RAGS

Widerspruch eingelegt aus ihrer seit 25. Juni 2004 international registrierten und in der Bundesrepublik Deutschland für

classe 25: Vêtements; chapellerie; chaussures; à l’exception des vêtements, chaussures et couvre-chefs pour enfants

geschützten MarkeNr. IR 830 214

J.C. RAGS.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent-und Markenamts hat mit Beschluss vom 9. Januar 2008 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren „Taschen (soweit in Klasse 18 enthalten)“ angeordnet und im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wird angeführt, dass hinsichtlich der gleichermaßen beanspruchten Waren „Bekleidungsstücke“ Warenidentität und zwischen „Taschen (soweit in Klasse 18 enthalten)“ und „chaussures, chapellerie“ eine enge Warenähnlichkeit bestehe, während hinsichtlich der weiter für die angegriffene Marke geschützten Waren der Klassen 27 und 28 nur von einer sehr entfernten Warenähnlichkeit ausgegangen werden könne. Im Übrigen bestehe keine Verwechslungsgefahr, weil der übereinstimmende Bestandteil „RAGS“, der „Lumpen“ bedeute, im Bereich der Bekleidung beschreibend und damit schutzunfähig sei. Zwar möge die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit wegen der vorangestellten Abkürzungen „J. C.“ durchschnittlich kennzeichnungskräftig sein, dann könne dem Zeichenvergleich aber auch nur die Gesamtmarke zugrunde gelegt werden, von welcher sich die jüngere Marke dann aber wegen des Fehlens dieser Abkürzungen hinreichend unterscheide. Hinsichtlich der Taschen gelte dies aber nicht; vielmehr bestehe insoweit eine mittelbare Verwechslungsgefahr.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie sich gegen die teilweise Zurückweisung ihres Widerspruchs wendet. Sie meint, dass die Kennzeichnungskraft des Bestandteils „RAGS“ in ihrer Marke nicht geschwächt sei, weil es sich hierbei, soweit man ihn als „Lumpen“ verstehe, um einen abwertenden Begriff handele, aus dem sich eine Kennzeichenschwäche nicht ergebe. Darüber hinaus werde er nicht einmal in dieser Weise verstanden, weil es für den Verkehr wegen der vorangestellten Initialen nahe liege, ihn als Eigennamen aufzufassen. Zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestehe teils mittlere teils hochgradige Ähnlichkeit, welche für alle noch angegriffenen Waren, auch soweit nur eine entfernte Ähnlichkeit zwischen ihnen vorliege, eine Verwechslungsgefahr begründe.

Die Widersprechende beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. Januar 2008 insoweit aufzuheben, als der Widerspruch zurückgewiesen wurde, und die Marke Nr. 305 17 460 wegen des Widerspruchs aus der international registrierten Marke Nr. IR 830 214 insgesamt zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält eine über die Löschungsanordnung hinausgehende Verwechslungsgefahr schon deshalb nicht für gegeben, weil der Bestandteil „RAGS“ in der Widerspruchsmarke als „Klamotten“ oder „Lumpen“ verstanden werde. Hierbei handele es sich auch keineswegs im allgemeinen Sprachgebrauch allein um einen negativen Sinngehalt, vielmehr würden diese Begriffe von zahlreichen Menschen – insbesondere von Jugendlichen – als bloßes Synonym für Kleidung, vor allem von Freizeitbekleidung, verwendet; damit würde allein die Lässigkeit der Kleidung betont, nicht aber eine Minderwertigkeit der Kleidungsstücke zum Ausdruck gebracht. Aus diesem Grund sei auf den hier noch in Rede stehenden Warengebieten dem Zeichenvergleich die gesamte Widerspruchsmarke zugrunde zu legen, zumal hier die Verwendung von Abkürzungen üblich sei, wie die Beispiele „P & C“ für Peek & Cloppenburg oder „H & M“ für Hennes & Mauritz verdeutlichten. Wegen des Fehlens dieser Initialen in der angegriffenen Marke scheide eine Verwechslungsgefahr auf dem noch in Rede stehenden Warengebiet aus. Soweit es die Waren der Klassen 27 und 28 betreffe, könne zudem ohnehin allenfalls von einer sehr entfernten Warenähnlichkeit ausgegangen werden, die zur Begründung einer Verwechslungsgefahr nicht ausreiche; tatsächlich liege aber, wie bereits früher entschieden worden sei (BPatG 27 W (pat) 112/03 und 24 W (pat) 417/84) Warenunähnlichkeit vor.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Eine hierbei ins Auge gefasste Einigung der Beteiligten ist in der Folgezeit nicht zustande gekommen.

