BGH: KLACID PRO

BGH, Urteil vom 05.06.2008 – I ZR 208/05 – Klacid Pro (OLG Hamburg)
Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b, Art. 13; EG Art. 28, 30

Von einer künstlichen Marktabschottung ist auszugehen, wenn ein Arzneimittel im Ausfuhrmitgliedstaat nur mit einem Dosierungshinweis und im Einfuhrmitgliedstaat unter verschiedenen Marken mit unterschiedlichen Dosierungsanleitungen vertrieben wird und der Parallelimporteur dadurch von einem der Teilmärkte ausgeschlossen wird, die durch den Vertrieb des identischen Arzneimittels mit verschiedenen Marken und Dosierungshinweisen im Einfuhrmitgliedstaat bestehen.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 17. November 2005 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 29. Juli 2003 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, ein Pharmaunternehmen, vertreibt in Deutschland die Arzneimittel „KLACID“ und „KLACID PRO“. Die Arzneimittel sind Antibiotika mit dem Wirkstoff Clarithromycin.

2
Das Arzneimittel „KLACID“ wird von der Klägerin in Deutschland in Packungsgrößen mit 10 und 20 Tabletten auf den Markt gebracht. In Spanien wird „KLACID“ in Packungen mit 12 Tabletten unter der Bezeichnung „KLACID 250 comprimidos“ vertrieben. Diese Packungsgröße ist in Deutschland auch im Wege des Parallelimports erhältlich.

3
Das Arzneimittel „KLACID PRO“ wird ausschließlich in Deutschland vertrieben. Die Klägerin bietet es in Packungen mit 12 und 20 Tabletten an. Die Arzneimittel „KLACID“ und „KLACID PRO“ weisen eine identische Zusammensetzung und Indikation auf und sind für dieselbe Patientengruppe bestimmt. Sie unterscheiden sich nur in der Dosierungsanleitung für den ersten Tag der Einnahme. Für das Arzneimittel „KLACID“ wird eine Einnahme von zwei Tabletten am ersten Tag und an den folgenden Tagen (morgens und abends jeweils eine Tablette) empfohlen. Für „KLACID PRO“ ist die doppelte Dosierung am ersten Einnahmetag vorgesehen. Entsprechend dieser Dosierungsanleitung enthält der Blister des Arzneimittels „KLACID PRO“ für den ersten Einnahmetag zwei Kammern mit jeweils zwei Tabletten.

4
Für die Bezeichnung „KLACID“ besteht Markenschutz. Inhaberin der für pharmazeutische Präparate eingetragenen Gemeinschaftsmarke Nr. 40 436 „KLACID“ ist eine konzernmäßig mit der Klägerin verbundene Gesellschaft in Illinois, USA. Die Klägerin ist das ausschließlich zur Nutzung der Klagemarke in Deutschland berechtigte Konzernunternehmen.

5
Die Beklagten sind Parallelimporteure von Arzneimitteln. Sie vertreiben das aus Spanien stammende Arzneimittel „KLACID 250 comprimidos“ mit 12 Tabletten in Deutschland unter der Bezeichnung „KLACID PRO“.

6
Die Klägerin hat eine Verletzung des Rechts an der Gemeinschaftsmarke durch die Umkennzeichnung des Arzneimittels geltend gemacht.

7
Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, das Arzneimittel „KLACID 250 comprimidos“ spanischen Ursprungs in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „KLACID PRO“ anzubieten, feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen;

2. der Klägerin unter Rechnungslegung Auskunft zu erteilen über alle Zuwiderhandlungen gegen das Verbot nach I 1 unter Angabe der Umsätze einschließlich der Liefermengen, -preise (inkl. der Nennung der Natural- sowie Geldrabatte) und -daten sowie der Abnehmer und unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschließlich Bezugspreisen, wobei die Fixkosten nur insoweit aufzuführen sind, als sie den unter I 1 genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden können) sowie des erzielten Gewinns, hilfsweise unter Wirtschaftsprüfervorbehalt;
3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, für die Handlungen gemäß I 1 der Klägerin Schadensersatz zu leisten.

