Bei der Frage, ob die durch die nachgeahmte Form einer Ware hervorgerufene Gefahr der Herkunftstäuschung vermeidbar im Sinne von § 4 Nr. 9 a UWG ist, ist zu berücksichtigen, dass eine Produktidee als solche keinem ergänzenden Leistungsschutz unterliegt. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung muss zur Verteidigung von Wertungswidersprüchen auch der markenrechtliche Schutzausschließungsgrund nach § 3 II Nr. 2 MarkenG im Blick behalten werden.
OLG Frankfurt 6. Zivilsenat, Beschluss vom 02.02.2010 – 6 U 236/09 – „Formfleischstück“
§ 4 Nr 9 Buchst a UWG, § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 13.11.2009 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 250.000,- € festgesetzt.
Gründe
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Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 II 1 ZPO erfüllt sind. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 5.1.2010 Bezug genommen (§ 522 II 3 ZPO), dessen Gründe im Folgenden nochmals wiedergegeben werden:
2
„Der Antragstellerin steht der mit der Berufung weiterverfolgte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Den Verfügungsgeschmacksmustern fehlt es nach der Glaubhaftmachungslage jedenfalls an der erforderlichen Eigenart. Die Voraussetzungen für einen wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz sind nicht erfüllt, weil die etwaige Gefahr von Herkunftstäuschungen im Hinblick auf die Besonderheiten des von der Antragstellerin hergestellten Produkts jedenfalls nicht vermeidbar sind (§ 4 Nr. 9a UWG) und unter diesen Umständen den Antragsgegnerinnen auch nicht der Vorwurf der unangemessenen Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Erzeugnisses gemacht werden kann. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt. Das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung.
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Hinsichtlich der geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche ist das Landgericht mit Recht davon ausgegangen, dass die Anlagen L 3 bis L 8 jeweils Erzeugnisse zeigen, die in ihren für den Gesamteindruck wesentlichen Merkmalen mit den Verfügungsmustern I und II übereinstimmen. Das Landgericht hat weiter überzeugend ausgeführt, dass die in diesen Anlagen wiedergegebenen Produkte nach den von den Antragsgegnerinnen vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln zum Zeitpunkt der Anmeldung der Verfügungsmuster bereits der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden waren. Dieser Einschätzung ist die Antragstellerin mit der Berufungsbegründung im Übrigen nur hinsichtlich der Anlagen L 2, L 4 und L 7, nicht aber hinsichtlich der weiteren Entgegenhaltungen entgegengetreten. Auf das Verfügungsmuster III kann die Antragstellerin – wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – den Verfügungsantrag schon mangels Verfügungsgrundes nicht stützen; im Übrigen fehlt auch diesem Muster im Hinblick auf die genannten Entgegenhaltungen die Eigenart im geschmacksmusterrechtlichen Sinn.
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Im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung ist das Landgericht mit Recht davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin erstmals umgesetzte – keinem Sonderrechtsschutz unterliegende – Produktidee, dem Verbraucher paniertes Formfleisch zur Zubereitung in einem handelsüblichen Toaster zur Verfügung zu stellen, als solche einem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz von vornherein entzogen ist. Dies gilt unabhängig davon, welche Bekanntheit die Antragstellerin mit ihrem Erzeugnis inzwischen auf dem Markt erlangt hat. Selbst wenn man zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt, dass Teile des Verkehrs derzeit wegen der Neuartigkeit des von der Antragstellerin angebotenen Erzeugnisses und der dafür betriebenen Werbung dazu neigen, von diesem Erzeugnis (paniertes Fleisch in Form einer Toastscheibe) auf einen bestimmten Hersteller zu schließen, geht von der angegriffenen Nachahmung nur dann die Gefahr einer vermeidbaren Herkunftstäuschung aus, wenn die Antragsgegnerin zu 2) es unterlassen hat, durch zumutbare Abweichungen für eine Unterscheidbarkeit der sich gegenüberstehenden Produkte zu sorgen. Dabei geht es nach dem verfolgten Unterlassungsbegehren nicht um die Frage, ob die Antragsgegnerin zu 2) bei der Verpackungsaufmachung hinreichenden Abstand zum Erzeugnis der Antragstellerin gewahrt hat. Denn der allein gegen Form, Oberflächengestaltung und Farbe des beanstandeten Erzeugnisses gerichtete Unterlassungsantrag würde den Antragsgegnerinnen den Vertrieb der Formfleischstücke in jeder denkbaren Aufmachung untersagen.