II.
A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Soweit die Markenstelle den Widerspruch zurückgewiesen hat, teilt der Senat im Ergebnis deren Auffassung, dass eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG im Bereich der im Beschwerdeverfahren noch streitgegenständlichen Waren nicht besteht.

1. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer proritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer 2. Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] – Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] – Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] -Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] -Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] -Adam Opel/Autec).

1. Nach diesen Grundsätzen ist trotz normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und teilweiser Warenidentität bzw. teilweiser mittlerer Warenähnlichkeit letztlich der Grad der Markenähnlichkeit zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

a) Auszugehen ist dabei von einer im Bereich der Klasse 25 unstreitig bestehenden Warenidentität und im Übrigen von einer mittleren Warenähnlichkeit.

aa) Die Waren „Reise- und Handkoffer“ im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke, für welche die Markenstelle im Gegensatz zu den Waren „Taschen“ die Löschung nicht angeordnet hat, fallen unter den Oberbegriff „Taschen“, so dass entgegen der – nicht näher begründeten – Ansicht der Markenstelle auch insoweit eine Ähnlichkeit dieser Waren zu den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren der Klasse 25 nicht verneint werden kann (vgl. auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 14. Aufl., S. 306 f. Stichwort „Taschen“).

bb) Auch im Bereich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren der Klassen 27 und 28 kann entgegen der Auffassung der Markenstelle eine mittlere Warenähnlichkeit nicht verneint werden. Die Markenstelle hat ihre Annahme einer nur entfernten Warenähnlichkeit damit begründet, dass für diese Waren nur bei Sportartikelherstellern von einem gemeinsamen Herstellungsort ausgegangen werden könne. Dabei hat sie aber außer Acht gelassen, dass die Frage der Warenähnlichkeit nicht allein anhand des gemeinsamen Herstellungsortes zu beurteilen ist. Vielmehr ist die Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren zu ermitteln, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen. Hierzu gehören vorrangig ihre Beschaffenheit, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 23] – Canon); daneben können auch ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, die Vertriebs- oder Erbringungsart sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung Berücksichtigung finden (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 44 m. w. N.). Das maßgebliche Kriterium für die Beurteilung der Warenähnlichkeit ist, ob zwischen den jeweils angebotenen Produkten oder Leistungen so enge Beziehungen bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie die Waren oder Dienstleistungen mit denselben Zeichen gekennzeichnet wahrnehmen, der Schluss aufdrängt, dass diese Waren oder Dienstleistungen vom selben oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR Int. 1994, 614 [Rz. 16] – Ideal Standard II; GRUR 1998, 922, 924 [Rz. 29] Canon).

Nach diesen Vorgaben ist vorliegend zu berücksichtigen, dass Sportgeräte i. w. S., Bekleidungsstücke (Sportbekleidung), Schuhe (Sportschuhe) und Kopfbedeckungen (Sportmützen) regelmäßig an denselben Vertriebsstätten (insbesondere in Sportfachgeschäften und Sportabteilungen großer Kaufhäuser) vertrieben werden; berücksichtigt man noch, dass – wie auch die Markenstelle festgestellt hat – jedenfalls bei Sportartikelherstellern gemeinsame Herstellungsorte bestehen und die vorgenannten Waren einander ergänzen, kann auch bei den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren der Klassen 27 und 28 eine zumindest mittlere Warenähnlichkeit nicht verneint werden.

cc) Insgesamt liegt damit im Bereich der Klasse 25 Warenidentität und hinsichtlich der übrigen für die angegriffene Marke geschützten Waren der Klassen 27 und 28 eine mittlere Warenähnlichkeit vor.

