OLG Köln, Urteil vom 23.07.2004 – 6 U 77/04 – Absolut Luckies
MarkenG § 14 Abs. 2 Ziff. 2 und 3; UWG n.F. §§ 3, 4 Ziff. 9 b
1. Die für Spirituosen eingetragene Wortmarke „Absolut“ wird in der Regel nicht markenmäßig benutzt, wenn in der Werbung für eine bekannte Zigarette deren Name mit dem Begriff „absolut“ verbunden wird (hier: „Absolut Luckies“).
2. Sind markenrechtliche Ansprüche wegen Verwässerung oder Rufausbeutung nach § 14 II Nr. 3 MarkenG zu verneinen, kann der Markeninhaber sich nicht auf §§ 3, 4 Nr. 9b UWG n.F. wegen Verwässerung oder Rufausbeutung seiner Werbekonzeption berufen, wenn die Parallelen in der angegriffenen Werbung zentral auf der Verwendung eines mit der Marke identischen Begriffs beruhen.
Tenor:
1.) Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 11.3.2004 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die einstweilige Verfügung der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. 12.2003 – 31 O 764/03 – wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.
B e g r ü n d u n g
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Die Antragstellerin ist eine schwedische Herstellerin von Alkoholika. Zu den von ihr weltweit vermarkteten Produkten gehört ein unter der Bezeichnung „ABSOLUT“ vertriebener Wodka. Die Antragstellerin verfügt über eine Reihe Wort/Bildmarken mit dem Bestandteil „Absolut“ und die Wortmarke DD 654193 „Absolut“. Die Marken sind überwiegend für Wodka bzw. Spirituosen eingetragen.
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Seit der Einführung des Wodkas auf dem deutschen Markt im Jahre 1985 verfolgt die Antragstellerin ein spezifisches, auch in anderen Ländern eingesetztes Werbekonzept. Dabei steht die Darstellung einer Wodkaflasche im bildlichen Mittelpunkt; dieses Bildelement wird durch eine zumeist in Großbuchstaben geschriebene Unterzeile ergänzt, die aus dem Wort „Absolut“ und einem angeschlossenen englischsprachigen weiteren Wort sowie einem Punkt besteht (Z.B.: „ABSOLUT DREAM.“ oder „ABSOLUT APPEAL.“) Im Rahmen dieses Konzeptes, für das die Antragstellerin weltweit zahlreiche Auszeichnungen der Werbeindustrie erhalten hat, wird die Flasche entweder durch die bildliche Wiedergabe der von der Antragstellerin verwendeten Wodkaflasche oder aber verfremdet dadurch dargestellt, dass einzelne Gegenstände in der Silhouette einer Flasche drapiert abgebildet werden oder die Flaschensilhouette auf andere Weise sichtbar wird. Zur Verdeutlichung wird beispielhaft auf die Einblendungen auf der nachfolgenden Seite 3 dieses Urteils Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin ist die zweitgrößte Anbieterin von Zigaretten in Deutschland und vertreibt u.a. Zigaretten der Marke „Lucky Strike“. Im Herbst des Jahres 2003 schaltete sie für diese Zigarette die auf Seite 4 dieses Urteils wiedergegebene Plakatwerbung.
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Die Antragstellerin beanstandet diese Werbung als Markenverletzung und gem. §§ 3, 4 Ziff.9 b UWG unlautere Anlehnung an den guten Ruf ihrer Werbekampagne.
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Durch die angefochtene Entscheidung hat das Landgericht eine einstweilige Verfügung bestätigt, durch die es der Antragsgegnerin im Beschlusswege antragsgemäß die Werbung untersagt hatte. Die angegriffene Werbung stelle sich als gem. § 1 UWG a.F. unlautere Verwässerung der Werbekonzeption der Antragstellerin dar.
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Zur Begründung ihrer Berufung gegen diese Entscheidung vertritt die Antragsgegnerin die Auffassung, das Werbekonzept weise nicht die für einen wettbewerbsrechtlichen Schutz erforderliche wettbewerbliche Eigenart auf. Außerdem behauptet sie, die Antragstellerin habe in der jüngeren Vergangenheit nur noch vereinzelt Werbung geschaltet, in der die Wodkaflasche verfremdet dargestellt worden sei.
