BPatG: „Tortellini“ nicht als Marke für Süsswaren schutzfähig

Das Bundespatentgericht (BPatG) hat in zwei Beschlüssen die Zurückweisung der Markenanmeldungen „Tortellini“ (BPatG, Beschluss vom 13.10.2009 – 25 W (pat) 22/09) und „Ravioli“ (BPatG, Beschluss vom 13.10.2009 – 25 W (pat) 23/09) für „Fruchtgummi, Weingummi, Schaumgummi, Zuckerwaren, Lakritz (nicht für medizinische Zwecke)“ wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) bestätigt.

Das BPatG führte in der Entscheidung „Tortellini“ aus:

Das Zeichen „Tortellini“ bezeichnet die Form der Waren, für die die angemeldete Marke registriert werden soll. „Tortellini“ bezeichnet eine Grundform von Teigwaren, und zwar ringförmige Teigwaren, gefüllt mit einer Mischung aus Gemüse, Fleisch oder (Parmesan-)Käse. In diesem Sinne ist diese Bezeichnung auch in Deutschland dem Verkehr allgemein bekannt. Vor diesem Hintergrund wird der Verkehr die Bezeichnung „Tortellini“ in erster Linie als Hinweis auf die Form der angebotenen Süßwaren verstehen, die sich in die üblichen Gestaltungsformen für Süßwaren einreiht. Ob die Beschwerdeführerin gegenwärtig als einzige diese Form für die von ihr vertriebenen Süßwaren gewählt hat, ändert nichts daran, dass der Verkehr in der Bezeichnung „Tortellini“ lediglich einen beschreibenden Hinweis auf die Form dieser Waren sehen wird.

BPatG, Beschluss vom 13.10.2009 – 25 W (pat) 22/09Tortellini
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


betreffend die Markenanmeldung 306 01 766

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2009 unter Mitwirkung der Richterin Bayer als Vorsitzende, des Richters Merzbach und des Richters k.A. Metternich

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e

I .
Die am 11. Januar 2006 eingereichte Markenanmeldung 306 01 766

Tortellini

für „Fruchtgummi, Weingummi, Schaumgummi, Zuckerwaren, Lakritz (nicht für medizinische Zwecke)“

ist nach entsprechender Beanstandung durch zwei Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Januar 2007 und vom 25. Oktober 2007, von denen der Letztgenannte im Erinnerungsverfahren erging, zurückgewiesen worden.

Die Markenstelle ist der Auffassung, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die Bezeichnung „Tortellini“ stehe für eine italienische Nudelspezialität, die eine charakteristische Form mit hohem Wiedererkennungswert aufweise, wobei gerade im Süßwarenbereich eine Vielfalt an Formen feststellbar sei. Es handele sich hierbei um einen beschreibenden Hinweis auf die besondere Form und Aussehen der beanspruchten Waren, der sich in dieser Bedeutung für den durchschnittlichen, verständigen Verbraucher ohne weiteres erschließe. Der Gedanke an einen ganz bestimmten Geschäftsbetrieb trete hierbei hinter der Vorstellung zurück, dass es sich um eine reine Sachangabe in dem dargelegten Sinne handele.

Hiergegen richtet sich die von der Markenanmelderin am 4. Dezember 2007 erhobene Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Januar 2007 und vom 25. Oktober 2007 aufzuheben.

