BGH: Legostein

a) Die Grundsätze des § 322 ZPO sind auf bestandskräftige Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamts im Löschungsverfahren übertragbar.

b) Hat der Beschwerdeführer im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren ge-mäß § 66 MarkenG die Beschwerdegebühr nicht gezahlt, tritt die daran anknüpfende Rechtsfolge des § 6 Abs. 2 PatKostG kraft Gesetzes ein. Die in § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG vorgesehene Entscheidung des Rechtspflegers, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt, hat nur deklaratorische Bedeutung.

c) Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeichen (hier: der Legostein) ausschließlich aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung i.S. von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderlich ist, sind diejenigen Merkmale außer Betracht zu lassen, die die Grundform der Warengattung ausmachen. Dienen die verbleibenden Merkmale ausschließlich der Herbeiführung einer technischen Wirkung (hier: Verbindung der Spielbausteine), ist die Warenform nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vom Markenschutz auch dann ausgenommen, wenn die technische Lösung (hier: Klemmwirkung durch Kupplungselemente in Form von Noppen) durch unterschiedlich ausgestaltete Merkmale (hier: unterschiedlich geformte Noppen) erreicht werden kann.

BGH, Beschluss vom 16.07.2009 – I ZB 53/07Legostein
MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 50 Abs. 1 und 2, §§ 54, 66; PatKostG § 6 Abs. 2; ZPO § 322

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den an Verkündungs Statt am 2. Mai 2007 zugestellten Beschluss des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 20. August 1996 die nachfolgend abgebildete farbige (rot) dreidimensionale Marke Nr. 395 03 037 für die Ware „Spielzeug, nämlich Spielbausteine“ eingetragen:

2
Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt, weil sie zum einen nicht markenfähig, zum anderen nicht unterscheidungskräftig und im Übrigen freihaltebedürftig sei.

3
Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag als unzulässig verworfen. Sie hat angenommen, die Antragstellerin müsse sich den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 entgegenhalten lassen, durch den der Löschungsantrag der R. H. Inc. gegen die angegriffene Marke rechtskräftig zurückgewiesen worden sei. Die Löschungsentscheidung entfalte Wirkung auch im Verhältnis zur Antragstellerin. Diese sei von der R. H. Inc. nur vorgeschoben.

4
Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Bundespatentgericht die Löschung der Marke angeordnet (BPatG, Beschl. v. 2.5.2007 – 26 W (pat) 82/05, juris).

5
Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde. Die Antragstellerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

6
II. Das Bundespatentgericht hat den Löschungsantrag als zulässig und begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

7
Dem Löschungsantrag stehe nicht der Einwand der Rechtskraft des Beschlusses vom 7. März 2002 entgegen, mit dem der frühere Löschungsantrag der Antragstellerin des vorausgegangenen Löschungsverfahrens zurückgewiesen worden sei. Der Beschluss der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts sei nicht rechtskräftig geworden.

8
Der Löschungsantrag sei auch begründet, weil die angegriffene Marke löschungsreif sei. Der Eintragung der angegriffenen Marke habe das Schutzhindernis aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden, das auch weiterhin bestehe. Vom Markenschutz ausgeschlossen seien nach dieser Vorschrift Warenformen, deren wesentliche Merkmale eine technische Funktion erfüllten. Davon sei für die vorliegende Marke auszugehen. Diese bestehe aus der Wiedergabe eines roten quaderförmigen Spielbausteins mit zwei symmetrischen Reihen aus jeweils vier flachen, glatten und zylindrischen Noppen an der Oberfläche. Die Kupplungselemente (Noppen) der Marke, aus denen die Markeninhaberin allein die Markenfähigkeit ableite, seien ausschließlich technisch bedingt. Die Noppen auf der Oberseite sowie die Hohlräume auf der Unterseite des Spielbausteins dienten dazu, die Spielbausteine auf leichte Art verbinden und wieder trennen zu können. Diese technische Wirkung stehe eindeutig im Vordergrund. Die Funktion des Gegenstands werde durch die Form erreicht, was durch die abgelaufenen Patente bestätigt werde. Soweit sich die Markeninhaberin darauf berufen habe, es gebe verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung der Noppen der Spielbausteine innerhalb derselben technischen Lösung, komme es hierauf nicht an. Die zylindrischen Noppen seien im Übrigen die beste Ausführungsform zur beständigen Verbindung der Bausteine. Neben dieser technischen Funktion seien rein ästhetisch bedingte Merkmale der Warenform nicht ersichtlich.