b) In ihrer Gesamtheit verfügt die Widerspruchsmarke über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

aa) Maßgeblich für den im Widerspruchsverfahren erstmals zu bestimmenden (so ausdrücklich EuGH MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 22] – Lloyd/Loints) Grad an Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist die Frage, ob die Marke geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH MarkenR 1999, 189, 194 [Rz. 49] – Chiemsee; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 22] – Lloyd/Loints). Abzustellen ist hierbei darauf, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produkt- und Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 14 Rn. 320). Diese Eignung ist zu verneinen, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden oder an eine solche Beschreibung erkennbar angelehnten Sinngehalt aufweist oder zahlreiche identische oder ähnliche Drittmarken zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Verwechslungsgefahr in Benutzung sind (zum Erfordernis einer Benutzung der zur Kennzeichenschwäche führenden Drittzeichen vgl. BGH GRUR 1967, 246, 248 – Vitapur; GRUR 2001, 1161, 1162 – CompuNet/ComNet; GRUR 2002, 626, 628 -IMS; GRUR 2002, 898, 899 – defacto), so dass die Verbraucher wegen des Nebeneinanders dieser Marken sorgfältiger auf etwaige Unterschiede achten (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 199 m. w. N.).

bb) Nach diesen Vorgaben kann der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verkehr „RAGS“, sofern es eine beschreibende Bedeutung auf dem Gebiet der Kleidung haben kann, wegen der vorangestellten Initialen als Familiennamen versteht. Soweit dies der Fall ist, liegt auf jeden Fall eine normale Kennzeichnungskraft vor. Aber auch, wenn der Verkehr die Widerspruchsmarke wegen der Zeichengewohnheit, auf welche die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend hingewiesen hat (P&C, H&M), im Sinne von „Klamotten von J. C.“ verstehen würde, würde dies an der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nichts ändern, denn dann wäre lediglich der Bestandteil „RAGS“, nicht aber die Initialen „J. C.“ warenbeschreibend, deretwegen aber für die Widerspruchsmarke insgesamt noch eine normale Kennzeichnungskraft vorliegt. Die hieran anschließende und zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Widersprechende in diesem Fall aus dem Markenbestandteil „RAGS“ Rechte gegenüber der angegriffenen Marke herleiten kann, ist damit allein bei der Frage der Zeichenähnlichkeit zu prüfen.

c) Angesichts der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke würde nach der oben genannten Wechselwirkungstheorie im Bereich der teilweisen Warenidentität bereits ein geringer und im Bereich der mittleren Warenähnlichkeit ein zumindest mittlerer Grad an Zeichenähnlichkeit für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen. Diese ist vorliegend aber zu verneinen, weil die konkurrierenden Zeichen zu gering ähnlich sind.

aa) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]).

Die Ähnlichkeit von Marken ist grundsätzlich aufgrund ihres jeweiligen Gesamteindrucks unabhängig vom Prioritätsalter zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 – Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] – Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] – SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. – Rausch/Elfi Rauch); hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] – SIR/Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] – SIR/Zirh), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] – SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 – Quick; GRUR 1979, 853, 854 – LILA; GRUR 1990, 367, 368 – alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 -dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 – ac-pharma; GRUR 1999, 241, 243 – Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] – SIR/Zirh). Daneben kommt eine Markenähnlichkeit auch in Betracht, wenn Bestandteile einer komplexen Marke, die Bestandteilen der gegenüberstehenden Marke entsprechen, den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck dominieren (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Rz. 30] – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 18] – Malteserkreuz) oder prägen (vgl. BGH GRUR 2006, 60 Tz. 17 – coccodrillo).