Sie ist der Auffassung, dass die angemeldete Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise. Ihr könne im Hinblick auf die beanspruchten Waren kein im Vordergrund stehender Begriffsinhalt zugeordnet werden und es handele sich auch nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer gebräuchlichen Fremdsprache, das vom angesprochenen Verkehrskreis nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werde. Die Markenstelle habe die Wertung, es handele sich um eine rein beschreibende Angabe rein abstrakt ohne Rücksicht auf die beanspruchten Waren getroffen. Entscheidend sei, dass es sich bei „Tortellini“ um ringförmige, mit Fleisch, Käse oder Gemüse gefüllte Teigwaren handele. Die Beschwerdeführerin beanspruche die Eintragung der angemeldeten Marke aber gerade nicht für Teigwaren, sondern für Süßwaren. Zwischen diesen Waren bestünden erhebliche Unterschiede, so dass sie keine annähernde Ähnlichkeit aufwiesen, zumal Süßwaren regelmäßig an anderen Verkaufsstellen, aber jedenfalls örtlich getrennt von Teigwaren verkauft würden. Diese Unterschiede seien für den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher ohne weiteres erkennbar. Zwar weise der Süßwarensektor eine große Formenvielfalt auf. Es könne aber weder festgestellt werden, dass andere Süßwarenhersteller eine annähernd einer Tortellini vergleichbare Form gewählt hätten, noch dass Teigwarenbezeichnungen gewöhnlich für die Benennung von Süßwaren Verwendung fänden. Speziell für Süßwaren sei die Bezeichnung „Tortellini“ daher originell, einprägsam und besitze einen hohen Wiedererkennungswert. Auch sei der Bezeichnung „Maccaroni“ in der Entscheidung 32 W (pat) 265/00 Unterscheidungskraft zugesprochen worden. Aus diesen Gründen erschöpfe sich die angemeldete Marke auch nicht in einer freihaltebedürftigen Angabe, so dass das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ebenfalls nicht gegeben sei. Der Begriff „Tortellini“ habe mit Blick auf die beanspruchten Waren weder für den Warenverkehr wichtige und für den Abnehmerkreis bedeutsame Inhalte, noch werde er im Süßwarenbereich in Zukunft eine Verwendung als Sachangabe erfahren.

Für den Fall der Zurückweisung ihrer Beschwerde regt die Beschwerdeführerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die angemeldete Bezeichnung „Tortellini“ verfügt für die beanspruchten Waren aus den von der Markenstelle eingehend dargelegten, zutreffenden Gründen bereits nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 – „Cityservice“; GRUR 2004, 683, 684 – „Farbige Arzneimittelkapsel“; GRUR 2006, 850, 854 -Tz. 18 – „FUSSBALL WM 2006“; EuGH GRUR 2004, 674 – „Postkantoor“). Es muss also eine Kennzeichnungskraft mit der Eignung zur Ausübung der Herkunftsfunktion verbunden sein, auch wenn eine Marke zusätzlich noch weitere Funktionen haben kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 42). Nur soweit ein Zeichen zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignet ist, besteht eine Rechtfertigung dafür, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, dass die betreffende Angabe der ungehinderten Verwendung vorenthalten und zugunsten eines einzelnen monopolisiert wird (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604, 607 Tz. 51 – „Libertel“; GRUR 2004, 674, 677 Tz. 68 – „Postkantoor“). Ausgehend davon ist nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH wie auch des BGH Unterscheidungskraft nicht nur solchen Angaben abzusprechen, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren und Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen; vielmehr kann diese auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 – „Postkantoor“; GRUR 2004, 680 – „Biomild“).

Das Zeichen „Tortellini“ bezeichnet die Form der Waren, für die die angemeldete Marke registriert werden soll. Süßwaren weisen eine erhebliche Formenvielfalt auf. Dazu gehören auch Formen von Lebens- und Nahrungsmitteln aus anderen Bereichen wie Backwaren (z. B. Brezeln), Beilagen (Fritten) und auch Teigwaren (Spaghetti), wie dies die in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2009 an die Vertreter der Beschwerdeführerin übergebenen Warenabbildungen zeigen. „Tortellini“ bezeichnet eine Grundform von Teigwaren, und zwar ringförmige Teigwaren, gefüllt mit einer Mischung aus Gemüse, Fleisch oder (Parmesan-)Käse. In diesem Sinne ist diese Bezeichnung auch in Deutschland dem Verkehr allgemein bekannt. Vor diesem Hintergrund wird der Verkehr die Bezeichnung „Tortellini“ in erster Linie als Hinweis auf die Form der angebotenen Süßwaren verstehen, die sich in die üblichen Gestaltungsformen für Süßwaren einreiht. Ob die Beschwerdeführerin gegenwärtig als einzige diese Form für die von ihr vertriebenen Süßwaren gewählt hat, ändert nichts daran, dass der Verkehr in der Bezeichnung „Tortellini“ lediglich einen beschreibenden Hinweis auf die Form dieser Waren sehen wird.