9
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

10
1. Der Löschungsantrag ist zulässig.

11
a) Das Bundespatentgericht hat die Zulässigkeit des Löschungsantrags bejaht. Es hat angenommen, dem Löschungsantrag stehe nicht die Rechtskraft des Beschlusses vom 7. Mai 2002 entgegen, mit dem der frühere Löschungsantrag der R. H. Inc. zurückgewiesen worden sei. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aus dem Jahre 2002 sei nicht rechtskräftig geworden, weil der Löschungsantrag vor Eintritt der Rechtskraft des patentamtlichen Beschlusses zurückgenommen worden sei. Die R. H. Inc. habe gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts fristgerecht Beschwerde eingelegt, wodurch der Eintritt der Rechtskraft gehemmt worden sei. Diese Wirkung sei trotz der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr eingetreten. Aus § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG ergebe sich die Notwendigkeit der Feststellung, dass die Beschwerde als nicht erhoben gelte. Bevor diese Wirkung nicht rechtskräftig festgestellt sei, könne der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss nicht rechtskräftig werden.

12
b) Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg. Dem vorliegenden Löschungsverfahren steht die bestandskräftige Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 nicht entgegen.

13
aa) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht auf die Frage des Vorliegens des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschränkt.

14
(1) Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass dieses auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. BGHZ 90, 318, 320 – Zinkenkreisel; 130, 187, 191 – Füllkörper).

15
(2) Zudem hätte durch eine auf die Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschränkte Zulassung die Frage der entgegenstehenden Rechtskraft des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 nicht von der Überprüfung durch den Senat ausgenommen werden können. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Revision beschränkt auf die Frage zugelassen werden, ob dem Klagebegehren die Rechtskraft eines früheren Urteils entgegensteht (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1989 – IVb ZR 19/89, NJW 1990, 1795, 1797). Durch eine nur beschränkte Zulassung des Rechtsmittels kann aber nicht umgekehrt die Frage der entgegenstehenden Rechtskraft einer anderen Entscheidung von der Prüfung ausgeklammert werden. Die Rechtskraftwirkung einer früheren Entscheidung ist auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen und steht, solange der Einwand der Rechtskraft nicht ausgeräumt ist, einer Sachprüfung entgegen (vgl. BGHZ 123, 30, 35 – Indorektal II).

16
bb) Entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts ist der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 bestandskräftig geworden, bevor die Antragstellerin jenes Verfahrens den Löschungsantrag mit Eingabe vom 13. März 2003 zurückgenommen hat. Die Antragstellerin jenes Verfahrens hatte zwar gemäß § 66 MarkenG Beschwerde gegen die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts eingelegt. Ihre Beschwerde galt jedoch nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht erhoben, weil die Antragstellerin des ersten Löschungsverfahrens die Beschwerdegebühr nicht vollständig eingezahlt hat. Die Einzahlung der Beschwerdegebühr ist zwingende Voraussetzung für die Rechtsmitteleinlegung; von ihr hängt ab, ob ein Beschwerdeverfahren überhaupt anhängig wird (vgl. BGHZ 83, 271, 273 – Einsteckschloss; Knoll in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 66 Rdn. 46). Diese Wirkung der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr tritt kraft Gesetzes ein (vgl. Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 73 Rdn. 46; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 66 MarkenG Rdn. 11; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, Bd. I, 1. Teil, Kap. 2 Rdn. 167). Die in § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG vorgesehene Entscheidung des Rechtspflegers, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt, hat dementsprechend nur deklaratorische Wirkung. War danach wegen der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr durch die Antragstellerin des vorausgegangenen Löschungsverfahrens ein Beschwerdeverfahren nicht wirksam in Gang gesetzt und die Entscheidung des Amtes über den Löschungsantrag deswegen bestandskräftig, konnte dieser Antrag nicht mehr rechtswirksam zurückgenommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.1985 – I ZB 17/84, GRUR 1985, 1052, 1053 – LECO).

