EuGH: Nichols

EuGH, Urteil vom 16.09.2004 – C-404/02 – Nichols
„Marken – Richtlinie 89/104/EWG – Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b – Marke, die aus einem verbreiteten Nachnamen besteht – Unterscheidungskraft – Auswirkung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe a auf die Beurteilung “

Leitsätze des Urteils

Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Ablehnung der Eintragung oder Ungültigkeit – Fehlende Unterscheidungskraft – Beurteilung der Unterscheidungskraft von Marken, die aus einem verbreiteten Nachnamen bestehen – Beurteilung nach denselben Kriterien, die für andere Kategorien von Marken gelten – Beschränkte Wirkungen einer solchen Marke – Unerheblich
(Richtlinie 89/104 des Rates, Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a)

Im Rahmen von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken hat die Beurteilung des Vorliegens oder Fehlens der Unterscheidungskraft einer aus einem Nachnamen bestehenden Marke, auch wenn dieser Name verbreitet ist, konkret anhand der Kriterien zu erfolgen, die auf alle in Artikel 2 der Richtlinie genannten Zeichen anwendbar sind, also zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, und zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise. Der Umstand, dass die Wirkungen der Markeneintragung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 beschränkt sind, hat keine Auswirkung auf diese Beurteilung. (vgl. Randnr. 34 und Tenor)

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
16. September 2004(1)

In der Rechtssache C-404/02

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,

eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Beschluss vom 3. September 2002, eingetragen am 12. November 2002, in dem Verfahren

Nichols plc

gegen

Registrar of Trade Marks

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann (Berichterstatter), J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterin N. Colneric,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2003,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Nichols plc, vertreten durch C. Morcom, QC,

– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch P. Ormond als Bevollmächtigte im Beistand von D. Alexander, Barrister,

– der griechischen Regierung, vertreten durch G. Skiani und S. Trekli als Bevollmächtigte,

– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A. Bodard-Hermant als Bevollmächtigte,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Januar 2004,

folgendes

Urteil

1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).

2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Nichols plc (nachfolgend: Nichols), einer Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, und dem Registrar of Trade Marks (Direktor des Markenamts) über die Weigerung, einen verbreiteten Nachnamen als Marke für bestimmte Waren einzutragen.

Rechtlicher Rahmen

3
Artikel 2 der Richtlinie 89/104 mit der Überschrift „Markenformen“ lautet wie folgt:

„Marken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“

4
Artikel 3 der Richtlinie mit der Überschrift „Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe“ bestimmt:

„(1) Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

a) Zeichen, die nicht als Marke eintragungsfähig sind,

b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,

…“

5
In Artikel 6, der mit „Beschränkung der Wirkungen der Marke“ überschrieben ist, heißt es:

„(1) Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten,

a) seinen Namen oder seine Anschrift,

im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6
Nichols beantragte beim Registrar of Trade Marks die Eintragung des Nachnamens „Nichols“ als Marke insbesondere für Verkaufsautomaten sowie für Nahrungsmittel und Getränke, die im Allgemeinen mithilfe dieser Geräte vertrieben werden.

7
Mit Entscheidung vom 11. Mai 2001 gab der Registrar of Trade Marks dem Antrag bezüglich der Verkaufsautomaten statt, lehnte ihn aber im Übrigen ab.

8
Er stellte fest, dass der Nachname „Nichols“, einschließlich seiner phonetischen Entsprechung „Nicholls“ und der Singularform „Nichol“, im Vereinigten Königreich verbreitet sei, wie sich aus der Zahl der Einträge im Londoner Telefonbuch ergebe.

9
Im Hinblick auf Lebensmittel und Getränke sei ein solcher Nachname für sich genommen folglich nicht geeignet, die Herkunft aus ein und demselben Unternehmen anzuzeigen. Unter Berücksichtigung der in Rede stehenden Tätigkeiten und der potenziellen Größe des Marktes für diese Güter könne der Nachname „Nichols“ auch von anderen Herstellern und Anbietern benutzt werden. Es sei daher wenig wahrscheinlich, dass das Publikum annehme, es gebe auf diesem Markt nur einen einzigen Unternehmer, der unter diesem Nachnamen auftrete. Daher habe die damit gekennzeichnete Marke keine Unterscheidungskraft für Lebensmittel und Getränke.

