EuGH: Adidas ./. Fitnessworld

EuGH, Urteil vom 23.10.2003 – C-408/01 – Adidas ./. Fitnessworld
Richtlinie 89/ 104/ EWG – Artikel 5 Absatz 2 – Bekannte Marken – Schutz gegen die Benutzung eines Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen – Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen – Wirkung auf das Publikum – Als Verzierung wahrgenommenes Zeichen

1. Macht ein Mitgliedstaat von der ihm durch Artikel 5 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/ 104/ EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, so muss er den besonderen Schutz, der bei der Benutzung einer mit der bekannten eingetragenen Marke identischen oder ihr ähnlichen jüngeren Marke oder eines solchen jüngeren Zeichens durch einen Dritten in Rede steht, sowohl für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen als auch für Waren oder Dienstleistungen vorsehen, die mit denjenigen, die von der eingetragenen Marke erfasst werden, identisch oder ihnen ähnlich sind.

2. Der durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 89/ 104 gewährte Schutz setzt nicht voraus, dass zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen ein Grad der Ähnlichkeit festgestellt wird, der so hoch ist, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden besteht. Es genügt, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen.

3. Dass ein Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen als Verzierung aufgefasst wird, steht für sich genommen dem durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 89/ 104 gewährten Schutz nicht entgegen, wenn der Grad der Ähnlichkeit doch so hoch ist, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen. Fassen diese Verkehrskreise das Zeichen nach der Tatsachenwürdigung durch das nationale Gericht hingegen nur als Verzierung auf, so stellen sie naturgemäß keine gedankliche Verknüpfung mit der eingetragenen Marke her, so dass damit eine der Voraussetzungen für den durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gewährten Schutz nicht gegeben ist.

In der Rechtssache C-408/ 01 betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit Adidas-Salomon AG, früher Adidas AG, und Adidas Benelux BV gegen Fitnessworld Trading Ltd vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 5 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/ 104/ EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 1989, L 40, S. 1) erlässt DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, des Richters C. Gulmann (Berichterstatter), der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues, Generalanwalt: F. G. Jacobs, Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin, unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen – der Adidas-Salomon AG und der Adidas Benelux BV, vertreten durch C. Gielen, advocaat, – der Fitnessworld Trading Ltd, vertreten durch J. J. Brinkhof und D. J. G. Visser, advocaten, – der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte, – der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. J. A. Amodeo als Bevollmächtigte im Beistand von M. Tappin, Barrister, – der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. M. H. Speyart und N. B. Rasmussen als Bevollmächtigte, aufgrund des Sitzungsberichts, nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Adidas-Salomon AG und der Adidas Benelux BV, vertreten durch C. Gielen, der Fitnessworld Trading Ltd, vertreten durch D. J. G. Visser, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von M. Tappin, und der Kommission, vertreten durch N. B. Rasmussen im Beistand von F. Tuytschaever, advocaat, in der Sitzung vom 3. April 2003, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2003 folgendes Urteil (1):

1. Mit Urteil vom 12. Oktober 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Oktober 2001, hat der Hoge Raad der Nederlanden gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 5 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/ 104/ EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Adidas-Salomon AG und der Adidas Benelux BV einerseits und der Fitnessworld Trading Ltd (im Folgenden: Fitnessworld) andererseits über die Vermarktung von Sportkleidung durch Fitnessworld.

Rechtlicher Rahmen

3. Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Richtlinie bestimmt: (1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist; b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. (2) Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

4. Artikel 13 Abschnitt A Nummer 1 Buchstaben b und c des Einheitlichen Benelux-Markengesetzes, der die Umsetzung des Artikels 5 Absätze 1 und 2 der Richtlinie in Benelux-Recht bezweckt, sieht vor: Unbeschadet der Anwendbarkeit des allgemeinen Rechts der unerlaubten Handlungen gewährt das ausschließliche Recht an der Marke dem Markeninhaber die Befugnis, sich zu widersetzen: … b) jeder Benutzung der Marke oder eines ihr ähnlichen Zeichens im geschäftlichen Verkehr für die Waren, für die die Marke eingetragen ist, oder für ähnliche Waren, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung bringt; c) jeder ohne rechtfertigenden Grund im geschäftlichen Verkehr erfolgenden Benutzung einer im Benelux-Gebiet bekannten Marke oder eines ihr ähnlichen Zeichens für Waren, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn die Benutzung dieses Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Das Ausgangsverfahren