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Die Antragstellerin tritt dem Urteil bei und stützt ihre Ansprüche weiter auch auf § 14 MarkenG.
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Die Berufung ist zulässig und begründet. Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag ist zurückzuweisen, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht. Die Antragstellerin kann die begehrte Unterlassung der Werbung mit der aus Zigarettenschachteln gebildeten Darstellung einer Flaschensilhouette, wie sie aus Seite 4 dieses Urteils ersichtlich ist, weder aus Markenrecht noch aus Wettbewerbsrecht verlangen.
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1.) Markenrechtliche Ansprüche bestehen nicht.
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a) Soweit sich die Antragstellerin – erstmalig im Berufungsrechtszug – auf eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs.2 Ziff.2 MarkenG stützt, fehlt es bereits an der dafür erforderlichen (vgl. BGH GRUR 01,158,160 – „Drei-Streifen-Kennzeichnung“; GRUR 02,809,811 – „FRÜHSTÜCKS-DRINK I“; GRUR 02,814 – „Festspielhaus“) markenmäßigen Benutzung des Begriffes „Absolut“ durch die Antragsgegnerin. Denn dieser Begriff wird bei der gebotenen Gesamtsicht der Werbung durch den Verkehr nicht als Hinweis auf die Antragsgegnerin angesehen. Der Verbraucher versteht vielmehr allein die ausdrückliche Angabe der bekannten Marke „Lucky Strike“ als Herkunftshinweis und fasst die Werbung daher so auf, dass für diese Zigarette mit der Aussage „Absolut Luckies“ geworben wird. Eine zusätzliche Herkunftsfunktion, die neben die ausdrückliche Markenangabe in der Unterzeile und auf den zur Darstellung der Flasche verwendeten Zigarettenschachteln treten würde, kommt der Angabe „Absolut“ in der angegriffenen Werbung, die offenbar lediglich die in Anspruch genommene Einzigartigkeit der Zigarette betonen soll, nicht zu.
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Vor diesem Hintergrund kann die zweifelhafte Frage offen bleiben, ob eine Verwechslungsgefahr auch angesichts der erheblichen Branchenferne zwischen Wodka und Zigaretten angenommen werden könnte.
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b) Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 14 Abs.2 Ziff.3 MarkenG stützen. Denn es ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Marke „Absolut“ oder eine der in Betracht kommenden Wort/Bildmarken der Antragstellerin, die das Wortelement „Absolut“ enthalten, in Deutschland den für einen Schutz als bekannte Marke im Sinne der Vorschrift erforderlichen Bekanntheitsgrad erreicht hätten.
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Die erforderliche Bekanntheit ist insbesondere nicht mit der durch eidesstattliche Versicherung ihrer Marketingleiterin glaubhaft gemachten Behauptung der Antragstellerin dargelegt worden, der von ihr vertriebene ABSOLUT-Wodka gehöre zu den drei am besten verkauften „Premium-Wodkas“ in Deutschland. Denn es ist ohne qualitative Unterscheidung auf den Markt der Konsumenten von Wodka insgesamt abzustellen und auf diesem – auch preiswertere Produkte umfassenden – Markt nimmt der ABSOLUT-Wodka nach der ebenfalls glaubhaft gemachten Behauptung der Antragsgegnerin mit nur 2,5 % lediglich den 5. Platz ein. Dass die Marke gleichwohl in den angesprochenen Verkehrskreisen allgemein bekannt wäre, ist auch durch den Vortrag der Antragstellerin zu ihren Werbeaufwendungen nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Die von ihr für die 18 Jahre seit Markteinführung des Wodkas in Deutschland im Jahre 1985 behaupteten Werbeaufwendungen von mehr als 20 Mio. EUR ergeben Werbeausgaben von (nur) gut 1,1 Mio. EUR im Jahr, in den Jahren 2002 und 2003 will sie 1,67 Mio. EUR bzw. 1,82 Mio. EUR für Werbung ausgegeben haben. Dass mit diesen vergleichsweise geringen Aufwendungen die Marke hinlänglich bekannt gemacht worden sein könnte, ist nicht dargelegt, zumal die Werbung zu einem Großteil in sog. „lifestyle“-Zeitschriften geschaltet worden ist und damit breite Teile der als Konsumenten in Betracht kommenden Verkehrskreise nicht erreicht hat.
