BPatG, Beschluss vom 17.05.2006 – 29 W (pat) 88/02 – „KieINET“
§§ 32 Abs. 2 Nr. 2, 33 Abs. 1, 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG
1. Das Deutsche Patent- und Markenamt ist verpflichtet, vor Prüfung der Schutzfähigkeit den Anmeldetag der eingereichten Markenanmeldung festzustellen.
2. Die Zuerkennung eines Anmeldetags setzt die Einreichung einer eindeutigen Markenwiedergabe voraus (§ 33 Abs. 1 i. V. m. § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
3. Die Einreichung eines einzigen Antragsvordrucks mit mehreren Markenwiedergaben erfüllt jedenfalls dann nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetags, wenn der Anmelder nur eine einzige Anmeldegebühr entrichtet. In diesem Fall kann erst der Tag als Anmeldetag zuerkannt werden, an dem der Anmelder wirksam bestimmt, für welche der eingereichten Wiedergaben der Schutz beansprucht wird (§ 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG).
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 301 43 264
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 17. Mai 2006 durch …
beschlossen:
1. Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. November 2001 und 22. Februar 2002 werden aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin hat am 18. Juli 2001 eine Wort-/Bildmarkenanmeldung unter Verwendung des amtlichen Anmeldevordrucks mit drei verschiedenen Markenwiedergaben eingereicht. Diese enthalten übereinstimmend in jeweils gleicher Schriftgröße und -art den Wortbestandteil „KielNET“. Zwei dieser Markenwiedergaben sind zweifarbig, eine davon ist in Schwarz-Weiß gehalten. Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen lautet:
Telekommunikation (Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, Dienstleistungen eines Call-Centers, Dienstleistungen eines Internet-Providers, Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich Anrufweiterleitung, Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich Auskunftsdienste …);
Werbung: Dienstleistungen einer Werbeagentur, Sponsoring in Form von Werbung, Design von Homepages und Websites.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 beanstandete die Markenstelle für Klasse 38 die Anmeldung als schutzunfähig. Der Eintragung stünden absolute Schutzhindernisse entgegen, weil der Wortbestandteil „KielNET“ für die beanspruchten Dienstleistungen eine rein beschreibende Angabe darstelle. Im Übrigen sei noch zu klären, für welche der drei Markenwiedergaben die Eintragung beantragt werde. Mit ihrer Erwiderung vom 8. November 2001 übersandte die Anmelderin eine weitere, mit keiner der ursprünglich eingereichten Wiedergaben übereinstimmende Markenwiedergabe und erklärte, diese solle Grundlage des weiteren Anmeldeverfahrens sein. Die der Anmeldung beigefügten Markenwiedergaben seien versehentlich eingereicht worden.
Mit zwei Beschlüssen vom 26. November 2001 und 22. Februar 2002 hat die Markenstelle für Klasse 38 die Anmeldung auf der Grundlage der schwarz-weißen Markenwiedergabe als freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Als Zusammensetzung des Ortsnamens „Kiel“ und des Begriffs „NET“ sei der Wortbestandteil ohne weiteres im Sinne von „Netzwerk für die Stadt Kiel“ verständlich und beschreibe damit unmittelbar die Art und Bestimmung der beanspruchten Dienstleistungen. Die grafische Gestaltung bewege sich im Rahmen des Werbeüblichen und werde vom Publikum nicht als Herkunftshinweis erfasst. Die Entscheidungsgründe lassen nicht erkennen, warum die Markenstelle die Prüfung der Schutzfähigkeit anhand der schwarz-weißen Markenwiedergabe vorgenommen hat. Sie befassen sich auch nicht mit der am 8. November 2001 von der Anmelderin nachträglich eingereichten Markenwiedergabe.
Die Anmelderin hat am 8. April 2002 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortschöpfung handele, der sich für die beanspruchten Dienstleistungen kein beschreibender Aussagegehalt zuordnen lasse. Außerdem habe die Markenstelle unberücksichtigt gelassen, dass die nachgereichte vierte Markenwiedergabe in den Farben Magenta, Blau, Grau und Weiß angemeldet worden sei.