8
Die Beklagten haben geltend gemacht, der Vertrieb von „KLACID PRO“ mit einer gegenüber „KLACID“ abweichenden Bezeichnung und ausschließlich in Deutschland sei zur Abschottung dieses Marktes gegen Parallelimporte erfolgt.

9
Das Landgericht hat die Beklagten auf die Klageanträge zu I 1 (Unterlassung) und II (Feststellung der Schadensersatzverpflichtung) antragsgemäß verurteilt. Dem Klageantrag zu I 2 (Auskunftsanspruch) hat das Landgericht bis auf die Auskunft zu den Gestehungskosten und dem erzielten Gewinn stattge-geben.

10
Das Berufungsgericht hat die gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen; es hat die Beklagten auf die Anschlussberufung der Klägerin insgesamt nach dem Auskunftsantrag verurteilt, nachdem diese klargestellt hatte, dass sie nur eine Belegvorlage begehrt und die Namen der Herstellerfirmen, Lieferanten und Vorbesitzer unkenntlich gemacht werden können (OLG Hamburg OLG-Rep 2006, 589).

11
Mit der (vom Senat) zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

12
I. Das Berufungsgericht hat eine zur Unterlassung, Auskunftserteilung und zum Schadensersatz verpflichtende Markenverletzung der Beklagten angenommen. Dazu hat es ausgeführt:

13
Die Beklagten benutzten mit der Anbringung der Bezeichnung „KLACID PRO“ auf den Arzneimitteln spanischen Ursprungs ein mit der eingetragenen Marke verwechslungsfähiges Zeichen. In der ursprünglichen Bezeichnung „KLACID 250 comprimidos“ seien die Bestandteile „250 comprimidos“ beschreibend und nur „KLACID“ kennzeichnend. „KLACID PRO“ sei dagegen ein einheitliches Kennzeichen, weil „PRO“ kein bloß beschreibender Zusatz sei. Zwischen der Klagemarke und der Bezeichnung „KLACID PRO“ bestehe Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Klagemarke sei als Fantasiewort normal kennzeichnungskräftig. Die kollidierende Bezeichnung werde für Waren verwendet, die mit denjenigen identisch seien, für die die Klagemarke eingetragen sei. Der Gesamteindruck von „KLACID PRO“ werde maßgeblich durch das vorangestellte „KLACID“ geprägt, während der zusätzliche Bestandteil „PRO“ gleichsam als Abwandlung innerhalb einer Serie wirke.

14
Die Beklagten könnten sich gegenüber den Ansprüchen aus der Klagemarke nicht mit Erfolg auf Erschöpfung i.S. von § 24 Abs. 1 MarkenG berufen. Es liege ein Fall der Markenersetzung und nicht der Weiterverwendung oder Wiederanbringung der im Ausfuhrstaat Spanien verwendeten Marke vor. Im Fall der Markenersetzung scheide eine Erschöpfung des Markenrechts nach § 24 Abs. 1 MarkenG aus.

15
Bei der Markenersetzung bestimmten sich die Befugnisse des Markeninhabers und des Parallelimporteurs nach den Vorschriften der Art. 28, 30 EG. Die Geltendmachung der Rechte aus der Marke dürfe nicht der künstlichen Abschottung der Märkte dienen. Der Parallelimporteur müsse im Zeitpunkt des Vertriebs aufgrund objektiver Umstände dazu gezwungen sein, die ursprünglich auf der Originalpackung verwendete Marke durch die im Einfuhrmitgliedstaat benutzte Marke zu ersetzen, um die Ware in diesem Mitgliedstaat in Verkehr bringen zu können. Nach den für diese Beurteilung geltenden Maßstäben sei die Markenersetzung nicht erforderlich. Die Beklagten könnten das in Spanien unter „KLACID“ in Verkehr gebrachte Arzneimittel unter dieser Bezeichnung im Inland vertreiben. Mit dieser Bezeichnung werde das Arzneimittel in Deutschland in Packungsgrößen mit 10, 12 und 20 Tabletten vertrieben. Der Umstand, dass die Klägerin mit „KLACID PRO“ im Inland einen wesentlich höheren Umsatz als mit „KLACID“ erziele, begründe für die Beklagten keinen Zwang umzukennzeichnen.