5. Die Adidas-Salomon AG mit Sitz in Deutschland ist Inhaberin einer Bildmarke, die beim Benelux-Markenamt für bestimmte Kleidungsarten eingetragen ist. Diese Marke besteht aus einem Motiv aus drei vertikalen, parallel verlaufenden und stark auffallenden Streifen derselben Breite, die an der Seitenkante und über die gesamte Länge des Kleidungsstücks verlaufen. Das Motiv kann in verschiedenen Größen und in verschiedenen Farbzusammenstellungen mit der Maßgabe ausgeführt werden, dass es immer mit der Grundfarbe des Kleidungsstücks kontrastiert.

6. Für diese Marke wurde für die Benelux-Länder eine ausschließliche Lizenz an die Adidas Benelux BV mit Sitz in den Niederlanden erteilt.

7. Fitnessworld mit Sitz im Vereinigten Königreich vertreibt Sportkleidung unter dem Namen Perfetto. Einige der betreffenden Kleidungsstücke sind mit einem Motiv aus zwei parallel verlaufenden Streifen derselben Breite versehen, die mit der Hauptfarbe kontrastieren und auf den Seitennähten der Kleidung angebracht sind.

8. Zwischen der Adidas-Salomon AG und der Adidas Benelux BV einerseits (gemeinsam im Folgenden: Adidas) und Fitnessworld andererseits ist beim Hoge Raad der Nederlanden ein Rechtsstreit über den Vertrieb der Perfetto-Kleidung durch Fitnessworld in den Niederlanden anhängig.

9. Adidas macht geltend, dass dieser Vertrieb von Kleidung, die zwei Streifen trage, eine Verwechslungsgefahr beim Publikum hervorrufe, da es die betreffenden Kleidungsstücke gedanklich mit Sport- und Freizeitkleidung der Marke Adidas in Verbindung bringen könnte, die drei Streifen trage. Fitnessworld mache sich so die Wertschätzung der Marke Adidas zunutze. Die Exklusivität dieser Marke könne Schaden nehmen.

10. Nach Ansicht des Hoge Raad ist zu prüfen, ob die Bezugnahme auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie und in Artikel 13 Abschnitt A Nummer 1 Buchstabe c des Einheitlichen Benelux-Markengesetzes als Beschränkung gemeint ist, d. h. in dem Sinne, dass die betreffenden Vorschriften bei der Benutzung eines Zeichens für ähnliche Waren oder Dienstleistungen nicht anwendbar sind, oder ob diese Bezugnahme nur betonen soll, dass diese Vorschriften auch dann anwendbar sind, wenn die Waren oder Dienstleistungen nicht ähnlich sind, so dass diese Vorschriften nicht auf die Fälle der Benutzung des Zeichens für ähnliche Waren beschränkt sind.

11. Für den Fall, dass Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie auf die Benutzung eines Zeichens für ähnliche Waren anwendbar sein sollte, fragt sich der Hoge Raad zum einen, ob ein anderer Maßstab als derjenige der Herkunftsverwechslung anzuwenden ist, und zum anderen, ob der Umstand, dass das Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen nur als Verzierung aufgefasst wird, bei der Würdigung des Sachverhalts erheblich ist.

12. Der Hoge Raad der Nederlanden hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. a) Ist Artikel 5 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/ 104/ EWG dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer in einem Mitgliedstaat bekannten Marke aufgrund eines nationalen Gesetzes, in dem diese Bestimmung umgesetzt worden ist, auch gegen die Benutzung der Marke oder eines ihr ähnlichen Zeichens auf die dort beschriebene Art und Weise und unter den dort beschriebenen Umständen für Waren oder Dienstleistungen wehren kann, die mit denen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist? b) Falls Frage 1 a verneint wird: Ist, falls die Bestimmung des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie in einem nationalen Gesetz umgesetzt worden ist, der in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie erwähnte Begriff der Verwechslungsgefahr so auszulegen, dass diese gegeben ist, wenn ein anderer als der Markeninhaber eine bekannte Marke oder ein ihr ähnliches Zeichen auf die in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie beschriebene Art und Weise und unter den dort beschriebenen Umständen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist?