bb) Eine nach diesen Vorgaben bestehende Zeichenähnlichkeit, die eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr begründen könnte, lässt sich vorliegend nicht feststellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die angesprochenen Verkehrskreise – dies sind auf dem hier zu betrachtenden Kleidungssektor alle inländischen Verbraucher – den beim Zeichenvergleich im Vordergrund stehenden übereinstimmenden Bestandteil „RAGS“ in der Widerspruchsmarke wegen der Nachstellung hinter die als Namenskürzel erkennbaren Initialen „J. C.“ als Nachnamen oder als Sachangabe verstehen. Letzteres kommt in Betracht, weil der englische Begriff „rag“ lexikalisch nachweisbar für „Fetzen; Flattersatz; Klamotte; Lappen; Lumpen; Stoff; Tuch; Unfug“ steht (vgl. Duden-Oxford -Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM] Stichwort „rag“). Da im Bekleidungssektor, wie die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend ausgeführt hat, Initialen als Herkunftsbezeichnung und die Hinzufügung einer warenbeschreibenden Angabe gebräuchlich sind, liegt es für diejenigen nicht als gering zu erachtenden Teile des Verkehrs, welchen die Bedeutung von „RAGS“ für „Klamotten“ bekannt ist, daher nahe, die Widerspruchsmarke nur im Sinne von „Klamotten von J. C.“ aufzufassen und dem übereinstimmenden Bestandteil „RAGS“ damit allein eine warenbeschreibende Bedeutung beizumessen. Dem steht der Einwand der Widersprechenden, bei „Klamotten“ handele es sich um eine negative Angabe, nicht entgegen; denn auf eine solche Bedeutung lässt sich dieser Begriff nicht reduzieren, vielmehr verbindet insbesondere das jüngere Kaufpublikum von Kleidung mit diesem Begriff vor allem positive Assoziationen. Es spricht damit einiges dafür, dem Bestandteil „RAGS“ in der Widerspruchsmarke für Bekleidung nur eine warenbeschreibende Bedeutung zukommen zu lassen. Dies bedarf allerdings an dieser Stelle keiner Vertiefung, weil selbst für die Teile des Verkehrs, welche den Bestandteil „RAGS“ allein als Familiennamen auffassen, eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr mit der jüngeren Marke ausscheidet; denn auch für sie unterscheidet sich die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit, welche dem (unmittelbaren) Zeichenvergleich zugrunde zu legen ist, von der angegriffenen Marke deutlich unterscheidet, weil letztere die erst eine individuellen Identifizierung des Namensträgers ermöglichenden Initialen nicht enthält und zudem die Widerspruchsmarke die auffällige bildliche Gestaltung der jüngeren Marke, welche von der Annahme, der in ihr enthaltende Wortbestandteil stelle ausschließlich einen Nachnamen dar, wegführt, nicht enthält.

cc) Die einander gegenüberstehenden Zeichen sind auch nicht in der Weise ähnlich, dass die Voraussetzungen für eine assoziative Verwechslungsgefahr erfüllt wären.

aaa) Eine solche Markenähnlichkeit in Form des gedanklichen Inverbindungbringens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz MarkenG wäre nur gegeben, wenn das Publikum zwar die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen auseinanderhält, aber unzutreffend den Eindruck gewinnt, diese seien wirtschaftlich miteinander verbunden, weil sich das ältere Zeichen allgemein zu einem Hinweis auf das oder die Unternehmen der Widersprechenden entwickelt hat (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 175 – Marlboro). Ein solcher Eindruck kann bei den angesprochenen Verkehrskreisen dabei insbesondere dadurch hervorgerufen werden, wenn die einander gegenüberstehenden Marken zwar auseinanderhalten, einem in ihnen vorhandenen übereinstimmenden Element aber einen Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke entnehmen. Dies ist zum einen dann anzunehmen, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, der als Stamm mehrerer Zeichen eines einzigen Unternehmens wirkt, so dass die Verbraucher auch nachfolgende Bezeichnungen, die den wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnen (vgl. BGH WRP 2002, 534, 536 – BIG; BGH WRP 2002, 537, 541 – BANK 24; BGH GRUR 1999, 587, 589 – Cefallone; BGH WRP a. a. O. – BIG). Darüber hinaus besteht ein solcher Fall auch, wenn ein mit der Widerspruchsmarke identisches oder ähnliches Zeichen, das als Bestandteil in die angegriffene Marke aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es deren Erscheinungsbild dominiert oder prägt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 [Rz. 30] – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 18] – Malteserkreuz; GRUR 2002, 171, 174 – Marlboro-Dach; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang). Eine selbständig kennzeichnende Stellung eines Markenteils liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dabei ausnahmsweise (vgl. a. a. O. [Rz. 30]: „jenseits des Normalfalls“) nur vor, wenn das Publikum die an sich als Gesamtzeichen eingetragene angegriffene Marke als Mehrfachkennzeichnung ansieht, also als Kombination voneinander unabhängiger Kennzeichnungen, wie dies etwa bei der häufigen Kombination von (getrennt voneinander eingetragenen) Erst- und Zweitmarken auf bestimmten Warenbereichen oder bei der Verbindung einer Marke mit dem Unternehmenskennzeichen ihres Inhabers der Fall ist. Eine selbständig kennzeichnende Stellung hat der Europäische Gerichtshof daher ausdrücklich nur bei der Hinzufügung eines Unternehmenskennzeichens oder einer bekannten Marke zu dem übernommen älteren Zeichen bejaht; daneben kommt eine selbständig kennzeichnende Stellung nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 22] – Malteserkreuz) auch aufgrund der Kennzeichnungsgewohnheiten des betroffenen Waren- oder Dienstleistungssektors in Betracht, nämlich wenn dem Verkehr bestimmte Markengestaltungen als besonderer Herkunftshinweis auf die angebotenen Waren geläufig ist, wie dies im konkreten Fall für Kreuzdarstellungen bei karitativen Organisationen angenommen wurde.