16
Es handele sich im Streitfall auch nicht nur um ein identisches Arzneimittel mit verschiedenen Packungsgrößen, sondern um arzneimittelrechtlich unterschiedliche Waren. Dementsprechend existierten für die Arzneimittel verschiedene arzneimittelrechtliche Zulassungen. Wegen der Warenverschiedenheit liege in dem Vertrieb von „KLACID PRO“ ausschließlich in Deutschland auch keine künstliche Marktaufteilung. Die Verschreibungsgewohnheiten der Ärzte begründeten auch dann keine Notwendigkeit zur Umkennzeichnung, wenn diese überwiegend „KLACID PRO“ verordneten. Um in der Zuzahlungsgröße N1 eine kleinere Packungsgröße zu erreichen, könnten die Beklagten die in Spanien vertriebenen Packungen mit 12 Tabletten auf Packungen mit 10 Tabletten reduzieren. Das wirtschaftliche Interesse der Beklagten am Vertrieb von „KLACID PRO“ in Deutschland begründe nicht die Notwendigkeit einer Markenersetzung.

17
Die Klägerin sei als Lizenznehmerin klagebefugt.

18
Die Anschlussberufung sei begründet, weil der Klägerin auch der Auskunftsanspruch im geltend gemachten Umfang zustehe.

19
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.

20
1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der Gemeinschaftsmarke Nr. 40 436 „KLACID“ nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b, Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Art. 98 Abs. 1 GMV i.V. mit § 14 Abs. 5 MarkenG gegen die Beklagten nicht zu.

21
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Bezeichnung „KLACID PRO“ Verwechslungsgefahr besteht. Es hat seiner Prüfung zwar fälschlicherweise die Vorschriften des Markengesetzes und nicht der Gemeinschaftsmarkenverordnung zugrunde gelegt. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i.S. von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV gelten jedoch keine anderen Maßstäbe als für § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Danach ist das Bestehen von Verwechslungsgefahr i.S. von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falls umfassend zu beurteilen. Nach dem siebten Erwägungsgrund der Gemeinschaftsmarkenverordnung hängt das Vorliegen von Verwechslungsgefahr insbesondere von dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen ab (vgl. EuGH, Urt. v. 12.1.2006 – C-361/04, Slg. 2006, I-643 = GRUR 2006, 237 Tz. 18 – PICASSO/PICARO; Urt. v. 23.3.2006 – C-206/04, Slg. 2006, I-2717 = GRUR 2006, 413 Tz. 17 f. – ZIRH/SIR; BGH, Urt. v. 7.10.2004 – I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 429 = WRP 2005, 616 – Lila-Schokolade; BGHZ 169, 295 Tz. 17 – Goldhase). Die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Die Revision wendet sich hiergegen auch nicht.

22
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich die Klägerin im Streitfall aber nicht auf ihr Markenrecht berufen, weil die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten i.S. des Art. 30 Satz 2 EG darstellt (vgl. EuGH, Urt. v. 12.10.1999 – C-379/97, Slg. 1999, I-6927 = GRUR Int. 2000, 159 Tz. 39 = WRP 1999, 1264 – Pharmacia & Upjohn; Urt. v. 23.4.2002 – C-143/00, Slg. 2002, I-3759 = GRUR 2002, 879 Tz. 31 = WRP 2002, 666 – Boehringer Ingelheim/Swingward I; Urt. v. 26.4.2007 – C-348/04, Slg. 2007, I-3391 = GRUR 2007, 586 Tz. 16 = WRP 2007, 627 – Boehringer Ingelheim/Swingward II).