2. Falls Frage 1 a bejaht wird: a) Ist die Frage nach der Ähnlichkeit der Marke und des Zeichens in einem solchen Fall anhand eines anderen Maßstabs als desjenigen der (unmittelbaren oder der mittelbaren) Herkunftsverwechslung zu beurteilen, und wenn ja, anhand welches Maßstabs? b) Welches Gewicht kommt bei der Frage nach der Ähnlichkeit der Marke und des Zeichens dem Umstand zu, dass das beanstandete Zeichen in einem solchen Fall von den beteiligten Verkehrskreisen nur als Verzierung aufgefasst wird?

Zur ersten Frage

Zu Frage 1 a

13. Die Frage 1 a geht dahin, ob Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie, obwohl er nur die Benutzung eines Zeichens durch einen Dritten für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen ausdrücklich erfasst, so auszulegen ist, dass er den Mitgliedstaaten die Befugnis gibt, einen besonderen Schutz einer bekannten eingetragenen Marke vorzusehen, wenn die jüngere Marke oder das jüngere Zeichen mit der eingetragenen Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden soll oder benutzt wird, die mit den Waren oder Dienstleistungen, die von der eingetragenen Marke erfasst werden, identisch oder ihnen ähnlich sind.

14. Nach Eintragung des Vorlagebeschlusses in das Register hat der Gerichtshof diese Frage in seinem Urteil vom 9. Januar 2003 in der Rechtssache C-292/ 00 (Davidoff, Slg. 2003, I-389) bejaht.

15. Unter Berücksichtigung dieser Auslegung und im Hinblick auf eine der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits dienliche Antwort ist die Frage 1 a so zu verstehen, dass auch geklärt werden soll, ob ein Mitgliedstaat den besonderen Schutz, der bei der Benutzung einer mit der bekannten eingetragenen Marke identischen oder ihr ähnlichen jüngeren Marke oder eines solchen jüngeren Zeichens durch einen Dritten in Rede steht, sowohl für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen als auch für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen, die von der eingetragenen Marke erfasst werden, identisch oder ihnen ähnlich sind, vorsehen muss, wenn er von der ihm durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht.

16. Adidas und die Kommission machen geltend, dass dies zu bejahen sei. Nach Ansicht der Kommission ergibt sich dies zwingend aus Randnummer 25 des Urteils Davidoff.

17. Die Regierung des Vereinigten Königreichs schlägt hingegen vor, die Frage zu verneinen. Einem Mitgliedstaat stehe es frei, Bestimmungen zu erlassen, die sich auf den ausdrücklichen Wortlaut des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie beschränkten, d. h. auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen. Er sei nicht verpflichtet, denselben Schutz für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu gewähren. Jedenfalls obliege die Auslegung einer Vorschrift, die Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie umsetze, hinsichtlich der Frage, welchen Schutz ein Mitgliedstaat den Inhabern bekannter Marken habe gewähren wollen, den nationalen Gerichten.

18. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat den Inhabern bekannter Marken einen Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie entsprechenden Schutz einräumen muss, wenn er von der ihm durch diese Bestimmung eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht.

19. Im Urteil Davidoff (Randnrn. 24 und 25) hat der Gerichtshof für seine Auslegung angeführt, dass Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie unter Berücksichtigung der allgemeinen Systematik und der Ziele der Regelung, in die er sich einfügt, keine Auslegung erhalten kann, die zur Folge hätte, dass bekannte Marken im Fall der Benutzung eines Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen in geringerem Maße geschützt wären als im Fall der Benutzung eines Zeichens für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen. Anders ausgedrückt, muss die bekannte Marke, so der Gerichtshof weiter, im Fall der Benutzung eines Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen einen mindestens genauso umfassenden Schutz genießen wie im Fall der Benutzung eines Zeichens für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen (ebenda, Randnr. 26).