10
Was hingegen die Verkaufsautomaten angehe, so sei der Markt spezieller und umfasse weniger aktive Marktteilnehmer. Die Marke könne daher für diese Güter eingetragen werden.

11
Nichols legte gegen die Entscheidung vom 11. Mai 2001 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, einen Rechtsbehelf ein.

12
Dieses Gericht stellt fest, dass das United Kingdom Trade Marks Registry (Markenamt des Vereinigten Königreichs) der Auffassung sei, die Eintragung von Namen, insbesondere von verbreiteten Nachnamen, solle zurückhaltend erfolgen, um zu vermeiden, dass dem ersten Antragsteller ein unlauterer Vorteil verschafft werde. Allgemein gelte, je stärker der Nachname verbreitet sei, umso weniger sei das Amt geneigt, die Eintragung vorzunehmen, ohne dass nachgewiesen werde, dass der Name effektiv Unterscheidungskraft erlangt habe. Das Amt berücksichtige auch die Zahl der Waren und Dienstleistungen sowie die Zahl der Personen, die denselben oder einen ähnlichen Namen hätten und von der Eintragung betroffen sein könnten.

13
Das vorlegende Gericht meint, es sei fraglich, ob bei sehr verbreiteten Nachnamen angenommen werden müsse, dass sie keine Unterscheidungskraft hätten, solange sie eine solche nicht durch Benutzung erworben hätten.

14
Es ist der Ansicht, man müsse die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 vorgesehene Beschränkung der Wirkungen der Marke für den Fall berücksichtigen, dass ein Dritter seinen Namen benutzen wolle. Je weiter die potenzielle Beschränkung in diesem Artikel sei, desto weniger stelle die Eintragung ein Hindernis für die Betroffenen dar. Es sei daher zu prüfen, inwieweit die in Artikel 6 der Richtlinie 89/104 vorgesehenen Beschränkungen bei der Bestimmung der Unterscheidungskraft einer angemeldeten Marke von Belang seien.

15
In dieser Hinsicht möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a nicht nur auf Namen natürlicher Personen anwendbar sei, sondern auch auf Firmen. Es möchte außerdem wissen, was der Ausdruck „anständige Gepflogenheiten“ in dieser Vorschrift bedeutet.

16
Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.
Unter welchen Umständen muss einer aus einem einzelnen Nachnamen bestehenden Marke (d. h. einem „Zeichen“, das die Anforderungen von Artikel 2 der Markenrichtlinie 89/104/EWG erfüllt) gegebenenfalls die Eintragung mit der Begründung verweigert werden, sie habe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie „keine Unterscheidungskraft“?

2.
Insbesondere,

a)
muss oder

b)
kann

einem solchen Zeichen, bevor es durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat, die Eintragung verweigert werden, wenn es sich um einen in dem Mitgliedstaat, in dem die Marke eingetragen werden soll, oder in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten verbreiteten Nachnamen handelt?

3.
Falls Frage 2 Buchstabe a oder b bejaht wird, ist es dann für nationale Behörden angebracht, die Angelegenheit unter Bezugnahme auf die mutmaßlichen Erwartungen zu beurteilen, die ein Durchschnittsverbraucher in Bezug auf die fraglichen Waren/Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der Verbreitung des Nachnamens, der Art der fraglichen Waren/Dienstleistungen und der Häufigkeit der Verwendung von Nachnamen im fraglichen Gewerbe hat?

4.
Ist es für die Feststellung, ob ein Nachname im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie „keine Unterscheidungskraft“ hat, von Bedeutung, dass die Wirkungen der Eintragung der Marke gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a beschränkt sind?

5.
Falls ja,

a)
ist das Wort „Person“ in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie so zu verstehen, dass auch eine Gesellschaft oder eine Firma darunter fällt, und

b)
was ist unter „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ zu verstehen; findet dieser Begriff insbesondere Anwendung, wenn

i)
der Anspruchsgegner das Publikum durch den Gebrauch seines eigenen Namens tatsächlich nicht täuscht oder

ii)
der Anspruchsgegner dadurch lediglich unabsichtlich Verwechslungen herbeiführt?