17
cc) Die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002, durch die der Löschungsantrag der R. H. Inc. zurückgewiesen worden ist, wirkt jedoch nicht zu Lasten der Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens.

18
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der in den §§ 322, 325 ZPO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke für die Beurteilung der Wirkungen im Löschungsverfahren ergangener gerichtlicher Entscheidungen heranzuziehen (vgl. BGHZ 123, 30, 33 f. – Indorektal II). Der Sinn dieser Regelung liegt in der endgültigen Befriedung eines kontradiktorischen Parteienstreits, der über denselben Streitgegenstand nicht wiederholt werden soll. Der Rechtsgedanke ist indessen nicht auf eine gerichtliche Entscheidung im Löschungsverfahren beschränkt. Vielmehr sind die Grundsätze des § 322 ZPO auf eine bestandskräftige Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts im Löschungsverfahren übertragbar. Im Hinblick auf die Justizförmigkeit des Verfahrens ist eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung auf das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht ausgeschlossen (zum PatG: BGH, Beschl. v. 10.5.1994 – X ZB 7/93, GRUR 1994, 724, 725 – Spinnmaschine; zum marken-rechtlichen Verfahren: BPatGE 42, 250, 253; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 56 MarkenG Rdn. 1; Kirschneck in Ströbele/Hacker aaO § 56 Rdn. 1). Dies gilt auch für die Anwendung des Rechtsgedankens des § 322 ZPO auf einen im Löschungsverfahren ergangenen bestandskräftigen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, weil auch insoweit wiederholte Löschungsverfahren zwischen denselben Beteiligten über dieselbe eingetragene Marke im Interesse einer endgültigen Befriedung durch eine bestandskräf-tige Entscheidung ausgeschlossen werden sollen.

19
(2) Die Voraussetzungen, unter denen sich die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens die Rechtskraft der Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 entgegenhalten lassen muss, liegen jedoch nicht vor.

20
Die Antragstellerin des vorliegenden Löschungsverfahrens ist weder mit der Antragstellerin des vorausgegangenen Löschungsverfahrens identisch noch ist sie deren Rechtsnachfolgerin. Deshalb braucht sie sich die bestandskräftige Entscheidung des vorausgegangenen Löschungsverfahrens nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur entgegenhalten zu lassen, wenn sie als sogenannte „Strohfrau“ der Antragstellerin des ersten Löschungsverfahrens, der R. H. Inc., anzusehen ist (vgl. BGHZ 123, 30, 35 – Indorektal II).

21
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Einwand, dass die Sache bereits rechtskräftig entschieden ist, auch einem Antragsteller entgegengehalten werden, der lediglich als sogenannter „Strohmann“ vorgeschoben wird, um den Einwand zu entkräften. Voraussetzung hierfür ist, dass das Verfahren nur im Interesse und Auftrag des „Hintermannes“ sowie auf dessen Weisung ohne jedes eigene Interesse an dem Verfahren betrieben wird (vgl. BGH, Urt. v. 10.1.1963 – Ia ZR 174/63, GRUR 1963, 253 – Bürovorsteher; Urt. v. 2.6.1987 – X ZR 97/86, GRUR 1987, 900, 903 – Entwässerungsanlage). Davon ist vorliegend nicht auszugehen.

22
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde reichen die Umstände, auf die sich die Markeninhaberin zur Begründung der Eigenschaft der Antragstellerin als sogenannte „Strohfrau“ berufen hat, für eine entsprechende Annahme nicht aus. Die Antragstellerin ist als Rechtsanwältin in der Kanzlei tätig, in der auch der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin des ersten Löschungsverfahrens tätig ist. Dieser hat in den Vorinstanzen zudem die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens und die Antragstellerin des Parallelverfahrens I ZB 54/07 vertreten. Weiterhin stimmen die in den Löschungsverfahren für die unterschiedlichen Beteiligten eingereichten Schriftsätze teilweise wortgleich überein. Schließlich ist die anwaltliche Tätigkeit der Antragstellerin auf der Homepage der Anwaltskanzlei mit den Schwerpunkten Informationstechnologie und Medienrecht angegeben.

