OLG Hamburg, Urteil vom 26.05.2005 – 5 U 147/04 – Verletzung der für Bekleidungsstücke eingetragenen Marke „Seid bereit JP“ durch deren Verwendung auf der Vorderseite eines T-Shirts – Junge Pioniere
§ 14 Abs. 2 Nr.2, Abs. 5 MarkenG
Leitsätze
Der Inhaber der u.a. für Bekleidungsstücke eingetragenen deutschen Wort/Bildmarke „Seid Bereit JP“ (Nr. 30417082 ), einem Abzeichen der Jugendorganisation „Junge Pioniere“ der DDR, kann die Unterlassung der Verwendung dieses Zeichens durch einen Dritten auf der Frontseite eines T-Shirts verlangen. Das Verletzungsgericht ist an die Markeneintragung gebunden. Jedenfalls rechtlich erhebliche Anteile des Verkehrs kennen die frühere Bedeutung dieses Zeichens nicht und werden ihm unter Berücksichtigung des Verkehrsverständnisses in der Textilbranche eine herkunftshinweisende Bedeutung beimessen.
Tenor
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten,
im geschäftlichen Verkehr T-Shirts oder andere Bekleidungsstücke mit dem Zeichen „ SEID BEREIT JP“, insbesondere wie nachstehend wiedergegeben
zu bedrucken oder bedrucken zu lassen, insbesondere dieses Zeichen auf T-Shirts anzubringen oder anbringen zu lassen, ferner, unter diesem Zeichen T-Shirts anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, unter diesem Zeichen T-Shirts auszuführen oder das Zeichen im Geschäftsverkehr oder in der Werbung für T-Shirts zu benutzen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
I.
Beide Parteien produzieren und vertreiben bedruckte T-Shirts. Die Antragsgegnerin bietet über das Internet und Kataloge u.a. verschiedene T-Shirts an, deren Aufdrucke einen Bezug zur DDR haben. Sie hat seit dem Jahr 2001 ein mit dem Abzeichen der „Jungen Pioniere“, der Jugendorganisation der DDR, bedrucktes T-Shirt im Programm. Das Zeichen besteht aus den Buchstaben „JP“, über denen in sehr viel kleinerer Schrift der Schriftzug „Seid bereit“ angebracht ist . Über diesem Schriftzug wiederum befindet sich die Abbildung eines Feuers. Auf die in den Tenor dieses Urteils eingeblendete Abbildung wird Bezug genommen.
Unter dem 26.3.2004 meldete der Antragsteller eine dem Abzeichen der „Jungen Pioniere“ entsprechende Wort/Bildmarke u.a. für die Warenklasse 25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen) beim DPMA an (Anlage K 1.2). Die Marke wurde am 3.6.2004 eingetragen. Sie sieht aus wie folgt:
Ebenfalls am 26.3.2004 meldete die Antragsgegnerin u.a. das von ihr vertriebene T-Shirt mit dem Abzeichen der „Jungen Pioniere“ als Teil eines Sammelgeschmacksmusters an (Anlage AG 23). Das Muster wurde am 25.5.2004 eingetragen.
Am 30.3.2004 meldete auch die Antragsgegnerin eine Wort/Bildmarke „Seid Bereit“ beim DPMA u.a. für die Warenklasse 25 an (Anlage A 3 zur Schutzschrift). Diese Marke ist bislang nicht eingetragen.
Der Antragsteller nimmt nunmehr die Antragsgegnerin im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch, T-Shirts oder andere Bekleidungsstücke mit dem Zeichen der „Jungen Pioniere“ zu bedrucken und in den Verkehr zu bringen. Wegen des Antragswortlauts in erster Instanz und der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil zurückgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Antragsgegnerin das Zeichen „Junge Pioniere“ nicht markenmäßig benutze. Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragstellers.