20. In Anbetracht dieser Feststellungen muss der Mitgliedstaat bei einer Umsetzung von Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen einen mindestens genauso umfassenden Schutz wie für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen vorsehen. Die Wahlmöglichkeit des Mitgliedstaats erstreckt sich somit darauf, ob bekannte Marken überhaupt stärker geschützt werden sollen, nicht aber darauf, welche Sachverhalte von diesem Schutz erfasst werden sollen, wenn er gewährt wird.

21. Nach ständiger Rechtsprechung muss das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts und insbesondere auch der Gesetzesbestimmungen, die zur Umsetzung einer Richtlinie erlassen werden, seine Auslegung dieses Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten (u. a. Urteile vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/ 83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr. 26, und in der Rechtssache 79/ 83, Harz, Slg. 1984, 1921, Randnr. 26, sowie vom 22. September 1998 in der Rechtssache C-185/ 97, Coote, Slg. 1998, I-5199, Randnr. 18).

22. Auf die Frage 1 a ist folglich zu antworten, dass ein Mitgliedstaat den besonderen Schutz, der bei der Benutzung einer mit der bekannten eingetragenen Marke identischen oder ihr ähnlichen jüngeren Marke oder eines solchen jüngeren Zeichens durch einen Dritten in Rede steht, sowohl für nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen als auch für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen, die von der eingetragenen Marke erfasst werden, identisch oder ihnen ähnlich sind, vorsehen muss, wenn er von der ihm durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht.

Zu Frage 1 b

23. Da die Frage 1 b nur für den Fall der Verneinung der Frage 1 a gestellt worden ist, braucht sie nicht beantwortet zu werden.

Zur zweiten Frage

Zu Frage 2 a

24. Mit seiner Frage 2 a will das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gewährte Schutz voraussetzt, dass zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen ein Grad der Ähnlichkeit festgestellt wird, der so hoch ist, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden besteht.

25. Adidas ist der Ansicht, dass die Feststellung einer Verwechslungsgefahr nicht erforderlich sei. Es genüge, dass das nationale Gericht die Gefahr einer gedanklichen Verbindung aufgrund einer Ähnlichkeit im Optischen, im Klang oder in der Bedeutung zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen feststelle. Auch nach Meinung der Kommission reicht die Gefahr einer gedanklichen Verbindung aus.

26. Fitnessworld trägt hingegen vor, die Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen müsse so groß sein, dass sie bei den beteiligten Verkehrskreisen aufgrund der Gemeinsamkeiten im Optischen, im Klang oder in der Bedeutung zu Verwechslungen führen könne.

27. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie – anders als Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie, der nur dann anwendbar ist, wenn für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht – für bekannte Marken einen Schutz einführt, der nicht voraussetzt, dass eine Verwechslungsgefahr besteht. Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gilt nämlich für Fälle, in denen die spezifische Voraussetzung für den Schutz in einer Benutzung des streitigen Zeichens besteht, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 22. Juni 2000 in der Rechtssache C-425/ 98, Marca Mode, Slg. 2000, I-4861, Randnrn. 34 und 36).

28. Die in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie aufgestellte Voraussetzung einer Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen erfordert insbesondere Gemeinsamkeiten im Optischen, im Klang oder in der Bedeutung (vgl. zu Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie Urteile vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-251/ 95, Sabèl, Slg. 1997, I-6191, Randnr. 23 a. E., und vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C-342/ 97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I-3819, Randnrn. 25 und 27 a. E.).

29. Treten die in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie genannten Beeinträchtigungen auf, so sind sie die Folge eines bestimmten Grades der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen, aufgrund dessen die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen dem Zeichen und der Marke sehen, d. h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln (in diesem Sinne Urteil vom 14. September 1999 in der Rechtssache C-375/ 97, General Motors, Slg. 1999, I-5421, Randnr. 23).

