BPatG: „ZVS Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ Kombination aus Abkürzung und beschreibender Angabe als Marke nicht schutzfähig Beschluss vom 10.01.2012 – 27 W (pat) 114/11

Die Abkürzung einer nicht unterscheidungskräftigen und/oder beschreibenden Angabe ist schutzunfähig, wenn der abgekürzte Langtext ebenfalls in der Marke enthalten ist.

BPatG, Beschluss vom 10.01.2012 – 27 W (pat) 114/11ZVS Zertifizierter Vorsorge-Spezialist
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 002 109

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. Januar 2012 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner

beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Markenstelle hat die Anmeldung der Wortmarke 30 2010 002 109

ZVS Zertifizierter Vorsorge-Spezialist

mit Beschluss vom 11. August 2010 teilweise, und zwar u. a. für die Waren und Dienstleistungen

„Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Bücher; Druckereierzeugnisse; Handbücher; Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Schriften [Veröffentlichungen]; Zeitschriften;

Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Bankgeschäfte; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Dienstleistungen eines Wertpapiermaklers; Erteilung von Auskünften in Versicherungsangelegenheiten; Erteilung von Finanzauskünften; Feuerversicherungswesen; Finanzanalysen; finanzielle Beratung; Finanzierungen; Finanzierungsberatung (Kreditberatung); Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienvermittlung; Kreditvermittlung; Lebensversicherungswesen; Unfallversicherungswesen; Vergabe von Darlehen; Vermittlung von Vermögensanlagen in Fonds; Vermittlung von Versicherungen; Versicherungsberatung;

Ausbildung; Fortbildung; Aus- und Fortbildungsberatung; Coaching; Unterricht; Fernkurse; Fernunterricht; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Personalentwicklung durch Aus- und Fortbildung; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Veranstaltung undDurchführung von Seminaren; Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Veröffentlichung von Büchern“

mangels Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 19. August 2010 zugestellt wurde, hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 16. September 2010, der am selben Tag vorab per Telefax beim Deutschen Patent- und Markenamt einging, Erinnerung eingelegt.

Diese Erinnerung hat die Markenstelle teilweise, nämlich für die o. g. Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen.

Das ist damit begründet, der Zeichenbestandteil „ZVS“, der isoliert betrachtet unterscheidungskräftig sein dürfte, mache das Gesamtzeichen nicht unterscheidungskräftig im Sinn eines betrieblichen Herkunftshinweises. Der weitere Zeichenbestandteil, die Wortfolge „Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ sei nämlich für sich genommen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als schutzunfähig anzusehen. Dies habe auch die Anmelderin nicht in Abrede gestellt. Durch die unmittelbare Vorausstellung der Buchstabenkombination ZVS vor die Wortfolge „Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ sei für das Publikum ohne analysierende Betrachtung erkennbar, dass das Kürzel ZVS aus den Anfangsbuchstaben der folgenden Wörter des Zeichens zusammengesetzt sei. ZVS hebe sich nicht gestalterisch vom restlichen Zeichen ab. Es trete aus dem Gesamtzeichen auch nicht in einer Weise hervor, die von der bloßen Abkürzungsfunktion ablenken könnte.

Akronyme, die ersichtlich nur die Abkürzung nicht unterscheidungskräftiger Zeichenbestandteile seien, begründeten keine Unterscheidungskraft des Gesamtzeichens. Das Gesamtzeichen erschöpfe sich in einer Kombination aus einer rein beschreibenden Angabe mit ihrer Abkürzung, wobei die Einzelbestandteile erläuternd aufeinander bezogen seien (BGH Mitt. 2008, 417 – IDW; nachfolgend BPatG GRUR 2010, 437; vgl. auch BPatG, 33 W (pat) 3/05, 16. März 2007 – TRM Tenant Relocations Management; BPatG, 27 W (pat)7/09, 30. März 2009 – BEST Betriebswirtschaftliches ErgänzungsSTudium; BPatG, 27 W (pat) 542/10, 27. Juli 2010 – Akademie der Ingenieure Akadlng).

Soweit die Anmelderin sich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbarer Drittmarken berufe, ändere dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für das vorliegend zu beurteilende Zeichen.

Der Verweis der Anmelderin auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs zu „BEKA Robusta“ (GRUR 1983, 243) gehe fehl, weil die Schutzfähigkeit des Markenbestandteils BEKA allein aufgrund einer Verkehrsdurchsetzung angenommen worden sei und so kein vergleichbarer Sachverhalt vorliege. Im vorliegenden Verfahren sei eine Verkehrsdurchsetzung des Zeichenbestandteils ZVS nicht behauptet und nicht ersichtlich.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie trägt vor, aus mehreren Elementen gebildete Kombinationszeichen seien schutzfähig, wenn zumindest ein Element für sich betrachtet schutzfähig sei und dieses im Gesamtzeichen nicht untergehe (vgl. BGH GRUR 1983, 243, 245 – BEKA Robusta; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 8 Rn. 55). Hier sei der Bestandteil ZVS als solcher unterscheidungskräftig. Durch ihn erlange auch die Gesamtbezeichnung Unterscheidungskraft.

ZVS gehe im Gesamtzeichen „ZVS Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ nicht unter; ZVS dominiere das Gesamtzeichen sogar aufgrund seiner exponierten Stellung am Zeichenanfang.

Das Amt verweise zur Begründung seiner Auffassung auf die Entscheidung TRM Tenant Relocation Management des BPatG, Az.: 33 W (pat) 3/05. Dabei verkenne das Amt, dass das Publikum an die Bezeichnung „TRM“ als Abkürzung für „Tenant Relocation Management“ nachweislich gewöhnt gewesen sei.