Er hat seinen Verfügungsantrag etwas eingeschränkt, nämlich soweit der Antragsgegnerin ursprünglich auch verboten werden sollte, das Zeichen der „Jungen Pioniere“ auf der Aufmachung und Verpackung für T-Shirts anzubringen, derartige T-Shirts zum Zwecke des Inverkehrbringens zu besitzen oder sie einzuführen. Nunmehr soll der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten werden, wie erkannt.
Der Antragsteller wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag, insbesondere zur Frage des markenmäßigen Gebrauchs des Zeichens auf den T-Shirts der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt ihren erstinstanzliche Vortrag, dass die Zeichenanmeldung durch den Antragsteller arglistig zu Behinderungszwecken erfolgt sei. Außerdem verweist sie auf verschiedene, von ihr versuchte Markenanmeldungen mit der Darstellung von „Hammer und Sichel“ der UDSSR und der Wortfolge „Aktivist der ersten Stunde“, die vom DPMA wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden seien (Anlagen AG 25-31).
II.
Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet. Der Senat vermag sich der Auffassung des Landgerichts nicht anzuschließen, dass ein Verfügungsanspruch nicht bestehe, weil die Antragsgegnerin das Zeichen „Seid Bereit JP“ nicht markenmäßig verwende. In Anwendung der gefestigten Senatsrechtsprechung zu vergleichbaren Zeichen auf T-Shirts und Pullovern ist vielmehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass mindestens rechtlich beachtliche Teile des angesprochenen Verkehrs das Zeichen „Seid Bereit JP“ herkunftshinweisend verstehen. Im Einzelnen:
1. Zum Antrag: Soweit der Antragsteller die Anbringung des Zeichens auf „anderen Bekleidungsstücken“ verbieten lassen will, ist der Antrag nicht zu weit, sondern hält sich im Rahmen zulässiger Verallgemeinerung. Der 3. Senat des HansOLG hat eine entsprechende Antragsfassung in dem Verfügungsverfahren zum Aktz. 3 W 88/04 (Zeichen TRABANT auf T-Shirts) ebenfalls nicht beanstandet (Anlage K 5). Dem schließt sich der Senat an. Durch den „insbesondere“ Zusatz wird auch deutlich, welche Art der Anbringung auf einem Bekleidungsstück in den Kernbereich des Verbots fällt.
Der Wegfall einiger Tatmodalitäten stellt eine bloße Einschränkung des Ursprungsantrags gemäß § 264 Nr.2 ZPO dar, so dass § 533 ZPO keine Anwendung findet. Da es sich um geringfügige Einschränkungen handelt, haben diese auf die Kostenentscheidung keinen Einfluss (§ 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO).
2. Zum Verfügungsgrund: Dieser ist aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils zu bejahen. Hiergegen hat auch die Antragsgegnerin in der Berufungsinstanz keine Einwendungen mehr erhoben.
3. Zum Verfügungsanspruch: Der Antragsteller besitzt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr.2, Abs. 5 MarkenG gegen die Antragsgegnerin.
a) Der Antragsteller ist Inhaber einer rechtsgültigen Wort/Bildmarke für das Zeichen „Seid Bereit JP“ u.a. für Bekleidungsstücke mit Priorität vom 26.3.2004. Hieran ist das Verletzungsgericht nach ständiger Rechtsprechung gebunden (s.Nachweise bei Ingerl-Rohnke. MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn.15).
Soweit die Antragsgegnerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20.5.2005 ein Schreiben des DPMA vom 9.3.2005 vorgelegt hat, in dem eine Markenanmeldung für eine Wort/Bildmarke SEID BEREIT wegen fehlender Unterscheidungskraft beanstandet wird (Anlage AG 32), bezieht sich diese Beanstandung jedenfalls nicht auf die Marke des Antragstellers, denn diese ist eingetragen worden. Das Schreiben dürfte die Markenanmeldung der Antragsgegnerin betreffen. Ob die angemeldete Marke der Antragsgegnerin mit der Marke des Antragstellers identisch ist oder nur aus dem Schriftzug SEID BEREIT besteht, ist dem als Anlage A 3 der Schutzschrift beigefügten Auszug aus dem Markenregister im Übrigen nicht zu entnehmen.