Auf den Hinweis des Senats vom 23. August 2004, dass es nach wie vor an einer präzisen Bestimmung der beanspruchten Marke fehle und insbesondere die am 8. November 2001 nachgereichte Bildmarke nicht ursprünglich angemeldet worden sei, teilte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 7. September 2004 mit, dass sie als einzutragende Marke die auf Seite 3 der Amtsakte abgebildete Markenwiedergabe bestimme. Des Weiteren trägt sie vor, dass sich die Markenstelle auch mit der grafischen Gestaltung dieser Wiedergabe in den angefochtenen Beschlüssen nicht befasst habe.
Mit Beschluss vom 24. November 2004 hat der Senat dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts nach § 68 Abs. 2 MarkenG anheim gegeben dem Verfahren beizutreten. Bei Prüfung der Beschlüsse der Markenstelle komme es auf die Bestimmung des Anmeldetags an, weil erst ab diesem Zeitpunkt eine wirksame Markenanmeldung vorliege. Der Senat ging dabei von der Überlegung aus, dass im Falle einer teilweisen oder vollständigen Schutzfähigkeit bei der Eintragung der Marke der Anmeldetag feststehen müsse. An der Rechtmäßigkeit der Praxis des Deutschen Patent- und Markenamtes, die es dem Anmelder bei Einreichen einer Anmeldung mit mehreren unterschiedlichen Markenwiedergaben erlaube, unter Wahrung des ursprünglichen Anmeldetags nachträglich zu bestimmen, für welche konkrete Markenwiedergabe die Eintragung beantragt werde, bestünden aber Zweifel. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetags ebenso wie die Anforderungen an die Bestimmtheit der Marke seien Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung.
Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Schreiben vom 25. Mai 2005 den Verfahrensbeitritt erklärt. In seiner Stellungnahme führt er aus, dass nach der Amtspraxis die Einreichung einer einzigen Markenanmeldung mit verschiedenen Markenwiedergaben als Anmeldung mehrerer Marken behandelt werde. Der Anmelder bekomme in diesem Fall für alle Markenwiedergaben einen Anmeldetag zuerkannt und könne dann im weiteren Verfahrensverlauf entscheiden, ob er diese zurücknehme oder zusätzliche Anmeldegebühren nachzahle. Hingegen werde das Austauschen der Markenwiedergabe durch eine neue, nachgereichte Markenwiedergabe als unzulässig angesehen. Im Übrigen stünden der Eintragung ohnehin absolute Schutzhindernisse entgegen.
Die Anmelderin hält die Amtspraxis für rechtmäßig. Sie weist außerdem darauf hin, dass sich ihre Beschwerde nur gegen die auf das Bestehen absoluter Schutzhindernisse gestützte Zurückweisung der Anmeldung richte. Wegen des im Beschwerdeverfahren geltenden Verböserungsverbot sei das Gericht daher nicht befugt, den zuerkannten Anmeldetag in Frage zu stellen. Dem Gesetzeswortlaut des § 32 Abs. 2 MarkenG lasse sich nicht entnehmen, dass die Einreichung einer Anmeldung mit mehreren Markenwiedergaben zur Unwirksamkeit der Anmeldung führe. Dagegen sprächen insbesondere die Anmeldeerfordernisse für die Einreichung dreidimensionaler Marken, nach denen bis zu sechs Wiedergaben erlaubt seien.
Im Übrigen stünden der Eintragung des Zeichens auch keine absoluten Schutzhindernisse entgegen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass das angesprochene Publikum den Wortbestandteil „KielNET“ mit der Bedeutung von „Kieler Netz“ erfasse, lasse sich für die beanspruchten Dienstleistungen kein eindeutig beschreibender Aussagegehalt zuordnen. Die Annahme der Verkehr erkenne darin den Hinweis auf ein lokales Telekommunikationsnetz sei realitätsfremd.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Sie regt hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet. Die angefochtenen Beschlüsse waren aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen, weil das Deutsche Patent- und Markenamt noch nicht in der Sache zur nachträglich bestimmten Markenwiedergabe als einzutragende Marke entschieden hat (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
1. Die Markenstelle hat der Prüfung der Schutzfähigkeit eine unwirksame Markenanmeldung zugrunde gelegt und hinsichtlich der wirksamen Anmeldung noch keine Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit nach § 33 Abs. 2 MarkenG getroffen. Bei Nachholung der Prüfung der Anmeldeerfordernisse wird sie auch den Anmeldetag festzusetzen haben.