23
Aus alledem folgt aber nicht mit hinreichender Sicherheit, dass die An-tragstellerin nur sogenannte „Strohfrau“ der Antragstellerin des vorausgegangenen Löschungsverfahrens ist. Die Antragstellerin hat bestritten, dass sie im Auftrag und auf Weisung eines Dritten das vorliegende Löschungsverfahren führt und in diesem Zusammenhang geltend gemacht, sie betreibe das Verfahren im öffentlichen und eigenen Interesse, aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten. Sie hat sich zudem darauf berufen, damit rechnen zu müssen, als Partnerin der Rechtsanwaltskanzlei persönlich von der Antragstellerin des vorausgegangenen Löschungsverfahrens in Anspruch genommen zu werden, wenn es bei der Markeneintragung bleibe. Danach ist nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin ein von dem Interesse der R. H. Inc., Antragstellerin des vorausgegangenen Löschungsverfahrens, unabhängiges Interesse am vorliegenden Verfahren hat. Die feststehenden Begleitumstände reichen für den gegenteiligen Schluss nicht aus. Da die Markeninhaberin die Feststellungslast für den Umstand trägt, dass die Antragstellerin sogenannte „Strohfrau“ eines Dritten ist, zu dessen Lasten bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, geht der fehlende Nachweis dieses Umstands zu Lasten der Markeninhaberin, die weder vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch vor dem Bundespatentgericht weitergehende Beweismittel angeführt hat.

24
2. Der Löschungsantrag ist auch begründet. Mit Recht hat das Bundespatentgericht die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marke für die Ware „Spielzeug, nämlich Spielbausteine“ nach § 50 Abs. 1 und 2 MarkenG bejaht. Der Marke stand sowohl im Eintragungszeitpunkt (§ 50 Abs. 1 MarkenG) als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

25
a) Nach dieser Vorschrift ist ein Zeichen, das ausschließlich aus einer Form besteht, dem Markenschutz nicht zugänglich, wenn die Form zur Errei-chung einer technischen Wirkung erforderlich ist. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt Art. 3 Abs. 1 lit. e Ziffer ii MarkenRL um. Die Bestimmung schließt es im öffentlichen Interesse aus, dass der Inhaber des Markenrechts technische Lösungen für sich monopolisieren und dadurch Mitbewerber daran hindern kann, ihre Ware mit diesen technischen Lösungen zu versehen (EuGH, Urt. v. 8.4.2003 – C-53/01 bis 55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 Tz. 72 = WRP 2003, 627 – Linde, Winward u. Rado; BGH, Beschl. v. 24.5.2007 – I ZB 37/04, GRUR 2008, 71 Tz. 13 = WRP 2008, 107 – Fronthaube; Beschl. v. 25.10.2007 – I ZB 22/04, GRUR 2008, 510 Tz. 11 = WRP 2008, 791 – Milchschnitte). Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu der Bestimmung der Markenrechtsrichtlinie entschieden hat, setzt dieses Eintragungshindernis voraus, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale der Form nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind, selbst wenn die fragliche technische Wirkung durch andere Formen erzielt werden kann (EuGH, Urt. v. 18.6.2002 – C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804 Tz. 83 = WRP 2002, 924 – Philips/Remington; BGH, Beschl. v. 17.11.2005 – I ZB 12/04, GRUR 2006, 589 Tz. 18 = WRP 2006, 900 – Rasierer mit drei Scherköpfen).

26
b) Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Markenfähigkeit der angegriffenen Marke ergebe sich allein aus den Noppen (Kupplungselementen) des Spielbausteins; deren Ausführungsform sei ausschließlich technisch bedingt. Grundsätzlich dürften technische Lösungen, die über Patent- oder Gebrauchsmusterschutz verfügten oder verfügt hätten, nicht mit Hilfe des Markenschutzes unterlaufen werden. Nur Merkmale, die nicht im Wesentlichen technisch bedingt seien, seien dem Markenschutz zugänglich. Vorliegend sei davon auszugehen, dass die wesentliche technische Funktion der Noppen auf der Oberseite sowie der Hohlräume auf der Unterseite der Spielbausteine in einem Verbindungseffekt bestehe, der der Stabilität diene und eine leichte Verbindung und Trennung der Elemente erlaube. Diese technische Wirkung der Noppen stehe eindeutig im Vordergrund. Die Form und der Durchmesser der Noppen, ihre Anzahl, ihre Höhe und ihre symmetrische Anordnung seien wesentlich für die erzielte Wirkung und deshalb für diese technische Wirkung auch erforderlich i.S. des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