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Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, stehen den Antragsgegnerinnen zumutbare Abweichungen zur Gestaltung der panierten Formfleischstücke nicht zur Verfügung, da die im Wesentlichen quadratische Grundform sowie die Abmessungen der Stücke durch den vorgesehenen Verwendungszweck, nämlich die Zubereitung in einem haushaltsüblichen Toaster, vorgegeben sind. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung müssen sich die Antragsgegnerinnen insbesondere nicht darauf verweisen lassen, ihren Formstücken eine andere Grundform wie etwa diejenige eines Ovals oder eines Parallelogramms zu geben. Abgesehen davon, ob etwaige Herkunftsvorstellungen des Verkehrs, die an der Besonderheit des neuartigen Erzeugnisses als solcher anknüpfen, durch derartige Abweichungen in der Grundform überhaupt in eine andere Richtung gelenkt werden könnten, hätten diese abweichenden Formen auch den Nachteil, dass bei ihrer Verwendung die durch den Toaster vorgegebene Fläche zur Erhitzung des Toastgutes nicht in vollem Umfang ausgenutzt würde; dies wird durch die als Anlage Ast 40 zur Berufungsbegründung vorgelegten Zeichnungen bestätigt. Die Inkaufnahme eines solchen Nachteils kann den Antragsgegnerinnen insbesondere deshalb nicht zugemutet werden, weil dem Verkehr durch eine abweichende Kennzeichnung und Aufmachung des nachgeahmten Erzeugnisses jedenfalls im Zeitpunkt der Kaufentscheidung deutlich gemacht werden kann, dass es sich um ein mit dem bekannten „… “ der Antragstellerin zwar gleichartiges, aber von einem anderen Hersteller stammendes Erzeugnis handelt.
6
Dass es an der Vermeidbarkeit der Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9a UWG fehlt, wird auch durch markenrechtliche Überlegungen bestätigt. Grundsätzlich ist zwar die Form einer Ware dem Markenschutz zugänglich (§ 3 I MarkenG). Dies gilt jedoch nicht, wenn die Form der Ware zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist (§ 3 II Nr. 2 MarkenG), wobei es ausreicht, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale der Form einer Ware nur einer technischen Wirkung zuzuschreiben sind, selbst wenn die fragliche technische Wirkung auch durch andere Formen erzielt werden kann (vgl. hierzu zuletzt BGH, Beschluss vom 9.7.2009 – I ZB 88/07, Tz. 16 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist bei dem von der Antragstellerin hergestellten Erzeugnis erfüllt, da aus den bereits dargestellten Gründen die Form der panierten Fleischstücke im Wesentlichen lediglich die Funktion hat, diese Fleischstücke in einem haushaltsüblichen Toaster unter weitgehender Ausnutzung der Erwärmungsmöglichkeiten eines solchen Toasters zubereiten zu können. Die demnach fehlende Markenfähigkeit der Warenform kann auch bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung nicht völlig außer Acht gelassen werden. Wenn nämlich ein Markenschutz – mit dem nach dem System der gewerblichen Schutzrechte der vorrangige Schutz gegen Herkunftstäuschungen gewährt wird – von vornherein ausscheidet, kommt ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen Herkunftstäuschungen nach § 4 Nr. 9a UWG nur in Betracht, wenn zu der Übernahme der markenrechtlich nicht schutzfähigen Warenform weitere Unlauterkeitsumstände hinzutreten. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich; sie können insbesondere nicht allein in der von der Antragstellerin behaupteten großen Bekanntheit des von ihr hergestellten Erzeugnisses gesehen werden. Denn auch markenrechtlich vermag selbst eine überragende Verkehrsdurchsetzung die fehlende Markenfähigkeit nach § 3 MarkenG nicht zu ersetzen.