23
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofs kann der Markeninhaber die Veränderung verbieten, die mit dem Umpacken eines mit der Marke versehenen Arzneimittels verbunden ist und die ihrem Wesen nach die Gefahr einer Beein-trächtigung des Originalzustands der Ware schafft, es sei denn, das Umpacken ist erforderlich, um die Vermarktung des parallel importierten Arzneimittels zu ermöglichen, und die berechtigten Interessen des Markeninhabers sind gewahrt (EuGH, Urt. v. 11.7.1996 – C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Slg. 1996, I-3545 = GRUR Int. 1996, 1144 Tz. 79 = WRP 1996, 880 – Bristol-Myers Squibb; GRUR 2007, 586 Tz. 19 – Boehringer Ingelheim/Swingward II; BGHZ 173, 230 Tz. 30 ff. – CORDARONE). Ein Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels nach Art. 7 Abs. 2 MarkenRL (§ 24 Abs. 2 MarkenG), Art. 13 Abs. 2 GMV widersetzen, wenn der Importeur es umpackt und die Marke wieder angebracht hat, es sei denn, es liegen die fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Erschöpfungsvoraussetzungen vor (EuGH GRUR Int. 1996, 1144 Tz. 79 – Bristol-Myers Squibb; GRUR 2007, 586 Tz. 21 – Boehringer Ingelheim/Swingward II).

24
Diese Grundsätze gelten gemäß Art. 28, 30 EG ebenfalls, wenn kein Fall der Erschöpfung nach Art. 13 GMV oder Art. 7 MarkenRL (§ 24 MarkenG) in Rede steht, weil die im Ausfuhrmitgliedstaat vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung angebrachte Marke vom Parallelimporteur durch eine andere Marke ersetzt worden ist. Sowohl Art. 13 GMV und Art. 7 MarkenRL als auch Art. 30 EG dienen dem Zweck, die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs im gemeinsamen Markt in Einklang zu bringen. Da diese Bestimmungen dieselbe Zielrichtung haben, sind sie auch im gleichen Sinne auszulegen (EuGH GRUR Int. 2000, 159 Tz. 30 – Pharmacia & Upjohn; BGH, Urt. v. 11.7.2002 – I ZR 219/99, GRUR 2002, 1059, 1061 = WRP 2002, 1163 – Zantac/Zantic; Urt. v. 18.10.2007 – I ZR 24/05, GRUR 2008, 614 Tz. 20 f. = WRP 2008, 794 – ACERBON).

25
bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagten durch die Anbringung des Kennzeichens „KLACID PRO“ die in Spanien verwandte Marke ersetzt haben. Es hat angenommen, dass die angesprochenen Verkehrskreise „KLACID PRO“ als einheitliches Kennzeichen ansehen und es sich deshalb um eine andere als die im Ausfuhrmitgliedstaat angebrachte Marke handelt. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts greift die Revision ohne Erfolg als erfahrungswidrig an.

26
(1) Die maßgeblichen Verkehrskreise für die Beurteilung der Frage, ob „KLACID PRO“ als einheitliche Marke aufgefasst oder nur „KLACID“ als Kennzeichen angesehen wird, sind bei den hier in Rede stehenden verschreibungspflichtigen Medikamenten Ärzte und Apotheker (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1994 – I ZR 114/84, GRUR 1995, 50, 52 – Indorektal/Indohexal; Urt. v. 10.4.1997 – I ZR 65/92, GRUR 1997, 629, 632 = WRP 1997, 742 – Sermion II). Auf das Verkehrsverständnis des allgemeinen Publikums kommt es dagegen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten auch an, wenn es um die vorliegend zwischen den Parteien nicht in Streit stehende Frage geht, ob das Erscheinungsbild des umgepackten Arzneimittels in einer Aufmachung vertrieben wird, die den Ruf der Marke oder ihres Inhabers schädigen kann.