1.1. Gesetzliche Mindesterfordernisse einer wirksamen Markenanmeldung sind nach § 32 Abs. 2 MarkenG Angaben zur Identität des Anmelders, eine Markenwiedergabe und ein Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen. Der Anspruch auf Eintragung der Marke nach § 33 Abs. 1 MarkenG entsteht an dem Tag, an dem diese Angaben und Unterlagen beim Deutschen Patent- und Markenamt oder einem zur Annahme von Markenanmeldungen bestimmten Patentinformationszentrum eingehen. Erfüllt eine Anmeldung die genannten Mindesterfordernisse nicht, wird ihr der Tag als Anmeldetag zuerkannt, an dem die Anmeldemängel behoben werden (§ 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG).
1.2. Die einen Anmeldetag begründende Markenwiedergabe nach § 32 Abs. 2 MarkenG muss eindeutig sein aufgrund des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes für die Verleihung eines den Schutz nach Art. 14 GG beanspruchenden Markenrechtes (vgl. Fezer, MarkenG, 3. Aufl. 2001, § 32 Rn. 15; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. 2003, § 32 Rn. 8; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 32 Rn. 10). An den Anmeldetag sind außerdem gesetzlich geregelte Rechtswirkungen geknüpft. Der Anmeldetag bestimmt nach § 6 Abs. 2 MarkenG den Zeitrang der Marke. Dieser ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Verteidigung der Marke im Widerspruchs- und Verletzungsverfahren. Der Zeitpunkt, zu dem die mit der angemeldeten Marke beanspruchten Rechtswirkungen aufgrund ihres Schutzumfangs eintreten können, muss daher genau bestimmt sein.
Das verfahrensrechtliche Erfordernis einer klaren und eindeutigen Markenwiedergabe entspricht damit dem materiellrechtlichen Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit nach § 8 Abs. 1 MarkenG (vgl. EuGH GRUR 2004, 858, Rn. 32 – Heidelberger Bauchemie GmbH; GRUR 2004, 54, Rn. 55 – Shield Mark/Kist; GRUR 2003, 145, Rn. 55 – Sieckmann; GRUR 2003, 604, Rn. 29 – Libertel).
1.3. Diesem Bestimmtheitsgebot hat der Gesetzgeber in der Regelung des § 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG Ausdruck verliehen. Mängel der Markenwiedergabe führen grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Anmeldung und können nur unter Verlust des Anmeldetags innerhalb einer vom Amt zu bestimmenden Frist beseitigt werden. Die Rechtsfolge einer unvollständigen Markenanmeldung, die nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetags erfüllt, ist damit abschließend geregelt. Für eine Gesetzeslücke, die darüber hinaus der Ausfüllung durch die Verwaltungspraxis bedürfte, gibt es keine Anhaltspunkte.
1.4. In Übereinstimmung mit dem Erfordernis einer im Zeitpunkt der Anmeldung eindeutig bestimmten Marke regelt die Vorschrift des § 2 Abs. 3 MarkenV, dass für jede Marke eine gesonderte Anmeldung erforderlich ist. Damit steht die Verordnung, auch wenn sie lediglich ein sonstiges Anmeldeerfordernis nach § 32 Abs. 3 MarkenG regelt, dessen Vorliegen nicht Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anmeldetags ist, im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zur eindeutigen Markenwiedergabe.
1.5. Die Praxis des Deutschen Patent- und Markenamts bei Einreichung eines einzigen Antrags mit mehreren Markenwiedergaben dies als wirksame Anmeldung mehrerer Marken zu behandeln mit der Folge, dass der Anmelder unter Wahrung des ursprünglichen Anmeldetags nachträglich bestimmen kann, für welche der Markenwiedergaben er Schutz beansprucht, ist nach Auffassung des Senats daher nicht rechtmäßig. Bei dieser Vorgehensweise ist nämlich im Zeitpunkt der Anmeldung der konkrete Anmeldegegenstand weder bestimmt noch in anderer Weise hinreichend bestimmbar. Die gesetzliche Regelung im Falle einer unklaren Markenanmeldung ist eindeutig und abschließend. Die Markenstelle muss demnach einen Anmelder, der mit einer einzigen Anmeldung mehrere Markenwiedergaben einreicht, zu einer Bestimmung des Anmeldegegenstands auffordern und den Tag des Eingangs dieser Erklärung als Anmeldetag festsetzen. Dies ist nicht geschehen.