b) Die Antragsgegnerin hat allerdings mit gleicher Priorität vom 26.3.2004 das streitgegenständliche T-Shirt als Geschmacksmuster angemeldet. Dieses ist auch eingetragen worden. Ein Geschmacksmuster kann als gleichrangiges Recht im Sinne § 13 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG dem Unterlassungsanspruch aus einem Markenrecht einredeweise entgegengesetzt werden (Ingerl-Rohnke, MarkenG, 2.Aufl., § 13 Rn.12, 17; § 14 Rn.22-25).
Das Geschmacksmuster ist indessen nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin nicht bestandskräftig, da es jedenfalls nicht „neu“ ist (§ 2 Abs. 1 GeschmMG; das am 1.6.2004 in Kraft getretene neue GeschmMG ist für alle Anmeldungen nach dem 28.10.2001 anwendbar; § 66 GeschmMG). Die Antragsgegnerin trägt selbst vor, dass sie die streitgegenständlichen T-Shirts seit Anfang/Mitte 2001 deutschlandweit vertreibe. Damit hat sie das Muster offenbart. Wie sich aus der Bewerbung Anlage AG 14 ergibt, geschah dies auch in der Farbstellung, die Gegenstand des Geschmacksmusters ist (blaues „JP“ mit gelber Umrandung). Die Bewerbung in Anlage AG 14 erfolgte ausweislich der eidesstattlichen Versicherung gemäß der Anlage A 4 zur Schutzschrift Mitte 2002, mithin vor der 12-monatigen Neuheitsschonfrist des § 6 GeschmMG.
Im Übrigen dürfte es dem Muster auch an der erforderlichen Eigenart fehlen, da ein bereits vorbekanntes Symbol verwendet worden ist. Hierzu bedarf es in Hinblick auf die fehlende Neuheit jedoch keiner vertiefenden Ausführungen.
c) Das auf dem T-Shirt der Antragsgegnerin abgebildete Zeichen ist der Marke des Antragstellers sehr ähnlich und wird für identische Waren verwendet. Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr.2 MarkenG ist im Falle eines markenmäßigen Gebrauchs des Zeichens ohne weiteres zu bejahen. Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.
d) Umstritten ist hingegen, ob das Zeichen „Seit Bereit JP“ von der Antragsgegnerin kennzeichenmäßig benutzt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des EUGH und des BGH kommen Ansprüche wegen Verletzung einer Marke nur in Betracht, wenn das angegriffene Zeichen jedenfalls von rechtlich erheblichen Teilen des Verkehrs als Herkunftshinweis für eine Ware oder Dienstleistung verstanden werden kann.
aa) Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass diejenigen, die das Zeichen kennen, die Verwendung nicht als markenmäßig ansehen werden, sondern als lediglich dekorative, vielleicht auch ironisch gemeinte Erinnerung an die „Jungen Pioniere“ im Zuge der sog. „(N)ostalgie-Welle“. Dies werden in erster Linie die Deutschen aus der ehemaligen DDR und Berlin sein. Bezogen auf diese Bevölkerungsgruppe wird man mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass der Anteil, der das Zeichen dennoch als herkunftshinweisend auffasst, rechtlich unerheblich ist.
Indessen kann nicht nur auf diesen Ausschnitt der deutschen Bevölkerung abgestellt werden, denn das Angebot der Antragsgegnerin richtet sich an die Bevölkerung ganz Deutschlands. Die Antragsgegnerin vertreibt ihre T-Shirts bundesweit und es befinden sich in ihrem Sortiment nicht nur solche mit DDR-Bezug, sondern auch andere T-Shirts mit den verschiedensten Aufdrucken und Beschriftungen (s. dazu den als Anlage eingereichten Katalog der Antragsgegnerin). Also richtet sich ihr Angebot an alle Abnehmer von bedruckten T-Shirts in Deutschland. Dies müssen nicht nur junge Leute, sondern können auch Personen aus der Altersklasse der Senatsmitglieder sein, die ein Geschenk für junge Leute suchen. Denn als Geschenkartikel kommen bedruckte T-Shirts durchaus in Betracht.