bbb) Keiner dieser Konstellationen ist vorliegend aber erfüllt.

Soweit Teile des Verkehrs den übereinstimmenden Bestandteil in der Widerspruchsmarke allein als warenbeschreibend ansehen, scheidet eine assoziative Verwechslungsgefahr schon deshalb aus, weil übereinstimmende Sachangaben mangels ihrer Eignung, allgemein als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen aufgefasst zu werden, eine Zeichenähnlichkeit und damit eine assoziative Verwechslungsgefahr nicht begründen können. Dies gilt auch, wenn sie den übereinstimmenden Bestandteil, dem sie bei der allein für Waren der Klasse 25 geschützten Widerspruchsmarke ausschließlich eine warenbeschreibende Bedeutung beimessen, in Form der jüngeren Marke an anderen, nicht zur Klasse 25 gehörenden Waren sieht, weil sich trotz der Ähnlichkeit dieser anderen Waren mit denjenigen der Klasse 25 eine Assoziation mit der Widerspruchsmarke, in welcher sie den Bestandteil „RAGS“ nur als Sachangabe sehen, in Form eines (allgemeinen) Herkunftshinweises auf die Widersprechende erst gar nicht einstellen kann.

Aber auch für diejenigen Teile des Verkehrs, welche den übereinstimmenden Bestandteil „RAGS“ nicht in seiner Sachbedeutung, sondern ausschließlich als (Nach-) Namen ansehen, scheidet eine assoziative Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken aus. Da üblicherweise eine Vielzahl von Namensträgern denselben Nachnamen aufweisen, weshalb Vornamen als (weiteres) Identifizierungsmittel auf individuelle Namensträger erforderlich sind, käme eine die Verwechslungsgefahr begründende Assoziation der jüngeren Marke mit der Widerspruchsmarke nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben wären, dass sich auf den hier interessierenden Warengebieten der von diesen Verkehrsteilen als Nachname erkannte übereinstimmende Bestandteil allgemein als Hinweis (nur) auf die Widersprechende entwickelt hätte, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke infolge starker Benutzung und ihrer hierdurch gegebenen Stellung auf dem Markt deutlich erhöht wäre (vgl. BGH GRUR 2005, 513, 514 – Ella May/Mey). Solche Anhaltspunkte sind aber weder von der Widersprechenden geltend gemacht worden noch anderweitig ersichtlich. Wegen der individualisierenden Funktion der Vornamen scheidet des Weiteren auch die Annahme aus, dem übereinstimmenden Bestandteil „RAGS“ komme in der Widerspruchsmarke eine selbständig kennzeichnende Stellung zu.

3. Unter Berücksichtigung der Waren-und Markenähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann damit im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden. Da die Markenstelle somit den Widerspruch, soweit hierüber im Beschwerdeverfahren noch zu befinden war, zu Recht zurückgewiesen hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

C. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 1 Nr 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs 2 Nr. 2 MarkenG). Vielmehr war allein darüber zu befinden, ob im konkreten Einzelfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen einer rechtserheblichen Verwechslungsgefahr zwischen den konkreten gegenüberstehenden Marken vorlagen.

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