BGH: Literaturhaus

BGH, Urteil vom 16.12.2004 – I ZR 69/02Literaturhaus (OLG München)
MarkenG § 5 Abs. 2, § 15 Abs. 2; UWG §§ 3, 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1; BGB §§ 12, 276 Fa a. F. (c. i. c.)

a) Der Bezeichnung „Literaturhaus e. V.“ fehlt die originäre Unterscheidungskraft für einen auf den Gebieten der Förderung der Literatur und des Buchwesens sowie der bildenden Kunst und der neuen Medien tätigen Verein. Für den Schutz als Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG und als Name nach § 12 BGB ist daher Verkehrsgeltung der Bezeichnung erforderlich.

b) Wer auf eine Anfrage, einen Internet-Auftritt unter einem bestimmten Domain-Namen zu erstellen, diesen für sich registrieren läßt, kann unter dem Gesichtspunkt einer gezielten Behinderung eines Mitbewerbers nach § 4 Nr. 10 UWG und eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zur Unterlassung der Verwendung der Domain-Namen und zur Einwilligung in die Löschung der Registrierungen verpflichtet sein.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. November 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein seit 1986 eingetragener Verein mit Sitz in H., hat den Namen „Literaturhaus e. V.“. Er richtet in H. literarische und kulturelle Veranstaltungen – teilweise gegen Entgelt – aus. Vergleichbare Vereinigungen sind auch in anderen Städten entstanden. Sie treten im Einvernehmen mit dem Kläger unter der Bezeichnung „Literaturhaus“ in Verbindung mit dem jeweiligen Städtenamen auf.

Der Kläger und weitere in anderen Städten unter „Literaturhaus“ auftretende Veranstaltungsforen befaßten sich seit Ende 1998 mit ihrem Internet-Auftritt unter der gemeinsamen Domainadresse „www. literaturhaus. de“. Der Beklagte, der Unternehmen zu Marketingkonzepten berät, sollte die Internetseite einrichten. Die geplante Zusammenarbeit kam nicht zustande, weil sich der Kläger und die vier in F., K., B. und M. ansässigen Veranstaltungsforen im März 2000 entschlossen, das Internet-Projekt selbst zu betreuen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte sich den Domain-Namen „www.literaturhaus.de“ registrieren lassen und den Aufbau eines eigenen Literaturforums unter dieser Internet-Adresse begonnen. Mittlerweile verfügt der Beklagte auch über die Domain-Namen „literaturhaus.com“, „literaturhaus.org“ und „literaturhaus.net“.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Recht an dem Namen „Literaturhaus e. V.“ werde durch die Internet-Adressen des Beklagten verletzt.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

I. es zu unterlassen, die Bezeichnungen „literaturhaus.de“, „literaturhaus.com“, „literaturhaus.org“ und „literaturhaus.net“ als Domain-Namen im Internet für eine auf den Beklagten registrierte Homepage oder auf sonstige Weise im geschäftlichen Verkehr in Deutschland zu benutzen oder benutzen zu lassen;

II. gegenüber dem Provider des Beklagten und der Vergabestelle DENIC eG Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft, Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt/Main, in die Freigabe des auf den Beklagten registrierten Domain-Namen „literaturhaus.de“ (Administrativkontakt: H.) einzuwilligen;

III. gegenüber dem Provider des Beklagten und der Vergabestelle Network Solutions, Inc. 505 Huntmar Park Drive, Herndon, VA 20170, USA, in die Freigabe der Domains „literaturhaus.com“, „literaturhaus.net“ und „literaturhaus.org“ einzuwilligen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die Bezeichnung „Literaturhaus“ sei als beschreibende Angabe ohne Unterscheidungskraft. Es sei seine Idee gewesen, ein Portal unter der Internet-Adresse „literaturhaus.de“ zu entwickeln, weshalb er sich die entsprechenden DomainNamen habe reservieren lassen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG München GRUR-RR 2002, 109).

Mit seiner Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat die Ansprüche des Beklagten nach §§ 12, 1004 BGB bejaht und hierzu ausgeführt:

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei auch hinsichtlich der in den USA registrierten Internet-Adressen gegeben. Diese seien in Deutschland abrufbar.

Dem Kläger stehe als Träger des Namens „Literaturhaus e. V.“ auch als juristischer Person Namensschutz zu. Über originäre Namensfunktion verfüge die Angabe „Literaturhaus e. V.“, weil sie geeignet sei, ihren Träger unterscheidungskräftig zu bezeichnen. Die für sich nicht unterscheidungskräftigen Wörter „Literatur“ und „Haus“ seien in sprachunüblicher Weise zusammengeführt und in dieser Zusammensetzung einprägsam. Hinzu käme, daß die Bezeichnung üblicherweise an jedem Ort nur einmal benutzt werde. Mit Ingebrauchnahme der Bezeichnung habe der Schutz begonnen und sei auch nicht deshalb entfallen, weil es in einer größeren Zahl von Städten „Literaturhäuser“ mit einer gleichen Zielsetzung gebe, wie sie derjenigen des Klägers entspreche.