Ebenso wenig können die angesprochenen Verkehrskreise auf die Personen verengt werden, die das streitgegenständliche T-Shirt tatsächlich kaufen würden. Dies mögen in der Tat ebenfalls weit überwiegend solche Personen sein, die das Zeichen „Seid Bereit JP“ als ein Symbol für die „Jungen Pioniere“ kennen und sich durch ein solchermaßen bedrucktes T-Shirt daher besonders angesprochen fühlen. Denn der Markeninhaber ist nicht nur gegen Verwechslungen durch Personen geschützt, die eine Ware letztlich kaufen. Wie sich aus § 14 Abs. 3 MarkenG im Einzelnen ergibt, ist die Benutzung verwechslungsfähiger Zeichen im weitesten Umfang als markenverletzend verboten, nämlich insbesondere schon die Anbringung des Zeichens auf der Ware oder ihrer Verpackung, das Angebot der Ware und ihre Bewerbung. Nach der Rechtsprechung des EUGH sind Verwechslungsgefahren sogar noch nach einem bereits getätigten Kauf einer Ware – also außerhalb des sog. „point of sale“ – markenrechtlich beachtlich (WRP 2002, 1415 Rn.57 „Arsenal Football Club“). Nichts anderes kann nach Auffassung des Senats für das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des markenmäßigen Gebrauchs eines Zeichens gelten.
Schließlich hat die Antragsgegnerin auch durch die umfangreichen Unterlagen zur Geschichte der „Jungen Pioniere“ und den Hinweis auf einige Kinofilme, in denen die „Jungen Pioniere“ thematisiert werden, noch nicht glaubhaft machen können, dass der angesprochene Verkehr in ganz Deutschland bis auf rechtlich unerhebliche Teile weiß, welche Abzeichen die „Jungen Pioniere“ verwendet haben (Anlagenkonvolut AG 6).
bb) Somit ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs ohne Vorkenntnisse ist und das Zeichen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt. Er muss es also aus sich selbst heraus interpretieren. Es mag nun sein, dass der Betrachter des Zeichens die Möglichkeit in Betracht zieht, dass sich insbesondere wegen des Schriftzuges „Seid Bereit“ ein ihm unbekannter Sinngehalt hinter dem Zeichen verbirgt, wie das Landgericht ausführt. Damit ist jedoch noch nicht ausgeschlossen, dass der Betrachter auch die Möglichkeit eines Herkunftshinweises in Betracht ziehen kann.
Zu dem Verständnis des Verkehrs in der Textilbranche hat der Senat in seiner Entscheidung „Zicke II“ vom 20.2.2002 (5 U 187/01) u.a. ausgeführt:
„4. Die Frage, ob jedenfalls rechtlich nicht unbeachtliche Anteile des angesprochenen Verkehrs in dem Aufdruck „ZICKE“ auf der Frontseite eines Bekleidungsstücks einen zeichenmäßigen Gebrauch sehen werden, ist im Sinne der Antragstellerin zu beantworten.