27
c) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

28
aa) Das Bundespatentgericht ist zu Recht und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet davon ausgegangen, dass für die Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausschließlich auf die Noppen eines Spielbausteins abzustellen ist, der der angegriffenen Marke entspricht. Die weitere Gestaltung des Spielbausteins besteht in dessen quaderförmiger Aufmachung. Diese ist dem Markenschutz nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht zugänglich, weil es sich um die Grundform dieser Warengattung handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2003 – I ZB 18/98, GRUR 2004, 506, 507 = WRP 2004, 755 – Stabtaschenlampen II; BGH GRUR 2008, 510 Tz. 16 – Milchschnitte).

29
bb) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geltend, das Bundespatentgericht sei von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen. Das Eintragungshindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei eng auszulegen, weil es nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden könne. Es sei zu unterscheiden zwischen einer technischen Wirkung, die nur mit der als Marke beanspruchten Form erzielt werden könne, und einer zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen technischen Lösung, die durch verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten umzusetzen sei. Der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setze voraus, dass eine bestimmte technische Wirkung nur mit der als Marke beanspruchten Form erzielt werden könne. Die Monopolisierungsgefahr, der § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenwirken solle, bestehe dagegen nicht, wenn eine konkrete technische Lösung durch in der äußerlichen Gestaltung ganz unterschiedliche Formen realisiert werden könne. Dem kann nicht beigetreten werden.

30
(1) Das Eintragungshindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist im Hinblick auf das Allgemeininteresse auszulegen, Formen frei verwenden zu können, deren wesentliche Merkmale einer technischen Funktion entsprechen und gewählt wurden, um diese zu erfüllen (EuGH GRUR 2002, 804 Tz. 77 und 80 – Philips/Remington). Maßgeblich ist daher für das Vorliegen des in Rede stehenden Schutzhindernisses, ob die Anzahl, Gestaltung und Anordnung der Noppen allein der technischen Wirkung zuzuschreiben ist oder ob die angegriffene Marke darüber hinausgehende, nicht technische Gestaltungsmerkmale oder eine individualisierende Formgebung aufweist (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2003 – I ZB 48/98, GRUR 2004, 507, 509 = WRP 2004, 749 – Transformatorengehäuse; BGH GRUR 2006, 589 Tz. 20 – Rasierer mit drei Scherköp-fen; BGHZ 166, 65 Tz. 14 – Porsche Boxster; BGH GRUR 2008, 71 Tz. 16 – Fronthaube).

31
(2) Von diesen Maßstäben ist auch das Bundespatentgericht ausgegangen. Nach seinen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen weisen die Noppen auf der Oberseite des Spielbausteins eine wesentliche technische Funktion auf, ohne dass die angegriffene Marke über weitergehende nichttechnische Gestaltungsmerkmale verfügt. Dass sich die Streitmarke durch eine individualisierende Formgebung auszeichnet, hat das Bundespatentgericht ebenfalls nicht festgestellt. Die Rechtsbeschwerde rügt insoweit auch keinen Vortrag der Markeninhaberin als übergangen. Das Bundespatentgericht hat daraus zu Recht gefolgert, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale der Form nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind.

