BGH: Fehlerhafte Preisauszeichnung

BGH, Urteil vom 04.10.2007 – I ZR 182/05Fehlerhafte Preisauszeichnung (OLG Karlsruhe)
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 5 Abs. 1; PAngV § 1 Abs. 6

Ist die Ware am Regal mit einem höheren als dem in der Werbung angegebenen Preis ausgezeichnet, fehlt es an einer wettbewerbsrelevanten Irreführung, wenn dem Kunden an der Kasse von vornherein nur der beworbene Preis in Rechnung gestellt wird. Die unrichtige Preisauszeichnung verstößt dann zwar gegen die Preisangabenverordnung, führt aber nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs nach § 3 UWG (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 29/98, WRP 2000, 1258, 1261 – Filialleiterfehler; Urt. v. 30.3.1988 – I ZR 101/86, GRUR 1988, 629, 630 = WRP 1989, 11 – Konfitüre).

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. September 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Beide Parteien betreiben Elektroeinzelhandelsmärkte. Die Beklagte bewarb am 1. Dezember 2003 in einer Beilage zu Tageszeitungen einen DVD-Player zu einem Verkaufspreis von 179 €. Im Geschäft der Beklagten war das Gerät jedoch mit einem Preis von 199 € am Verkaufsregal ausgezeichnet.

Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Geräte der Unterhaltungselektronik im Geschäftslokal mit einem anderen Preis auszuzeichnen als mit dem Preis, mit dem sie beworben werden.

Die Beklagte hat vorgetragen, durch ihr elektronisches Kassensystem sei sichergestellt gewesen, dass dem Kunden an der Kasse nur der beworbene und eingescannte Preis berechnet worden sei. Sie habe zudem alles unternommen, um Fehler bei der Preisauszeichnung auszuschließen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG zu, weil es irreführend und damit unlauter i. S. der §§ 3, 5 Abs. 1 UWG sei, im Geschäftslokal Waren mit höheren Preisen auszuzeichnen, als sie in der Werbung herausgestellt worden seien. Dadurch werde bei dem Kunden eine Fehlvorstellung über den an der Kasse verlangten Preis hervorgerufen, die ihn dazu verleite, statt der beworbenen Ware ein anderes Produkt zu erwerben.

Schon aus der erheblichen Marktmacht der Beklagten folge, dass der Wettbewerbsverstoß geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher nicht unerheblich zu beeinträchtigen. Es komme nicht darauf an, ob das Kassensystem der Beklagten die Berechnung des beworbenen (niedrigeren) Preises gewährleiste oder nicht.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses hat – von seinem Standpunkt folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob den Kunden der Beklagten trotz der fehlerhaften Preisauszeichnung am Regal aufgrund des verwendeten elektronischen Kassensystems an der Kasse von vornherein nur der niedrigere, beworbene Preis berechnet wurde. Hiervon ist für das Revisionsverfahren auszugehen. Der danach zugrunde zu legende Sachverhalt rechtfertigt die Verurteilung der Beklagten nicht.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt in der unrichtigen Preisauszeichnung am Regal unter den revisionsrechtlich zu unterstellenden Umständen keine irreführende Werbung nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG.

a) Das Berufungsgericht hat es als wettbewerbsrechtlich entscheidend angesehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Kunden, der durch die Preisangabe in der Werbung angelockt wird, vom Kauf der beworbenen Ware zwar Abstand nimmt, sich aber möglicherweise zum Kauf anderer Waren entscheidet. Auf diese Grundlage lässt sich die Annahme einer irreführenden Preisangabe nicht stützen.

Der für die Frage der Irreführung maßgebliche Durchschnittsverbraucher, der das Geschäft der Beklagten aufgrund der Preiswerbung für einen bestimmten Artikel aufsucht und dann feststellt, dass diese Ware dort mit einem höheren Preis ausgezeichnet ist, kann durch die Preisdifferenz verunsichert werden. Jedoch ist nicht jede Verunsicherung des Verbrauchers über den geforderten Preis wettbewerbswidrig. Die Verunsicherung muss vielmehr den Kaufentschluss beeinflussen und sich damit auf die Wettbewerbslage auswirken können (BGH, Urt. v. 14.11.1985 – I ZR 168/83, GRUR 1986, 322 = WRP 1986, 202 – Unterschiedliche Preisankündigung). Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Die Verbraucher werden auf die Angabe unterschiedlicher Preise in der Werbung und bei der Preisauszeichnung am Regal nicht einheitlich reagieren.

Nach der Lebenserfahrung zu urteilen, werden sich manche Verbraucher vom Kauf nicht abhalten lassen, weil sie davon ausgehen, dass die Preisauszeichnung am Regal unzutreffend ist und ihnen an der Kasse lediglich der niedrigere (beworbene) Preis in Rechnung gestellt wird. Denn einem Teil der Verbraucher ist klar, dass gerade in breit sortierten Einzelhandelsmärkten bisweilen die Preisauszeichnung einzelner Waren noch nicht an eine am selben Tag erschienene Werbung angepasst ist (vgl. Reuthal, GRUR 1989, 173, 175). Ein anderer Teil der Verbraucher mag damit rechnen, dass der höhere Preis in Rechnung gestellt wird, und sich dennoch zum Erwerb entschließen; diese Verbraucher werden dann an der Kasse positiv überrascht, wenn sie doch nur den niedrigen Preis entrichten müssen. Derjenige, der erwartet, dass ihm an der Kasse möglicherweise der höhere Preis in Rechnung gestellt wird und der den fraglichen Artikel unter diesen Umständen nicht kaufen möchte, wird sich – bevor er seine Kaufabsicht endgültig aufgibt – zunächst um Aufklärung bemühen und versuchen, den Artikel zu dem günstigeren, beworbenen Preis zu erhalten. Wendet er sich unter Hinweis auf den in der Werbung angekündigten niedrigeren Preis an das Verkaufspersonal der Beklagten, so ist nach dem für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalt davon auszugehen, dass er den Artikel ohne weiteres für den in der Werbung angegebenen (niedrigeren) Preis erwerben kann. Manche Kunden schließlich mögen den konkreten in der Werbung angekündigten Preis nicht mehr in Erinnerung haben und sich allein an das günstige Angebot eines DVD-Players erinnern; entschließen sie sich zum Kauf des Geräts, werden auch sie von dem niedrigeren Preis, der von ihnen an der Kasse verlangt wird, positiv überrascht werden. All diese Verbraucher werden durch die unrichtige Preisauszeichnung am Regal nicht in relevanter Weise irregeführt.