Zu den ersten vier Fragen

17
Mit seinen ersten vier Fragen, die zweckmäßigerweise zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, anhand welcher Anhaltspunkte im Rahmen von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 die Beurteilung des Vorliegens oder Fehlens der Unterscheidungskraft einer aus einem Nachnamen bestehenden Marke, insbesondere wenn dieser Name verbreitet ist, erfolgen soll und ob der Umstand, dass die Wirkungen der Marke gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 beschränkt sind, eine Auswirkung auf diese Beurteilung hat.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

18
Nichols ist der Ansicht, einer Marke könne die Eintragung nicht mit der alleinigen Begründung verweigert werden, es handle sich dabei um einen verbreiteten Nachnamen. Sie verweist auf die Willkürlichkeit des im Ausgangsrechtsstreit gewählten Kriteriums der Zahl der Einträge des Nachnamens im Londoner Telefonbuch. Nachnamen könnten nicht einer besonderen Behandlung unterworfen werden, die strenger sei als die für andere Markenformen. Wie alle anderen Zeichen seien sie einzutragen, wenn sie es erlaubten, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden seien, nach ihrer Herkunft zu unterscheiden. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 zu berücksichtigen.

19
Die griechische und die französische Regierung sowie die Kommission sind ebenfalls der Ansicht, Nachnamen – auch verbreitete – seien wie die anderen Arten von Zeichen zu behandeln, nämlich unter Berücksichtigung der fraglichen Waren oder Dienstleistungen sowie der Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zur Herkunftsfunktion der Marke.

20
Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Ansicht, es sei sehr unwahrscheinlich, dass ein verbreiteter Nachname nur die Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens kennzeichne, das die Eintragung dieses Nachnamens als Marke beantrage. Eine Marke, die nicht ausschließlich die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichne, könne nicht eingetragen werden, weil sie unter Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 fiele. In diesem Fall erfülle sie keine Herkunftsfunktion. Es seien die mutmaßlichen Erwartungen zu berücksichtigen, die ein Durchschnittsverbraucher im Hinblick auf die Marke habe. Die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte könnten die Verbreitung des Nachnamens, die Zahl der Unternehmen, die die Waren oder Dienstleistungen der fraglichen Art anböten, sowie die Häufigkeit der Verwendung von Nachnamen in dem betroffenen Gewerbe umfassen.

21
Die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission sind der Auffassung, dass Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 keine Auswirkung auf die Beurteilung der Unterscheidungskraft habe, die gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie zu erfolgen habe.

Antwort des Gerichtshofes

22
Artikel 2 der Richtlinie 89/104 enthält eine – in der siebten Begründungserwägung der Richtlinie als „Beispielliste“ bezeichnete – Aufzählung von Zeichen, die eine Marke sein könnten, falls sie geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, d. h. die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen. Diese Liste umfasst ausdrücklich „Personennamen“.

23
Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteile vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C?299/99, Philips, Slg. 2002, I?5475, Randnrn. 59 und 63, und vom 12. Februar 2004 in der Rechtssache C?218/01, Henkel, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 50).

24
Die fragliche Vorschrift macht in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Zeichen (in diesem Sinne Urteil vom 8. April 2003 in den Rechtssachen C-53/01 bis C?55/01, Linde u. a., Slg. 2003, I-3161, Randnr. 42, und, zu der übereinstimmenden Vorschrift Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung [EG] Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. 1994, L 11, S. 1], Beschluss vom 28. Juni 2004 in der Rechtssache C?445/02 P, Glaverbel/HABM, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 21).

25
Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Marken, die aus einem Personennamen bestehen, sind also dieselben wie die für andere Kategorien von Marken.

26
Es dürfen bei diesen Marken keine strengeren allgemeinen Beurteilungskriterien angewandt werden, die z. B.

– auf einer im Voraus festgesetzten Zahl von Personen mit dem gleichen Namen, bei deren Überschreitung der Name als keine Unterscheidungskraft besitzend angesehen werden könnte,

– auf der Zahl der Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen der gleichen Art wie die in der Anmeldung genannten vertreiben, und

– auf der Häufigkeit der Verwendung von Nachnamen in dem betroffenen Gewerbe

beruhen.