Eine solche Gewöhnung sei – wie das Amt selbst festgestellt habe – vorliegend nicht gegeben. Mit Ausnahme einiger eigener Veröffentlichungen der Anmelderin finde sich die Bezeichnung ZVS nirgends.

Vor diesem Hintergrund bewirke das Hinzufügen der ausgeschriebenen Wörter „Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ innerhalb des Anmeldezeichens nicht den Wegfall der originären Unterscheidungskraft der Buchstabenfolge ZVS. Der 33. Senat habe zu TRM die Rechtsbeschwerde zugelassen, welche die dortige Anmelderin allerdings nicht eingelegt habe.

Das Amt habe es zudem versäumt, sich mit den Entscheidungen zu IBA Internationales Biographisches Archiv, Az.: 29 W (pat) 189/88, sowie VISUAL KNITTING SYSTEM VKS, Az.: 32 W (pat) 33/96, auseinander zu setzen.

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG stehe dem angemeldeten Wortzeichen ebenfalls nicht entgegen, da die Bezeichnung „ZVS Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eben nicht rein beschreibend sei.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle insoweit aufzuheben, als sie die Anmeldung zurückweisen, und die Marke für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen einzutragen.

II.
Über die Beschwerde kann, nachdem die Anmelderin keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, ohne eine solche entschieden werden.

1) Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

a) Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer.

b) § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).

Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 – Windsurfing Chiemsee; GRUR Int. 2003, 632, Rn. 73 – Linde).

c) Auch die Abkürzung einer nicht unterscheidungskräftigen und/oder beschreibenden Angabe kann schutzunfähig sein, vor allem wenn der nicht unterscheidungskräftige und/oder beschreibende Langtext ebenfalls in der Marke enthalten ist (BPatG, Beschluss vom 16. Mai 2007, Az.: 33 W (pat) 3/05, MarkenR 2007, 519 – TRM Tenant Relocation Management; offen lassend BPatG, Beschluss vom 5. Mai 2005, Az.: 24 W (pat) 51/08, BeckRS 2009, 17276 – CLIMA Climate Life Investment Management Advisor).

Dies gilt nicht nur, wenn die Abkürzung und die Angabe durch Klammern aufeinander bezogen sind, wie bei „Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar“ (BPatG, Beschluss vom 31. März 2010, Az.: 26 W (pat) 76/09, BeckRS 2010, 16281). Ebenfalls ist es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit unerheblich, ob ein Markenbestandteil mit einer bestimmten (beschreibenden) Bedeutung als Abkürzung schon benutzt wird, soweit deren Bedeutungsgehalt dem Publikum erkennbar ist. Aufgrund der nachgestellten Wortfolge liegt es hier auf der Hand, ohne jede analysierende Betrachtung den Markenteil ZVS als bloße Abkürzung der ausgeschriebenen Worte (wieder-)zuerkennen. Damit wiederholt der Bestandteil ZVS aber für das Publikum verständlich nur den (beschreibenden) Sinngehalt der weiteren Markenbestandteile, so dass er bei der Frage der Schutzfähigkeit nicht anders beurteilt werden kann als diese Wortfolge. Die Gesamtmarke erschöpft sich in ihrer Kombination aus einer rein beschreibenden Angabe mit ihrem Kürzel, wobei ihre Einzelbestandteile erläuternd aufeinander bezogen sind. Auch der Bundesgerichtshof hat in der IDW-Entscheidung (Mitt. 2008, 417; nachfolgend BPatG, GRUR 2010, 437 – IDW) eine Beziehung von Wortzusammenstellungen und Akronymen anerkannt. Eine isolierte Betrachtungsweise der Abkürzung zur Beurteilung der Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens ist nicht angezeigt, da die Hinzufügung der Sachangabe dazu führt, dass die Buchstabenfolge als beschreibende Angabe erkennbar wird (BGH GRUR 2008, 719, 722 – idw Informationsdienst Wissenschaft; BPatG MarkenR 2007, 519 – TRM; OLG Köln MarkenR 2008, 59 – BSW).

2) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.

3) Die zu AkadIng zugelassene Rechtsbeschwerde (BPatG, Beschluss vom 27. Juli 2010, Az.: 27 W (pat) 542/10 – AkadIng) wurde nicht eingelegt. Nach wie vor ist damit die Frage offen, ob in solchen Fällen der Grundsatz gilt, dass die Gesamtheit einer Marke Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung ist, oder der gefestigte Grundsatz, dass die Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entfallen, wenn die betreffende Marke neben schutzunfähigen auch mindestens einen schutzfähigen Bestandteil aufweist, sofern dieser, ohne das Gesamtzeichen dominieren zu können, noch als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis erkannt werden kann. So hat der 29. Senat des Bundespatentgerichts (GRUR 1989, 513 – IBA) eine Marke als schutzfähig angesehen, die als Wort-/Bildmarke den in großer Schrift gedruckten Bestandteil „IBA“ mit dem daneben befindlichen bzw. nachgestellten Wortbestandteil „Internationales Biographisches Archiv“ enthielt (angemeldet u. a. für Dienstleistungen eines Medien-Archivs). In einer weiteren Entscheidung hat der 32. Senat des Bundespatentgerichts die Wortmarke „VISUAL KNITTING SYSTEM VKS“ (u. a. für Textilmaschinen, Steuerungsgeräte und -programme hierfür) wegen des nicht als Fachabkürzung feststellbaren Buchstabenbestandteils „VKS“ als schutzfähig angesehen (Beschluss vom 22. Januar 1997, Az.: 32 W (pat) 33/96). Der 33. Senat hat diese Frage dem EuGH vorgelegt (GRUR 2011, 524 und 527 – MMF bzw. NAI). Zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung erscheint demnach auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs geboten.

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