Anders als das Berufungsgericht meint, ist daher schon nicht anzunehmen, dass eine nennenswerte Anzahl mündiger Verbraucher ihren Kaufentschluss für die beworbene Ware wegen der höheren Preisauszeichnung am Regal ohne weiteres aufgeben wird. Soweit dies doch bei einzelnen Kunden der Fall sein sollte, spricht viel dafür, dass sie das Geschäft der Beklagten – gerade wenn sie es speziell wegen der beworbenen Ware aufgesucht haben – verärgert verlassen werden. Nach der Lebenserfahrung kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Teil der durch die Preiswerbung angelockten Kunden bei der Beklagten andere Waren erwerben wird, nachdem sie auf die höhere Preisauszeichnung am Regal aufmerksam geworden sind.

b) Die Senatsentscheidungen, auf die sich die Revisionserwiderung zur Verteidigung des Berufungsurteils beruft, betreffen keine vergleichbaren Sachverhalte. In jenen Fällen hatten die dort Beklagten – soweit dies den Feststellungen zu entnehmen ist – kein elektronisches Kassensystem eingesetzt, das sichergestellt hätte, dass dem Kunden an der Kasse lediglich der beworbene, gegenüber der Preisauszeichnung am Regal niedrigere Preis in Rechnung gestellt wird (BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 29/98, WRP 2000, 1258, 1261 – Filialleiterfehler [in GRUR 2000, 907 ist der Tatbestand dieser Entscheidung sinnentstellend wiedergegeben]; Urt. v. 30. 3. 1988 – I ZR 101/86, GRUR 1988, 629, 630 = WRP 1989, 11 – Konfitüre). Der höhere ausgezeichnete Preis entsprach dort offenbar dem zunächst auch an der Kasse geforderten Preis. Die beanstandete Werbung führte daher dazu, dass die Kunden über den tatsächlich im Geschäftslokal geforderten Preis getäuscht wurden. Daran änderte auch nichts, dass dem Kunden im Fall „Konfitüre“ unter Vorlage des Werbeprospekts „nach längerem Disput“ doch noch der beworbene, niedrigere Preis berechnet wurde.

Hiervon zu unterscheiden ist der im Streitfall revisionsrechtlich zu unterstellende Sachverhalt, wonach das elektronische Kassensystem der Beklagten von vornherein auf den beworbenen Preis eingestellt und eine Berechnung des am Regal ausgezeichneten Preises ausgeschlossen war.

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (§ 561 ZPO). Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6, § 4 Abs. 1 PAngV zu. Zwar liegt in der unrichtigen (weil zu hohen) Preisangabe ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung, die nach § 1 Abs. 6 die Angabe nicht nur irgendeines, sondern des richtigen Preises verlangt (BGHSt 31, 91, 92 f. – Damenstiefel; Piper in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 1 PAngV Rdn. 50). Dieser Verstoß wird entgegen der Ansicht der Revision auch von dem Antrag der Klägerin und ihrem Vortrag in den Vorinstanzen umfasst. Er begründet jedoch keinen Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

Nicht jede Zuwiderhandlung gegen die Preisangabenverordnung stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar. Vielmehr bedarf es im Einzelfall der Feststellung, dass die beanstandete Preisauszeichnung zu einer nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs i. S. des § 3 UWG führt. Bagatellverstöße gegen die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit reichen dafür nicht aus (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 3 UWG Rdn. 79 und § 4 UWG Rdn. 11. 143; MünchKomm. UWG/ Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 306; zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a. F. BGH, Urt. v. 5.7.2001 – I ZR 104/99, GRUR 2001, 1166, 1168 f. = WRP 2001, 1301 – Fernflugpreise; Urt. v. 15.1.2004 – I ZR 180/01, GRUR 2004, 435, 436 = WRP 2004, 490 – FrühlingsgeFlüge). Die unrichtige, weil zu hohe Preisauszeichnung wirkt sich allenfalls zu Lasten, nicht aber zu Gunsten des betreffenden Unternehmens aus (vgl. MünchKomm. UWG/Sosnitza, § 3 Rdn. 119).

III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Da das Berufungsgericht die für eine abschließende Beurteilung erforderliche Feststellung noch nicht getroffen hat, ob das Kassensystem der Beklagten gewährleistet, dass den Kunden stets nur der beworbene Preis in Rechnung gestellt wird, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Sollte das Berufungsgericht erneut zur Annahme eines Wettbewerbsverstoßes der Beklagten gelangen, weil der ausgezeichnete höhere Preis der von der Beklagten tatsächlich verlangte Preis war, so wird es zu beachten haben, dass der Beklagten jedenfalls nicht untersagt werden darf, Geräte der Unterhaltungselektronik in ihrem Geschäftslokal mit einem niedrigeren Preis auszuzeichnen als mit dem Preis, mit dem sie beworben werden. Der Urteilstenor wäre entsprechend zu beschränken.

(Unterschriften)

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