Nach den dazu in der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Obersätzen setzt die kennzeichenmäßige Benutzung einer Bezeichnung voraus, daß der Verkehr aufgrund ihrer Verwendung, so wie sie sich ihm darstellt, zu der Vorstellung gelangen kann, die Bezeichnung diene als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder zur Unterscheidung unterschiedlicher Vertriebsstätten (siehe z. B.: BGH GRUR 1994, 635, 636 „Pulloverbeschriftung“ unter Hinweis auf BGHZ 113, 115,121 „SL“). Dabei ist ausreichend, daß ein jedenfalls nicht unbeachtlicher Anteil des Verkehrs zu dieser Auffassung gelangen kann, wobei in aller Regel die oft nur gedankenlos flüchtige Wahrnehmung der Bezeichnung aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters maßgeblich ist. Dieser Maßstab gilt im vorliegend interessierenden Zusammenhang weiterhin, denn auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher wird die Frage, ob es sich bei dem Aufdruck auf einer Textilie um eine Marke oder eine bloße Verzierung handelt, spontan und ohne groß darüber nachzudenken entscheiden. Der Begriff des kennzeichenmäßigen Gebrauchs wird zudem im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes weit gefaßt und es genügt die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, daß der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt (BGH GRUR 1981, 592, 593 „Championne du Monde“; im übrigen verweist der Senat für die soeben dargestellten Grundsätze auf die Rechtsprechungsnachweise bei Ingerl-Rohnke, Markengesetz, 1998, Rz. 59-61 zu § 14 MarkenG).
Nach allem ist also die Frage, ob eine Zeichenverwendung im Einzelfall eine kennzeichenmäßige Benutzung darstellt, im wesentlichen eine Rechtsfrage, deren Beantwortung jedoch von der Tatsachenfrage des Verkehrsverständnisses abhängt (siehe dazu nochmals: Ingerl-Rohnke, a.a.O., Rz. 58 zu § 14 MarkenG).
5. Die Feststellungen zur Verkehrsauffassung, die der Senat selbst treffen kann, da seine Mitglieder als Käufer von Textilien zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören – und sei es im konkreten Falle auch eher als Mitbringsel für halbwüchsige Töchter -, haben in einem ersten Schritt natürlich auf das abzustellen, was dem Publikum im Bekleidungssektor über die Art der Darbietung von Marken geläufig ist.
Hier wissen die Leute seit geraumer Zeit, daß ihnen Marken als großflächiger Aufdruck auf der Brust- und/oder Rückseite insbesondere von T- und Sweatshirts und/oder Pullovern begegnen. Die Antragstellerin hat dazu unwidersprochen beispielhaft die Sportartikelmarken ADIDAS, PUMA, NIKE und HUMMEL sowie aus dem Modebereich die Marken GIORGIO ARMANI, VERSACE und BOSS benannt. Der Verbraucher weiß also, daß ihm Zeichen an prominenter Stelle alleinstehend und in einer Präsentation, der jedes Element „der relativen Unauffälligkeit fehlt“ (BGH GRUR 1981, 592, 594 „Champione du Monde“) dargeboten werden, so daß sich ihm schon von daher der Schluß aufdrängt, daß das Wort „ZICKE“ vom Vertreiber eben nach Art einer Marke, also herkunftshinweisend verwendet werde.
6. Entsprechend den oben unter 4. wiedergegebenen rechtlichen Obersätzen und entsprechend den soeben geschilderten Verwendungsusancen von Marken im Oberbekleidungsbereich hat bereits der 3. ZS des Hanseatischen Oberlandesgerichts in der Entscheidung „Sailing on the wind“ – 3 U 57/99 – (im Leitsatz abgedruckt in: OLGReport HAMBURG 1999,180) ausgeführt, daß es zur Annahme eines zeichenmäßigen Gebrauchs ausreiche, wenn die Möglichkeit naheliege, daß der flüchtige Verkehr die Kennzeichnung als Herkunftshinweis auf einen bestimmten Betrieb auffassen werde, weil die Angabe nach Art einer Marke auf der Ware, ihrer Verpackung oder Umhüllung herausgestellt werde, oder die Aufmerksamkeit vorrangig auf sie gerichtet sei. Jene Entscheidung betraf eine Wort-Bild-Marke „wind“ mit der zeichnerischen Darstellung eines gebauschten und mit farbigen Querstreifen versehenen Segels und die als verletzend beanstandete Benutzungsform „Sailing On The Wind“ mit drei gebauschten farbigen Segeln, benutzt auf der Brustseite eines Sweat-Shirts. Der 3. ZS hat eine lediglich beschreibende Verwendung u.a. deswegen vereint, weil der Wortbestandteil „Sailing On The Wind“ durchaus geeignet sei, als Herkunftshinweis aufgefaßt zu werden und weil es in der Modebranche immer mehr um sich greife, Markennamen nicht nur im Innenbereich von Kleidungsstücken sondern auch deutlich sichtbar außen anzubringen. Daß gleichzeitig auch eine dekorative Funktion erfüllt werde, ändere an der Möglichkeit, im Verkehr auch als Herkunftshinweis zu wirken, nichts.