30. Eine solche gedankliche Verknüpfung ist wie eine Verwechslungsgefahr im Rahmen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen (vgl. zur Verwechslungsgefahr die Urteile Sabèl, Randnr. 22, und Marca Mode, Randnr. 40).

31. Auf die Frage 2 a ist folglich zu antworten, dass der durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gewährte Schutz nicht voraussetzt, dass zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen ein Grad der Ähnlichkeit festgestellt wird, der so hoch ist, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden besteht. Es genügt, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen.

Zu Frage 2 b

32. Mit seiner Frage 2 b will das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welches Gewicht bei der Frage nach der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen der Tatsachenwürdigung durch das nationale Gericht zukommt, wonach das streitige Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen nur als Verzierung aufgefasst wird.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

33. Adidas trägt vor, der Umstand, dass ein Zeichen als Verzierung benutzt oder aufgefasst werde, sei für die Anwendbarkeit des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie in Fällen wie dem vom vorlegenden Gericht beschriebenen unerheblich. Da diese Bestimmung es dem Inhaber einer bekannten Marke gestatte, sich der Benutzung jedes seiner Marke ähnlichen Zeichens zu widersetzen, sei nicht erforderlich, dass es sich um ein unterscheidungskräftiges Zeichen handele. Es könne sich um jedes beliebige Zeichen, wie etwa eine Verzierung, handeln.

34. Fitnessworld schlägt vor, auf die Frage zu antworten, dass keinesfalls eine Markenbeeinträchtigung vorliegen könne, wenn ein Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen nur als Verzierung aufgefasst werde.

35. Die niederländische Regierung ist der Ansicht, dass auch die Benutzung eines Zeichens als Verzierung eine bekannte Marke verwässern könne, insbesondere wenn es sich um eine Bildmarke handele.

36. Die Regierung des Vereinigten Königreichs trägt lediglich vor, der Umstand, dass ein Zeichen als bloße Verzierung aufgefasst werde, sei für die Frage, ob dieses Zeichen der bekannten Marke ähnele, unerheblich.

37. Nach Ansicht der Kommission geht es in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie um den Schutz gegen die Benutzung eines Zeichens, das der bekannten Marke so sehr ähnele, dass diese Benutzung die Gefahr der Verwässerung oder einer Schädigung des guten Rufes der Marke in sich berge. In der Praxis sei es kaum vorstellbar, dass ein Zeichen, das eine solche Ähnlichkeit mit einer bekannten Marke aufweise, als bloße Verzierung betrachtet werden könne. Umgekehrt könne eine bloße Verzierung einer bekannten Marke begriffsnotwendig nicht ähnlich im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie sein.

Antwort des Gerichtshofes

38. Aus der Antwort auf die Frage 2 a ergibt sich, dass eine der Voraussetzungen für den durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gewährten Schutz darin besteht, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen.

39. Dass ein Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen als Verzierung aufgefasst wird, steht für sich genommen dem durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gewährten Schutz nicht entgegen, wenn der Grad der Ähnlichkeit doch so hoch ist, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen.

40. Fassen die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen nach der Tatsachenwürdigung durch das nationale Gericht hingegen nur als Verzierung auf, so stellen sie naturgemäß keine gedankliche Verknüpfung mit der eingetragenen Marke her. Der Grad der Ähnlichkeit zwischen dem Zeichen und der Marke ist dann also nicht hoch genug, um zu einer solchen Verknüpfung zu führen.

41. Auf die Frage 2 b ist folglich zu antworten, dass der Umstand, dass ein Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen als Verzierung aufgefasst wird, für sich genommen dem durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gewährten Schutz nicht entgegensteht, wenn der Grad der Ähnlichkeit doch so hoch ist, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen. Fassen diese Verkehrskreise das Zeichen nach der Tatsachenwürdigung durch das nationale Gericht hingegen nur als Verzierung auf, so stellen sie naturgemäß keine gedankliche Verknüpfung mit der eingetragenen Marke her, so dass damit eine der Voraussetzungen für den durch Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie gewährten Schutz nicht gegeben ist.

Kosten

42. Die Auslagen der niederländischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

1: Verfahrenssprache: Niederländisch.

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