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Vor diesem Hintergrund kann die für einen Schutz aus § 14 Abs.2 Ziff.3 MarkenG erforderliche Bekanntheit nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden, ohne dass festgelegt werden müsste, welcher prozentuale Bekanntheitsgrad hierfür erforderlich wäre.
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2.) Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestehen nicht. Die Werbung ist insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwässerung oder der Ausbeutung des Rufes einer Werbekampagne als gem. §§ 3,4 Ziff.9 b UWG unlauter zu untersagen.
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Für einen wettbewerbsrechtlichen Schutz ist bei der gegebenen Fallgestaltung kein Raum. Die Wortmarke „Absolut“ und die in Betracht kommenden Wort/Bildmarken mit dem Wortelement „Absolut“ sind markenrechtlich zu Gunsten der Antragstellerin geschützt. Dies bedeutet, dass die Marken sowohl gegen Rufausbeutung als auch gegen Verwässerung – soweit anders als im vorliegenden Fall die Voraussetzungen dafür vorliegen – durch § 14 Abs.2 Ziff.3 MarkenG geschützt sind. Der Markeninhaberin ist es daher verwehrt, Schutz wegen Rufausbeutung oder Verwässerung der Marke daneben auch aus §§ 3, 4 Ziff.9 b UWG in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH WRP 98,1181 f – „MAC Dog“).
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Der Antragstellerin ist einzuräumen, dass im Einzelfall gleichwohl dann auch wettbewerbsrechtlicher Schutz in Anspruch genommen werden kann, wenn durch die Verletzungshandlung nicht nur die Marke selbst, sondern auch ein über die Marke hinausgehendes Schutzobjekt verletzt wird. Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nicht vor. Die angegriffene Werbung greift das Wort „Absolut“, also die Marke der Antragstellerin, an prominenter Stelle auf. Eine potenzielle Ausbeutung des Rufes bzw. eine Verwässerung der Marke(n) der Antragstellerin durch die Werbung könnten ohne dieses Aufgreifen der Marke schon gar nicht näher in Betracht gezogen werden. Ohne die Verwendung des Wortes „Absolut“ käme nämlich niemand auf den Gedanken, die Antragsgegnerin könnte sich an die Werbung der Antragstellerin angelehnt haben. Das gilt insbesondere auch deswegen, weil im übrigen ganz erhebliche Unterschiede zwischen der angegriffenen und der Werbung der Antragstellerin bestehen, die der durchschnittlich interessierte Verbraucher wahrnehmen wird und die ihn davon abhalten werden, über die Marke hinaus Parallelen in der Werbung zu registrieren und zu beachten. So ist schon gar nicht eindeutig, dass durch die Zigarettenschachteln in der angegriffenen Werbung überhaupt eine Flasche dargestellt werden soll. Das Gebilde kann vielmehr auch als Maschine oder Roboter aufgefasst werden. Zudem ist jedenfalls nicht eine Flasche in der Form der von der Antragstellerin vertriebenen Wodkaflasche, wie sie in ihren Werbungen üblicherweise dargestellt ist, abgebildet. Zu diesen gegenständlichen Unterschieden kommt hinzu, dass die Antragsgegnerin gerade nicht – wie die Antragstellerin – für die abgebildete Flasche bzw. ihren Inhalt, sondern dass sie für die Zigaretten wirbt, aus deren Verpackungen die Flasche dargestellt wird. Dieser Unterschied setzt sich schließlich in der Auswahl des dem Begriff „Absolut“ beigefügten zweiten Wortes fort. Mit der Marke „Luckies“ wird dabei von der Antragsgegnerin nämlich gerade das beworbene Produkt bezeichnet und nicht wie in der Werbung der Antragstellerin der Marke des Produktes ein schlagkräftiges, aber nicht kennzeichnendes Attribut beigefügt. Bestehen aus diesen Gründen Parallelen, die die Rufausbeutung bzw., Verwässerung des guten Rufes begründen könnten, im wesentlichen nur auf Grund der Übernahme der Marke, so scheidet ein wettbewerbsrechtlicher Schutz wegen des Vorrangs des Markenrechtes aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
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Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 250.000 EUR.
(Unterschriften)
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