…
9. Für die im konkreten Einzelfall zu untersuchende Frage des zeichenmäßigen Gebrauchs kann schließlich einer Einschränkung des Schutzbereichs der eingetragenen Marke nicht deswegen das Wort geredet werden, um die Grenze zwischen Herkunftshinweisfunktion der Marke und einem vom Markengesetz nicht vorgesehenen Produktschutz nicht zu verwischen. Es kann nämlich bei Feststellung eines kennzeichnenden Gebrauchs eines Begriffes in einer konkreten Verwendungssituation nicht darum gehen, den Markenschutz durch eher begriffsjurisprudentische Überlegungen auf einzelne typische Verwendungsformen einzuschränken. Dies würde dazu führen, den Inhaber einer zwar unterscheidungskräftigen, im Verkehr aber noch nicht so bekannten Marke von Verwendungsformen, die den Inhabern etablierter Marken unbestreitbar zugänglich sind, abzuschneiden und solche Verwendungsformen den Inhabern etablierter Marken vorzubehalten. Eine derartige Zwei-Klassen-Gesellschaft von Markeninhabern ist im Gesetz aber nicht vorgesehen. Auch hier erweist es sich wieder, daß es bei der Frage der kennzeichenmäßigen Verwendung einer eingetragenen Marke in erster Linie eben um normativen Kennzeichenschutz geht und nur in ungewöhnlich gelagerten Fällen – so etwa bei von Haus aus eher schwachen Kennzeichen – der als Tatsache festzustellenden Sichtweise des Verkehrs ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann.
10. Der Grundsatz, daß bei lediglich schwach unterscheidungskräftigen Zeichen einer zu weiten Ausdehnung des Schutzbereiches im Verletzungsprozeß durch sachgemäße Handhabung des Tatbestandsmerkmals der Verwechslungsgefahr Rechnung zu tragen ist, führt vorliegend ebenfalls nicht weiter. Dieser Grundsatz kann nämlich nicht für die Prüfung der Frage gelten, ob denn überhaupt ein zeichenmäßiger Gebrauch vorliegt, sondern eben nur bei Prüfung der Verwechslungsgefahr.
Bei dieser ist nämlich immer auf einen Betrachter abzustellen, der die Klagmarke und das Beanstandungszeichen kennt, denn andernfalls könnte schon die Tatbestandsvoraussetzung der Zeichenähnlichkeit, die ja einen Vergleich beider Zeichen zum Gegenstand hat, nicht geklärt werden. Dies ist anders, wenn es darum geht festzustellen, ob die Benutzung eines bestimmten Begriffs in einer konkreten Art und Weise denn überhaupt als Präsentation einer Marke angesehen wird. Wollte man hier auf einen Beobachter abstellen, der weiß, daß der fragliche Begriff als Marke eingetragen ist, käme man vermutlich immer auf ein hinreichend großes Quorum von Befragten, das eine herkunftshinweisende Benutzung annähme. Es geht nun aber gerade darum, ob der Begriff in der konkreten Verwendungssituation überhaupt als Marke verstanden wird oder nicht, was nur dann zuverlässig beantwortet werden kann, wenn man auf einen unbefangenen Betrachter ohne Vorkenntnis von dem Markenschutz abstellt.