Tatsächliche Unklarheiten hinsichtlich der Zahl der beabsichtigten Anmeldungen, bestehen im vorliegenden Fall nicht. Die Anmelderin hat durch Zahlung einer einzigen Anmeldegebühr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nur für eine Marke Schutz beansprucht.
Die Entscheidung der Markenstelle ist deshalb als rechtswidrig aufzuheben, weil sie ohne den zum Erlass des Verwaltungsakts notwendigen mitwirkungsbedürftigen Teil, nämlich den wirksamen Antrag, getroffen wurde.
2. Den Mangel der unbestimmten Markenwiedergabe hat die Anmelderin im Beschwerdeverfahren behoben, indem sie mit Schriftsatz vom 7. September 2004 erklärt hat, für welche der eingereichten Markenwiedergaben sie den Anspruch auf Eintragung geltend mache. Nach § 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG ist daher der 7. September 2004 als Anmeldetag zuzuerkennen.
2.1. Diese nachträgliche Bestimmung des Anmeldegegenstands ist gesetzlich vorgesehen und daher zulässig. Mängel der Anmeldeerfordernisse können nach § 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG zwar nur innerhalb einer vom Deutschen Patent- und Markenamt gesetzten Frist behoben werden. Eine solche Frist hat die Markenstelle der Anmelderin aber nicht gesetzt. Die Fristsetzung im Beanstandungsbescheid vom 10. Oktober 2001 bezieht sich ausschließlich auf die gerügten absoluten Schutzhindernisse, denn für den Fall des ergebnislosen Fristablaufs wurde der Anmelderin die Zurückweisung der Anmeldung durch Beschluss in Aussicht gestellt. Rechtsfolge der verspäteten Beseitigung eines Mindesterfordernisses der Anmeldung ist hingegen der Eintritt der Rücknahmefiktion (§ 33 Abs. 2 S. 1 MarkenG). Nachdem die Markenstelle die notwendige Klärung des Anmeldegegenstands nicht herbeigeführt hat und die Anmeldung mangels wirksamer Fristsetzung auch nicht als zurückgenommen gilt, konnte die Anmelderin die Präzisierung des Anmeldegegenstands noch im Beschwerdeverfahren vornehmen.
2.2. Keine wirksame Bestimmung des Anmeldegegenstands liegt hingegen in der mit Schriftsatz vom 18. November 2001 abgegebenen Erklärung der Anmelderin, die dem Schriftsatz beigefügte Markenwiedergabe zum Anmeldegegenstand zu machen. Denn die in § 36 Abs. 2 MarkenG gewährte Möglichkeit der nachträglichen Behebung von Anmeldemängeln bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf eine bereits eingereichte Anmeldung, die lediglich weiterer Präzisierungen bedarf, um den gesetzlichen Mindesterfordernisse zu genügen. Die dem Schriftsatz vom 18. November 2001 beigefügte Markenwiedergabe stimmt in der farblichen und grafischen Gestaltung aber mit keiner der mit der Anmeldung vom 18. Juli 2001 eingereichten Markendarstellung überein und konnte daher nicht nachträglich zum Verfahrensgegenstand gemacht werden.
2.3. Eine andere Beurteilung des wirksamen Anmeldetags ergibt sich auch nicht aus der von der Anmelderin zitierten Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 MarkenV, wonach bei Anmeldung einer dreidimensionalen Marke bis zu sechs verschiedene Ansichten eingereicht werden können. Denn aus dem Wortlaut der Regelung geht unmissverständlich hervor, dass nur die Einreichung verschiedener Ansichten derselben Marke, nicht hingegen verschiedene Ansichten unterschiedlicher Marken zulässig ist.
2.4. Auch das Verbot der reformatio in peius steht der Überprüfung des wirksamen Anmeldetags durch den Senat nicht entgegen. Die Zuerkennung eines Anmeldetags nach § 33 Abs. 1 MarkenG ist kein selbständig abtrennbarer Teil des im Zurückweisungsbeschluss der Markenstelle verkörperten Verwaltungsakts und unterliegt daher nicht dem Verschlechterungsverbot.