Durch die Registrierungen sowie die Verwendung der Internet-Adressen mache der Beklagte von dem Namen des Klägers Gebrauch. Hierdurch würden schutzwürdige Interessen des Klägers verletzt. Ein nicht unerheblicher Teil der Internet-Benutzer werde die Domain-Namen des Beklagten mit dem Kläger und den in anderen Städten etablierten gleichnamigen Veranstaltungsforen in Verbindung bringen. Es bestehe zumindest die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung und es werde der unrichtige Eindruck hervorgerufen, der Kläger oder ein Zusammenschluß deutschsprachiger Literaturhäuser habe dem Beklagten den Gebrauch gestattet. Für nicht unerhebliche Teile des Verkehrs, die die Verwendung des Namens durch den Beklagten als Hinweis auf den Kläger auffaßten, bestehe Verwechslungsgefahr. Entweder gingen diese Verkehrskreise von einer Identität der Namensträger oder personellen bzw. organisatorischen Zusammenhängen oder der Zustimmung des Namensträgers aus. Eine Verletzung der Interessen des Klägers i. S. von § 12 BGB liege auch deshalb vor, weil dieser gehindert werde, gleichnamige Internet-Adressen für sich registrieren zu lassen, und ein berechtigtes Interesse des Beklagten nicht ersichtlich sei, die DomainNamen zu behalten. Der Beklagte sei auch verpflichtet, auf die in Deutschland und in den USA registrierten Domain-Namen zu verzichten.

II. Die Revision ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Benutzung und Einwilligung in die Freigabe der mit „literaturhaus“ gebildeten Domain-Namen des Beklagten aus Namens- oder Kennzeichenrecht nicht zu. Ob der Kläger die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten aus §§ 3, 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1 UWG oder aus culpa in contrahendo herleiten kann, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben.

1. Im Streitfall kann dahinstehen, ob sich der vom Kläger geltend gemachte Schutz gegen die Verwendung der Domain-Namen des Beklagten nach §§ 5, 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG oder nach § 12 BGB richtet. Denn es sind weder die Voraussetzungen einer Kennzeichenverletzung nach dem Markengesetz noch einer Namensverletzung gemäß § 12 BGB gegeben.

Die Entstehung des Schutzes von Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG setzt voraus, daß der Zeicheninhaber am geschäftlichen Verkehr teilnimmt, was auch bei einem gemeinnützigen Verein in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1953 – IV ZR 176/52, GRUR 1953, 446, 447; Urt. v. 23.1.1976 – I ZR 95/75, GRUR 1976, 370, 371 = WRP 1976, 235 – Lohnsteuerhilfevereine; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 5 Rdn. 20).

Das Berufungsgericht hat jedoch zu der Frage, ob der Kläger sich im geschäftlichen Verkehr i. S. des § 5 MarkenG betätigt, keine Feststellungen getroffen.

2. Ein Unterlassungsanspruch nach § 5 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und Abs. 4 MarkenG steht dem Kläger jedenfalls deshalb nicht zu, weil die Bezeichnung „Literaturhaus e. V.“ von Hause aus nicht unterscheidungskräftig ist und auch keine Verkehrsgeltung erlangt hat.

a) Der originäre Schutz eines Unternehmenskennzeichens setzt neben seiner Benutzung voraus, daß es über namensmäßige Unterscheidungskraft verfügt (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 136/99, GRUR 2002, 814, 816 = WRP 2002, 987 – Festspielhaus I; Urt. v. 27.11.2003 – I ZR 79/01, GRUR 2004, 514, 515 = WRP 2004, 758 – Telekom). Daran fehlt es entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bei der Bezeichnung „Literaturhaus e. V.“. Der Bezeichnung „Literaturhaus“ kommt keine Unterscheidungskraft zu. Der Kläger ist auf den Gebieten der Förderung der Literatur und des Buchwesens sowie der bildenden Kunst und der neuen Medien tätig und unterhält ein Literaturhaus. Die Bezeichnung „Literaturhaus“ benennt diesen Tätigkeitsbereich des Klägers durch die Zusammenfügung der beschreibenden Wörter „Literatur“ und „Haus“, ohne daß durch die bloße Zusammenfügung der Wörter der beschreibende Charakter der Wortkombination verlorengeht (vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.2.2004 – C-265/00, GRUR 2004, 680, 681 Tz. 39 = MarkenR 2004, 111 – BIOMILD; vgl. ferner BGH, Urt. v. 12.6.1986 – I ZR 70/84, GRUR 1988, 319, 320 = WRP 1986, 671 – VIDEO-RENT; Beschl. v. 28.8.2003 – I ZB 6/03, GRUR 2003, 1050 f. = WRP 2003, 1429 – Cityservice). Anders als das Berufungsgericht meint, handelt es sich auch nicht um eine einprägsame Neubildung nicht unterscheidungskräftiger Wörter, sondern um die Beschreibung des Tätigkeitsbereichs, wie dies üblicherweise in der Kombination mit dem Wort „Haus“ anzutreffen ist (z. B. Möbelhaus, Musikhaus, Autohaus, Festspielhaus, Schuhhaus).

b) Ohne originäre Unterscheidungskraft kann die Bezeichnung des Klägers Schutz als Unternehmenskennzeichen nur beanspruchen, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2003 – I ZR 136/99, BGH-Rep 2003, 1091, 1092 – Festspielhaus II; BGH GRUR 2004, 514, 515 – Telekom).