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Unter diesen Umständen verstößt die beanstandete Nachahmung auch nicht gegen § 4 Nr. 9b UWG. Denn aus den dargestellten Gründen kann den Antragsgegnerinnen jedenfalls nicht vorgeworfen werden, die Wertschätzung des Erzeugnisses der Antragstellerin in unangemessener Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.“
8
Auch das Vorbringen im Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 28.1.2010 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
9
Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin erneut darauf, dass der Antragsgegnerin zu 2) zur Gestaltung der von ihr hergestellten und von der Antragsgegnerin zu 1) vertriebenen panierten Formfleischstücke auch andere geometrische Formen oder sonstige Abwandlungen zur Verfügung stünden.
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Soweit es in diesem Zusammenhang darum geht, dass die Antragsgegnerin zu 2) für die im Wesentlichen quadratische oder rechteckige Grundform andere Abmessungen wählen könnte, wären die sich allein daraus ergebenden geringfügigen Unterschiede zwischen den sich gegenüberstehenden Erzeugnissen von vornherein ungeeignet, den Verkehr auf die Herkunft aus unterschiedlichen Unternehmen hinzuweisen. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass sich das angegriffene Produkt in den konkreten Abmessungen durchaus bereits vom „…“ der Antragstellerin unterscheidet; hierzu kann beispielsweise auf die Gegenüberstellung auf Seite 21 der Antragsschrift verwiesen werden.
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Soweit die Antragstellerin der Antragsgegnerin zu 2) ansinnen möchte, bei der Gestaltung ihres Erzeugnisses von der im Wesentlichen rechteckigen Grundform abzugehen bzw. für die Längsfläche beispielsweise eine wellenförmige Gestaltung zu wählen, bleibt der Senat dabei, dass der Antragsgegnerin zu 2) derartige Maßnahmen im Hinblick auf die im Hinweisbeschluss genannten Erwägungen nicht zuzumuten sind. Selbst wenn es möglich sein sollte, solche Lösungen auch ohne Reduzierung der zu erhitzenden Fleischmenge zu realisieren, wäre die Herstellung derartiger Formfleischstücke jedenfalls mit einem höheren Aufwand verbunden. Hierzu ist die Antragsgegnerin zu 2) bei einer Abwägung der Gesamtumstände, die im Rahmen der Prüfung nach § 4 Nr. 9a UWG vorzunehmen ist, jedenfalls deshalb nicht verpflichtet, weil dem Verbraucher die sich gegenüberstehenden Erzeugnisse in der Kaufsituation ausschließlich in ihrer konkreten Verpackung gegenübertreten. Insoweit unterscheiden sich die Produkte der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 2) jedoch sowohl hinsichtlich der verwendeten Bezeichnung als auch hinsichtlich der Gesamtaufmachung der Verpackung so deutlich, dass bereits hiermit der Gefahr etwaiger Herkunftstäuschungen im Hinblick auf die weiteren Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts hinreichend entgegengewirkt wird.
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Auch an den im Hinweisbeschluss vorgenommenen ergänzenden markenrechtlichen Überlegungen hält der Senat fest. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die – auch bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Blick zu behaltende – Schutzschranke der fehlenden Markenfähigkeit nach § 3 II Nr. 2 MarkenG nicht voraussetzt, dass die fragliche technische Wirkung durch keine anderen denkbare Warenformen erzielt werden kann. Vielmehr reicht es aus, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale der Form der Ware allein einer beabsichtigten technischen Wirkung zuzuschreiben sind (vgl. neben der im Hinweisbeschluss in Bezug genommenen Rechtsprechung auch BGH, Beschluss vom 16.7.2009 – I ZB 53/07 – Legostein). Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall erfüllt, da die rechteckige Form des von der Antragstellerin hergestellten Formfleischstücks ebenso wie dessen Farbe und Oberflächenstruktur der Erzielung einer technischen Wirkung, nämlich der Zubereitungsmöglichkeit in einem handelsüblichen Toaster, dienen, ohne dass das Erzeugnis darüber hinausgehende, nicht technische Gestaltungsmerkmale oder eine individualisierende Formgebung aufweist (vgl. BGH – Legostein, a.a.O., Tz. 30 m.w.N.).
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Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Ansprüche nach § 4 Nr. 9b UWG sowie aus den Geschmacksmustern der Antragstellerin bleibt der Senat ebenfalls bei seiner im Hinweisbeschluss vom 5.1.2010 dargelegten Einschätzung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
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