27
Das Berufungsgericht hat zwar nicht ausdrücklich angeführt, auf welche Kreise es bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses abgestellt hat. Es hat sich jedoch in anderem Zusammenhang auf die Verschreibungsgewohnheiten der Ärzte gestützt. Es ist deshalb nichts dafür ersichtlich, dass das Berufungsgericht in Abweichung von der Senatsrechtsprechung nicht nur auf das Verkehrsverständnis der Ärzte und Apotheker abgestellt und einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat.

28
(2) Entgegen der Ansicht der Revision erweist sich auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Verkehrskreise fassten „KLACID PRO“ als einheitliches Kennzeichen auf, nicht als erfahrungswidrig. Die Fachkreise kennen die unterschiedliche Dosieranleitung der im Übrigen identisch zusammengesetzten Medikamente. Wegen der Notwendigkeit, die Produkte auseinanderzuhalten, werden die Fachkreise auf die Unterschiede in den Bezeichnungen achten und deshalb den zusätzlichen Bestandteil der Bezeichnung „KLACID PRO“ nicht vernachlässigen. Mit ihren gegenteiligen Ausführungen versucht die Revision lediglich, ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Da „KLACID PRO“ vom Verkehr als einheitliches Kennzeichen aufgefasst wird, kommt es auch nicht auf die von der Revision aufgeworfene Frage an, ob zusätzliche beschreibende Angaben auf einer Verpackung als Kennzeichenverletzung anzusehen sind.

29
cc) Die Revision hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts richtet, der Vertrieb des Antibiotikums mit dem Wirkstoff Clarithromycin und einer doppelten Anfangsdosierung unter der Marke „KLACID PRO“ stelle keine künstliche Marktabschottung dar. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft eine künstliche Abschottung des inländischen Marktes für das Arzneimittel „KLACID PRO“ verneint.

30
(1) Ob eine künstliche Marktabschottung vorliegt, beurteilt sich nach objektiven Kriterien und nicht danach, ob der Parallelimporteur eine darauf gerichtete Absicht des Markeninhabers nachweist. Von einer künstlichen Marktabschottung ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv dazu zwingen, die ursprünglich auf der Originalverpackung verwendete Marke durch die im Mitgliedstaat benutzte Marke zu ersetzen, um die betreffende Ware in diesem Mitgliedstaat in Verkehr bringen zu können. Dagegen rechtfertigen rein wirtschaftliche Vorteile, die sich der Parallelimporteur etwa durch eine werbewirksamere und absatzfördernde Verwendung einer anderen Marke verspricht, grundsätzlich nicht die Annahme einer die Markenersetzung notwendig machenden Zwangslage (EuGH GRUR 2002, 879 Tz. 46-48 – Boehringer Ingelheim/Swingward I; BGH GRUR 2002, 1059, 1061 – Zantac/Zantic; BGHZ 173, 217 Tz. 22 – Aspirin II).

31
(2) Von diesen Maßstäben ist im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft eine Zwangslage der Beklagten zur Markenersetzung mit der Begründung verneint, das Produkt „KLACID 250 comprimidos“ spanischen Ursprungs könne in Deutschland unter der Bezeichnung
„KLACID“ mit 10 oder 12 Tabletten vertrieben werden. Das Arzneimittel „KLA-CID PRO“ mit doppelter Dosierung am ersten Behandlungstag sei ein im Verhältnis zu „KLACID“ verschiedenes Arzneimittel. Da den Beklagten der Vertrieb von „KLACID“ im Inland nicht verwehrt sei, bestehe keine Zwangslage zur Markenersetzung. Die Beklagten hätten lediglich ein wirtschaftliches Interesse an dem Vertrieb auch von „KLACID PRO“. Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht bei „KLACID“ und „KLACID PRO“ von zwei verschiedenen Arzneimitteln ausgegangen und hat deshalb unzutreffend eine Marktabschottung verneint.