11. Kurzum: Wenn denn der Begriff „Zicke“ als Marke für Textilien schutzfähig ist, was wegen der hinreichend phantasievollen Beziehung zwischen Zeichen und Produkt ohne jeden Zweifel der Fall ist, und wenn dieser Begriff als Marke für Bekleidungsstücke eingetragen ist, dann muß diese Marke als Herkunftshinweis auch überall dort respektiert werden, wo Textilmarken heutzutage u.a. angebracht zu sein pflegen. Die Benutzung des als Marke geschützten Begriffs an solchen Stellen ist damit dem Inhaber der Marke vorbehalten. Nur in dem Ausnahmefall, in dem es ausgeschlossen erscheint, daß der Verkehr wegen der Eigenart des Zeichens dieses an dem angegebenen Ort als Marke auffassen kann, läge eben abweichend von der durch Gewöhnung an die Präsentation von Marken auf Textilien gewachsenen Sichtweise ausnahmsweise eben einmal kein kennzeichnender Gebrauch vor. Dies wäre dann aber eher eine Tatfrage als eine Frage, die an Hand der Markenfunktionen zu beantworten wäre.
12. Die Benutzung der Marke auf der Schauseite eines Kleidungsstückes ist hier entsprechend den Bezeichnungsgewohnheiten der Textilbranche also ein dem Markeninhaber vorbehaltener herkunftshinweisender Gebrauch. Dies gilt gleichermaßen für die Benutzung durch den Markeninhaber, wie auch für die Benutzung in der Beanstandungsform durch einen Dritten. Insoweit ist die Frage, ob ein Zeichen markenmäßig benutzt wird, wie ausgeführt, immer Wertungsfrage, die auf dem Hintergrund der Tatsachenfrage, was dem Verkehr in der entsprechenden Branche denn so alles an Verwendungsformen einer Marke geläufig ist und gegebenenfalls an Hand der inhaltlichen Bedeutung des als Marke benutzten Begriffes in der konkreten Verwendungssituation, zu beantworten ist.“
In Anwendung der vorstehend zitierten Grundsätze, die der Senat nach wie vor für richtig hält, ist hier Folgendes festzustellen:
Dominierender Bestandteil des Zeichens sind die großen Buchstaben „JP“. Im Warenbereich der Oberbekleidung ist der Verkehr nicht nur damit vertraut, dass vollständige Namen von Modeschöpfern im Brust- oder Rückenbereich von T-Shirts und Pullovern angebracht werden – s. die in der Entscheidung „Zicke II“ aufgeführten Beispiele – sondern auch damit, dass die Namen von Modeschöpfern oder Marken mit den Initialen abgekürzt werden (z.B. JP für J ean P ascale; JJ für J ette J oop; CK für C alvin K lein; T für T om T ailor; H.I.S . für H enry I. Siegel usw.) .
Das Motiv der Flamme erscheint gegenüber den großen Initialen JP eher als dekoratives Beiwerk.
Zweifel mögen nun allerdings die Worte „Seid Bereit“ zwischen den Buchstaben „JP“ und dem Flammenmotiv wecken, die aufgrund ihres Appellcharakters eine politische Lösung sein könnten (und es tatsächlich ja auch waren). Andererseits sind einfache Aufforderungen und kurze und griffige Formeln dem Verkehr auch als Werbeslogans vertraut (s. die verschiedenen Beispiele aus der Eintragungspraxis des DPMA bei Ingerl-Rohnke, MarkenG, 2.Aufl. § 8 Rn.144-148). Als Werbeslogan etwa eines Sportartikelherstellers wäre „Seid Bereit“ durchaus denkbar.