Die so beschriebene Warenform weist auch für sich gesehen keine Unterscheidungskraft auf, die dazu führen würde, dass die Bezeichnung dieser Form nicht lediglich beschreibend aufgefasst würde. Bei der Frage der Unterscheidungskraft von Markenanmeldungen, die aus der (oft dreidimensionalen) Abbildung einer Warenform bestehen, ist davon auszugehen, dass die Form einer Ware zunächst nur als funktionelle oder ästhetische Gestaltung und gerade nicht als Hinweis auf den betrieblichen Ursprung der Ware aufgefasst wird (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdnr. 193). Die erforderliche Herkunftsfunktion vermag eine solche Marke nur dann erfüllen, wenn sie von Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweicht. Bei Lebens-, Genuss- und Arzneimitteln, die regelmäßig in bestimmten Grundformen produziert und vertrieben werden, kann eine sich von solchen Grundformen erheblich unterscheidende Produktgestaltung im Einzelfall ggf. als betrieblicher Herkunftshinweis bewertet werden (vgl. BGH GRUR 2004, 329, 330 Käse in Blütenform). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in einzelnen Lebensmittelbereichen eine erhebliche Formenvielfalt existieren kann, von der sich die angemeldete Marke deutlich unterscheiden muss (vgl. EuG GRUR Int 2003, 944, 946 Zigarrenform; HABM-BK GRUR-RR 2005, 187, 188 Schirmchenform für den Bereich der Süßwaren). Dies ist bei der vorliegenden Warenform nicht der Fall. Stellt die Rechtsprechung an die Unterscheidungskraft von Markenanmeldungen, die die Warenform selbst zum Gegenstand haben, diese Anforderungen, so wäre es ein Wertungswiderspruch, würde man die Unterscheidungskraft in Bezug auf die als Marke angemeldete Bezeichnung von schutzunfähigen Grundformen solcher Waren bejahen, soweit diese, wie ausgeführt, einen entsprechend beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren aufweisen.

Auch die Entscheidung 32 W (pat) 265/00 führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann ein Anmelder aus der Eintragung vergleichbarer oder identischer Marken keinen Anspruch auf Eintragung auch seiner Anmeldung in das Markenregister herleiten. Voreintragungen selbst identischer Marken führen weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung der über die Eintragung entscheidenden Stellen, da es sich dabei nicht um eine Ermessens-, sondern um eine Rechtsfrage handelt (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201, 203 Tz. 15 -19 „Schwabenpost/Volks.Handy“; vgl. auch BPatG BlPMZ 2007, 236 – „CASHFLOW“; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 26 -28).

Aufgrund der vorgenannten Feststellungen bestehen auch erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das angemeldete Zeichen in Bezug auf die hier beanspruchten Waren eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt, an der die Mitbewerber ein berechtigtes Freihaltungsbedürfnis haben. Im Hinblick darauf, dass das Zeichen bereits keine ursprüngliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist, kann dies aber letztlich dahingestellt bleiben.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

Der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es hier nicht (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Der Senat geht, wie dargelegt, von der bereits bestehenden Rechtsprechung zur Frage der Unterscheidungskraft im Zusammenhang mit beschreibenden Angaben bzw. Angaben mit einem beschreibenden Bezug insbesondere auch mit Blick auf Warenformen aus und berücksichtigt die konkrete Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, so dass hier keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Es handelt sich hierbei auch um Rechtsprechung insbesondere des EuGH und des BGH, die nach der Entscheidung 32 W (pat) 265/00 ergangen ist, so dass auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

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