32
(3) Diesem Ergebnis hält die Rechtsbeschwerde entgegen, das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liege nur vor, wenn eine technische Wirkung nur mit unterschiedlichen technischen Lösungen erreicht werden könne und mit der angegriffenen Markenform eine dieser technischen Lösungen monopolisiert werde. Dagegen seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben, wenn zur Erzielung einer technischen Wirkung eine bestimmte technische Lösung diene, die auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt werden könne. Von letzterem sei im vorliegenden Fall auszugehen. Zur Verbindung der Spielbausteine durch Verklemmen gebe es eine Reihe von gleichwertigen Alternativgestaltungen für Noppen von Spielbausteinen. Bei den Bausteinen der Markeninhaberin werde die Klemmwirkung dadurch erzielt, dass die Noppen auf der Oberseite der Spielbausteine zwischen die Innenwand des Bausteins und den in der Bausteininnenseite vorhandenen Zapfen geklemmt würden. Diese an der Unterseite der Bausteine angeordneten Sekundärzapfen seien Gegenstand des Christiansen-Patents, durch das die ursprüngliche Gestaltung des Spielbausteins nach dem Patent von Harry Fisher Page weiterentwickelt worden sei. Das Bundespatentgericht habe die Gestaltung der Spielbausteine auf der Grundlage des Christiansen-Patents als funktionsgerechteste Ausführungsform und deshalb als vorzugswürdig gegenüber anderen Ausführungsformen bezeichnet. Die Feststellungen des Bundespatentgerichts hierzu seien unzureichend und seine Würdigung sei widersprüchlich. Das Bundespatentgericht habe verfahrensfehlerhaft den gegenteiligen Vortrag der Markeninhaberin nicht berücksichtigt.

33
Mit diesen Angriffen hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Auf den Vortrag der Markeninhaberin, dass die Klemmwirkung von Spielbausteinen durch einen gegenüber der angegriffenen Marke anderen Aufbau und eine andere Gestaltung der Kupplungselemente (Noppen) erzielt werden könne, ohne dass mit der Formgebung der angegriffenen Marke in qualitativer, technischer, funktionsmäßiger oder wirtschaftlicher Hinsicht ein Vorteil gegenüber abweichenden Ausführungen verbunden sei, kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Auch wenn dies der Fall sein sollte, bleibt für das Eintragungshindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entscheidend, dass die von der Markeninhaberin für die angegriffene Marke gewählten wesentlichen funktionellen Merkmale der Warenform allein der technischen Wirkung zuzuschreiben sind (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Tz. 83 – Philips/Remington zu Art. 3 Abs. 1 lit. e Ziff. ii MarkenRL).

34
In dem Vorlageverfahren Philips/Remington hatte sich die Markeninhaberin Philips darauf berufen, es gebe gegenüber der fraglichen Marke zahlreiche andere Formen, mit denen sich hinsichtlich der Rasur die gleiche technische Wirkung mit einem gleichen Kostenaufwand erzielen lasse (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Tz. 67 – Philips/Remington). Diesen von Philips geltend gemachten Umstand hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht als entscheidungserheblich erachtet, sondern ausschließlich darauf abgestellt, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale der in Rede stehenden Form nur der technischen Wirkung zuzuschreiben waren (EuGH GRUR 2002, 804 Tz. 84 – Philips/Remington). Deshalb ist entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde auch keine differenzierte Betrachtung danach geboten, ob dieselbe technische Wirkung nur mit unterschiedlichen technischen Lösungen erzielt werden kann oder ob diese Wirkung mit der gleichen technischen Lösung, aber mit unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen ist. Für eine derartige Differenzierung besteht nach dem Zweck des Schutzhindernisses aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kein Anlass (vgl. EuG, Urt. v. 12.11.2008 – T-270/06, GRUR Int. 2009, 508 Tz. 43 = WRP 2009, 36 – Lego Juris/HABM, zu Art. 7 Abs. 1 lit. e Ziff. ii GMV). Auch im letzteren Fall wird eine im Wesentlichen technisch bedingte Warenform monopolisiert und werden andere Unternehmen von der freien Verwendbarkeit dieser Warenform, die allein der Erzielung einer technischen Wirkung dient, ausgeschlossen.

35
3. Der von der Markeninhaberin angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bedarf es nicht. Die Grundsätze, nach denen sich im Streitfall die Frage beurteilt, ob das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingreift, sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften geklärt. Auch im Übrigen stellen sich vorliegend keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, die eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften rechtfertigen.

36
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

Bornkamm Büscher Schaffert Kirchhoff Koch

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 02.05.2007 – 26 W(pat) 82/05

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