32
Die unter den Bezeichnungen „KLACID“ und „KLACID PRO“ in Deutschland vertriebenen Arzneimittel sind in ihrer Zusammensetzung und Indikation identisch. Sie sind auch ohne Unterschiede für dieselbe Patientengruppe bestimmt. Sie unterscheiden sich lediglich durch die verschiedenen Dosierungshinweise. Diese sind im Hinblick auf die identische Zusammensetzung und Indikation des Arzneimittels nicht produktimmanent, sondern werden dem Produkt gleichsam von außen beigelegt. Vorliegend ist deshalb bei „KLACID“ und „KLACID PRO“ – anders als das Berufungsgericht dies angenommen hat – von einem einheitlichen Arzneimittel auszugehen.

33
Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 10 AMG sind dem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels Angaben über die Dosierung beizufügen. Änderungen der Angaben über die Dosierung unterliegen nur einer Änderungsanzeige nach § 29 Abs. 2a Nr. 1 AMG, während eine Änderung der Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art oder Menge, eine Änderung der Darreichungsform – soweit die Änderung nicht § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG unterfällt – und eine Erweiterung der Anwendungsgebiete – mit Ausnahme einer Änderung nach § 29 Abs. 2a Nr. 1 AMG – eine neue Zulassung des Arzneimittels erforderlich machen (§ 29 Abs. 3 Satz 1 AMG). Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies, dass für die Änderung der Dosierungsanleitung bei „KLACID PRO“ gegenüber „KLACID“ eine Änderungsanzeige nach § 29 Abs. 2a AMG ausreichte und keine Neuzulassung des Arzneimittels nach § 29 Abs. 3 AMG erforderlich war.

34
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist von einer künstlichen Marktabschottung auch auszugehen, wenn der Parallelimporteur nur von einem Teilmarkt im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen wird. Das ist auch anzunehmen, wenn im Ausfuhrmitgliedstaat nur eine Packungsgröße eines Arzneimittels in Verkehr gebracht worden ist, während im Einfuhrmitgliedstaat neben dieser Packungsgröße eine weitere Packungsgröße vom Markeninhaber vertrieben wird. Dadurch wird der Parallelimporteur vom Vertrieb der weiteren Packungsgröße im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen. Dies begründet eine Zwangslage des Parallelimporteurs, die ein Umpacken rechtfertigt (vgl. EuGH GRUR Int. 1996, 1144 Tz. 52-54 – Bristol-Myers Squibb). Dem Fall einer Abschottung eines Teilmarkts durch die unterschiedlichen Packungsgrößen ist der vorliegende Fall einer Abschottung des inländischen Marktes des Arzneimittels „KLACID PRO“ vergleichbar, weil dessen Zusammensetzung und dessen Indikation sowie die Patientengruppe identisch mit „KLACID“ sind, das sowohl im Ausfuhr- als auch im Einfuhrmitgliedstaat vertrieben wird. Durch die Beschränkung des Vertriebs von „KLACID PRO“ auf Deutschland wird dem Parallelimporteur der Vertrieb eines entsprechend bezeichneten Arzneimittels mit doppelter Dosierung am ersten Tag ohne Markenersetzung verwehrt. Der Ausschluss von diesem Teilmarkt rechtfertigt die Annahme einer künstlichen Marktabschottung, ohne dass es auf die Möglichkeit ankommt, „KLACID“ spanischen Ursprungs im Inland unter der Bezeichnung „KLACID“ vertreiben zu können.

35
Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG ist nicht geboten. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass der Ausschluss des Parallelimporteurs von einem Teilmarkt eine künstliche Marktabschottung begründen kann. Ob die Voraussetzungen einer künstlichen Marktabschottung eines Teilmarktes im Streitfall vorliegen, ist dagegen eine Tatfrage, deren Beantwortung den nationalen Gerichten obliegt (vgl. EuGH GRUR 2007, 586 Tz. 46 – Boehringer Ingelheim/Swingward II).

36
2. Die von der Klägerin verfolgten Annexansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz bestehen ebenfalls nicht, weil eine Verletzung der Klagemarke nicht gegeben ist.

37
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.07.2003 – 312 O 134/03
OLG Hamburg, Entscheidung vom 17.11.2005 – 3 U 126/03

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