3. Die Schutzfähigkeit der mit Anmeldetag vom 7. September 2004 angemeldeten Marke hat die Markenstelle noch nicht geprüft, weil sie ihrer Entscheidung eine andere als die beanspruchte Marke zu Grund gelegt hat. Bei der Prüfung wird sie Folgendes zu beachten haben.
3.1. Das Verzeichnis der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist für die Prüfung der Schutzfähigkeit zu unbestimmt. Die Beurteilung der absoluten Schutzhindernisse hat stets im Hinblick auf die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu erfolgen. Enthält das Verzeichnis einen weiten Oberbegriff, ist die Eintragung bereits dann zu versagen, wenn ihr für eine unter diesen Oberbegriff fallende Einzelware oder -dienstleistung ein Schutzhindernis entgegen steht (vgl. BGH GRUR 2002, 261, 262 – AC). Das verfahrensgegenständliche Verzeichnis lässt aber nicht erkennen, ob es sich bei den im Klammerzusatz angefügten Dienstleistungen um eine beispielhafte Aufzählung handelt, mit der Folge, dass die Oberbegriffe „Werbung; Telekommunikation“ beansprucht werden, oder um eine Einschränkung des Oberbegriffs auf die in Klammern aufgezählten Dienstleistungen. Insoweit hängt es davon ab, ob die Dienstleistungen „Werbung, insbesondere Dienstleistungen einer Werbeagentur …; Telekommunikation, insbesondere Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation …“ oder „Werbung, nämlich Dienstleistungen einer Werbeagentur …; Telekommunikation, nämlich Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation …“ beansprucht werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 32 Rn. 91). Eine Prüfung der Schutzfähigkeit ist daher erst nach Klarstellung des Verzeichnisses möglich.
3.2. Der Wortbestandteil der Marke ist als Zusammensetzung der geografischen Angabe „Kiel“ und dem Kurzwort „Net“ ohne weiteres i. S. von „Kielnetz“ verständlich. Die grafische Gestaltung bewegt sich im Rahmen des Werbeüblichen und wird vom Verkehr daher nicht als herkunftshinweisend erfasst (vgl. BGH GRUR 2001, 1153, 1154 – antiKALK).
Hinsichtlich der Dienstleistungen „Dienstleistungen einer Werbeagentur; Sponsoring in Form von Werbung; Design von Homepages und Websites; Dienstleistungen eines Callcenters, Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich Anrufweiterleitung, Auskunftsdienste“ hat der Senat aber nicht feststellen können, dass diese Dienstleistungen mittels regionaler Netzwerke erbracht werden oder einen sonstigen Sachzusammenhang mit solchen Netzwerken aufweisen. Auch für die Annahme einer Üblichkeit inhaltsbeschreibender Angaben sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte, weil es sich um Dienstleistungen handelt, die regelmäßig weder nach ihrem thematischen Inhalt beschrieben noch beschränkt auf ein bestimmtes Ortsgebiet erbracht werden.
Für die weiteren Dienstleistungen „Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation; Dienstleistungen eines Internetproviders“ haben die Ermittlungen des Senats zwar ergeben, dass Telekommunikationsdienste als Folge der Deregulierung des Telekommunikationsmarktes von sog. City- oder Regiocarriern angeboten werden. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass verschiedene dieser regionalen Anbieter Kombinationen mit dem Bestandteil „Net“ als Unternehmenskennzeichen benutzen, wie z. B. BerlinNet, M-Net, NetCologne, Gelsen-Net, HanseNet. Auf Grund dieser besonderen Branchenübung ist davon auszugehen, dass das angesprochene Publikum in der Kombination einer geografischen Angabe mit dem Bestandteil „Net“ den Hinweis auf einen regionalen Anbieter erkennt (vgl. BPatG 29 W (pat) 38/02 – Frankenwind; 29 W (pat) 7/04 – Lippe Energie, 29 W (pat) 357/00 – SaarEnergie).
Sollte die Anmelderin die Oberbegriffe „Werbung“ und „Telekommunikation“ beanspruchen, sind gegebenenfalls weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich, ob diese Oberbegriffe weitere Einzeldienstleistungen, wie z. B. das „Sammeln und Liefern von Informationen“ umfassen, für die sich dem Zeichen eine beschreibende Bedeutung zuordnen lässt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetags in der Praxis des Deutschen Patent- und Markenamts (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
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