Eine Verkehrsgeltung der Bezeichnung „Literaturhaus e. V.“, mit der sich das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht befaßt hat, hat der Kläger nicht konkret vorgetragen. Soweit die Revisionserwiderung darauf verweist, der Kläger habe geltend gemacht, in den angesprochenen literaturinteressierten Verkehrskreisen unter dem Namen „Literaturhaus“ bekannt zu sein, reicht dieser lediglich pauschal gehaltene Vortrag für die Darlegung der Voraussetzungen der Verkehrsgeltung des Vereinsnamens des Klägers nicht aus. Auf die Bekanntheit von weiteren Literaturhäusern in anderen Städten kann sich der Kläger nicht berufen.

3. Der Unterlassungsanspruch steht dem Kläger auch nicht nach § 12 i. V. mit § 57 BGB zu. Der Schutz des Namensrechts nach dieser Vorschrift setzt ebenfalls namensmäßige Unterscheidungskraft der Bezeichnung von Hause aus (vgl. BGH, Urt. v. 10.4.1970 – I ZR 121/68, GRUR 1970, 481, 482 = WRP 1970, 271 – Weserklause) oder Verkehrsgeltung voraus (vgl. BGH GRUR 1953, 446, 447; BGHZ 43, 245, 253; 155, 273, 278 – maxem. de). Daran fehlt es im Streitfall (vgl. Abschn. II 2).

4. Das Berufungsurteil kann danach nicht aufrechterhalten werden.

Das Berufungsgericht hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klageanträge wegen eines Wettbewerbsverstoßes oder unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen begründet sind. Diese Prüfung wird das Berufungsgericht nunmehr vorzunehmen haben.

a) Der Kläger hat in der Registrierung der vier jeweils mit „Literaturhaus“ gebildeten Domain-Namen durch den Beklagten eine gezielte Behinderung i. S. von §§ 3, 4 Nr. 10 UWG gesehen. Zwar ist es regelmäßig nicht als unlauter i. S. von § 3 UWG anzusehen, wenn ein Anbieter sich einen beschreibenden Begriff als Domain-Namen eintragen läßt, an dessen Verwendung als Internetadresse auch Mitbewerber interessiert sind (vgl. BGHZ 148, 1, 5 ff. – Mitwohnzentrale.de). Im Streitfall kann sich eine gezielte Behinderung des Klägers allerdings aus dem Umstand ergeben, daß der Beklagte mehrere, mit dem Namen des Klägers bis auf den Zusatz „e. V.“ gleichlautende Namen mit unterschiedlichen Top-Level-Domains für sich hat registrieren lassen (vgl. BGHZ 148, 1, 12 – Mitwohnzentrale.de; Harte/Henning/Omsels, UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 72 und 74; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdn. 10. 95; Fezer/Götting, UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 101).

b) Dem Kläger können der begehrte Unterlassungsanspruch und die auf Einwilligung in die Löschung gerichteten Beseitigungsansprüche auch wegen eines Verschuldens des Beklagten bei Vertragsverhandlungen (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB) zustehen. Dies ist der Fall, wenn die Planung und die Idee des Internet-Auftritts, wie der Kläger unter Beweisantritt behauptet und der Beklagte bestritten hat, nicht vom Beklagten, sondern vom Kläger und weiteren in anderen Städten unter „Literaturhaus“ auftretenden Veranstaltungsforen stammten und der Beklagte nur den Auftrag zur Umsetzung des Konzepts erhielt. Mit der Aufnahme des geschäftlichen Kontakts der Parteien zur Umsetzung des Internet-Auftritts wäre der Beklagte in diesem Fall verpflichtet gewesen, auf die ihm anvertrauten Interessen des Klägers Rücksicht zu nehmen (vgl. BGHZ 60, 221, 223 f.). War nicht der Beklagte mit der Idee zu einem Internetauftritt unter der Bezeichnung „Literaturhaus“ an den Kläger und die weiteren Veranstaltungsforen herangetreten, sondern verhielt es sich umgekehrt, durfte der Beklagte die mit „Literaturhaus“ gebildeten Domain-Namen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht für sich selbst registrieren lassen.

Ergeben die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Idee zu dem Internetauftritt vom Kläger und den weiteren Veranstaltungsforen stammte und der Beklagte nur den Auftrag zur Umsetzung erhielt, kann der Kläger im Wege des Schadensersatzes die begehrte Unterlassung und die Einwilligung in die Löschung der für den Beklagten registrierten Domain-Namen beanspruchen (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.1961 – I ZR 26/60, GRUR 1961, 482, 483 – Spritzgußmaschine; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 33 Rdn. 12 f.; Gloy/Loschelder/Melullis, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 23 Rdn. 53).

(Unterschriften)

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