In diesem Zusammenhang ist an den markenrechtlichen Grundsatz zu erinnern, dass der Verkehr ein Zeichen keiner analysierenden Betrachtung unterzieht, sondern es so wahrnimmt, wie es ihm entgegentritt. Der Gesamteindruck wird – wie ausgeführt – von den Buchstaben „JP“ maßgeblich geprägt und an diesen wird sich überwiegend wahrscheinlich jedenfalls ein maßgeblicher Teil des Verkehrs orientieren. Die Worte „Seid bereit“ mögen dann zwar dem einen oder anderen an eine Bedeutung des Zeichens außerhalb eines Herkunftshinweises denken lassen, wie auch das Landgericht meint. Insgesamt reicht dies jedoch nicht aus, um ein herkunftsmäßiges Verständnis des Zeichens für einen noch beachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs auszuschließen. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass dem Verkehr auch keine sonstige Herkunftshinweise auf dem T-Shirt angeboten werden, neben denen das Zeichen dann nur noch als reine Dekoration erscheinen könnte. Wie schon in der Entscheidung „Zicke II“ ausgeführt, genügt es nach der Rechtsprechung für die Bejahung eines markenmäßigen Gebrauchs, wenn die objektive, nicht völlig fern liegende Möglichkeit besteht, dass jedenfalls ein rechtlich beachtlicher Teil des Verkehrs ein Zeichen als Herkunftshinweis ansieht. Dies kann hier im Ergebnis nicht verneint werden.
4. Zum Einwand der Treuwidrigkeit: Im Verletzungsprozess kann der Verletzer den Einwand des rechtsmissbräuchlichen Markenerwerbs, gestützt auf die §§ 826, 226 BGB und § 1 UWG a.F., jetzt § 3 UWG erheben (s. Einzelheiten bei Ingerl-Rohnke a.a.O. vor §§ 14-19 Rn.160 ff.). Vorliegend bleibt die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin jedoch auch in diesem Punkt ohne Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat schon eine Kenntnis des Antragstellers von dem angegriffenen T-Shirt zum Zeitpunkt der Markenanmeldung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin hat eine Vielzahl von T-Shirts im Programm und hat einen Beleg über den Verkauf eines T-Shirts mit dem Zeichen der „Jungen Pioniere“ an den Antragsteller nicht vorlegen können. Der Vertrieb des streitgegenständlichen T-Shirts seit dem Jahr 2001 ist weit überwiegend in Einzelstücken oder sehr kleinen Stückzahlen erfolgt (Anlagen AG 8,9,10, 21). Dementsprechend ist für das ganze Jahr 2002 die Produktion von 200 T-Shirts mit dem Abzeichen der „Jungen Pioniere“ vorgetragen und belegt (Anlage AG 11). Dies hält der Senat im Gegensatz zu der Antragsgegnerin nicht für eine „erhebliche Menge“. Auch der Umfang der Bewerbung des T-Shirts in überwiegend in den neuen Bundesländern gelesenen Medien – Anlagen AG 12 -20- lässt es noch nicht überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass der Antragsteller das T-Shirt der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Markenanmeldung gekannt haben muss, was er bestreitet.
Selbst wenn der Antragsteller aber das T-Shirt der Antragsgegnerin gekannt haben sollte, wäre seine Markenanmeldung allein aus diesem Grunde nicht als sittenwidrig anzusehen (Ingerl-Rohnke a.a.O. Rn.167 m.w.N.). Dafür, dass die Antragsgegnerin gerade durch den Vertrieb dieses T-Shirts einen wertvollen Besitzstand erworben und der Antragsteller zum Zwecke der Schädigung der Antragsgegnerin gehandelt hätte, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Vielmehr ist der Antragsteller Wettbewerber im Vertrieb mit bedruckten T-Shirts und hat daher ein schutzwürdiges Interesse daran, sich bestimmte Motive markenrechtlich zu sichern. Da das Markenrecht kein Vorbenutzungsrecht kennt, gilt hier der Grundsatz der Anmeldungspriorität.
Schließlich fehlt dem Einwand des Rechtsmissbrauchs hier schon deshalb die Überzeugungskraft, weil die Antragsgegnerin nach eigenem Vortrag in gleicher Weise wie der Antragsteller bemüht ist, sich Symbole des ehemaligen Ostblocks als Markenzeichen zu sichern. Dass ihr im Fall der „Jungen Pioniere“ der Antragsteller um wenige Tage zuvorgekommen ist, kann sie nun nicht als treuwidrig beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
(Unterschriften)
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