27
Die Unterscheidungskraft einer Marke, gleich zu welcher Kategorie sie gehört, muss Gegenstand einer konkreten Beurteilung sein.

28
Im Rahmen dieser Beurteilung kann sich zwar z. B. herausstellen, dass die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise nicht notwendigerweise für alle Kategorien die gleiche ist und dass es daher bei Marken bestimmter Kategorien schwieriger ist, die Unterscheidungskraft festzustellen, als bei denjenigen, die einer anderen Kategorie angehören (vgl. insbesondere Urteil Henkel, oben zitiert in Randnr. 23, Randnr. 52, sowie, zu Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94, Urteil vom 29. April 2004 in den Rechtssachen C?468/01 P bis C?472/01 P, Procter & Gamble/HABM, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 36, und Beschluss Glaverbel/HABM, oben zitiert in Randnr. 24, Randnr. 23).

29
Die Tatsache, dass die konkrete Beurteilung der Unterscheidungskraft bestimmter Marken gegebenenfalls größere Schwierigkeiten bereitet, vermag jedoch nicht die Annahme zu rechtfertigen, diese Marken hätten a priori keine Unterscheidungskraft oder könnten diese nur gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 89/104 infolge ihrer Benutzung erwerben.

30
Ebenso wie ein Ausdruck der Umgangssprache kann auch ein verbreiteter Nachname die Herkunftsfunktion der Marke erfüllen und damit Unterscheidungskraft für die betroffenen Waren oder Dienstleistungen besitzen, solange er nicht auf ein anderes Eintragungshindernis als das in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 genannte trifft, wie z. B. den generischen oder beschreibenden Charakter der Marke oder auch das Bestehen eines älteren Rechts.

31
Die Eintragung einer Marke, die aus einem Nachnamen besteht, kann nicht verweigert werden, um zu verhindern, dass dem ersten Antragsteller ein Vorteil verschafft wird, denn die Richtlinie 89/104 enthält keinerlei dahin gehende Bestimmungen, zu welcher Kategorie die angemeldete Marke im Übrigen auch gehört.

32
Auf jeden Fall hat der Umstand, dass Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 Dritten erlaubt, ihren Namen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, keine Auswirkung auf die Beurteilung des Vorliegens der Unterscheidungskraft der Marke, die gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 zu erfolgen hat.

33
Denn Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 beschränkt allgemein das Recht aus der Marke nach ihrer Eintragung, d. h., nachdem festgestellt worden ist, dass die Marke Unterscheidungskraft hat, zugunsten der Unternehmer mit einem der eingetragenen Marke gleichen oder ähnlichen Namen. Er kann folglich nicht zur konkreten Beurteilung der Unterscheidungskraft der Marke vor deren Eintragung herangezogen werden.

34
Auf die ersten vier Fragen ist daher zu antworten, dass im Rahmen von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 die Beurteilung des Vorliegens oder Fehlens der Unterscheidungskraft einer aus einem Nachnamen bestehenden Marke, auch wenn dieser Name verbreitet ist, konkret anhand der Kriterien zu erfolgen hat, die auf alle in Artikel 2 der Richtlinie genannten Zeichen anwendbar sind, also zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, und zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise. Der Umstand, dass die Wirkungen der Markeneintragung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 beschränkt sind, hat keine Auswirkung auf diese Beurteilung.

Zur fünften Frage

35
Die fünfte Frage ist nur für den Fall gestellt worden, dass die vierte Frage bejaht wird. Da diese verneint worden ist, verlangt die fünfte Frage daher keine Antwort.

Kosten

36
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Im Rahmen von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken hat die Beurteilung des Vorliegens oder Fehlens der Unterscheidungskraft einer aus einem Nachnamen bestehenden Marke, auch wenn dieser Name verbreitet ist, konkret anhand der Kriterien zu erfolgen, die auf alle in Artikel 2 der Richtlinie genannten Zeichen anwendbar sind, also zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, und zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise. Der Umstand, dass die Wirkungen der Markeneintragung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/104 beschränkt sind, hat keine Auswirkung auf diese Beurteilung.

Unterschriften

1 – Verfahrenssprache: Englisch.

EuGH Volltext

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