BPatG: Halloween – Kein Markenschutz für das Wort Halloween Beschluss vom 21.12.2005 – 28 W (pat) 193/04

Aus dem Archiv des Bundespatentgerichts: Löschungsantrag gegen die Schutzerstreckung der IR-Marke „Halloween“ für Lebensmittel ist erfolgreich, weil das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 115 Abs. 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) bereits 1997 aufgrund umfangreicher Nachweise zur „Bekanntheit“ dieses Festes in Deutschland bestand.

Festtage wie Weihnachten und Ostern, Feiertage wie der Maifeiertag, Karfreitag oder der Tag der Deutschen Einheit, Brauchtümer wie Fasching und Kirchweih dürfen nicht für Waren im Lebensmittelbereich monopolisiert werden. Ein solches Freihaltebedürfnis besteht aber auch an weniger bekannten, derzeit vielleicht ungebräuchlichen und nur regional wichtigen Brauchtümern.

BPatG, Beschluss vom 21.12.2005 – 28 W (pat) 193/04HALLOWEEN
MarkenG §§ 115 I, 50 I Nr. 3, 8 II Nr. 2

BESCHLUSS

Verkündet am 21. Dezember 2005

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke IR 166 925

hier: Löschungsverfahren S. 74/03

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzende Richters Stoppel, des Richters Paetzold und der Richterin Schwarz-Angele

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung für Klasse 3.4. vom 7. Mai 2004 aufgehoben.

Der IR Marke IR 662 342 wird der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland entzogen.

Gründe
I.
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der IR Marke 662 342

Halloween

deren Schutz auf Deutschland am 15. Mai 1997 für folgende Waren erstreckt worden ist:

29 Viande et extraits de viande, poisson, volaille, gibier; fruits et légumes conserves, séchés et cuits; gelées, confitures, compotes; reufs, lait et produits laitiers; huiles et graisses comestibles; plats préparés (ou cuisinés) à base de légumes ou de viande; conserves de viande, poisson, volaille et gibier; charcuterie; boissons lactées où le lait prédomine.
30 Café, succédanés du café, thé, cacao, sucre; riz, tapioca, sagou; farines; préparations faites de céréales, pain, pâtisserie, levure et poudre pour faire lever; confiserie, glaces comestibles; miel, sirop de mélasse; sel; moutarde; vinaigre; sauces (condiments); épices; glace à rafraîchir; boissons à base de café, thé, cacao et chocolat.
32 Boissons non alcooliques et préparations pour faire des boissons (à l’exception de celles à base de café, de thé ou de cacao et des boissons lactées); bières; eaux minérales et gazeuses; boissons de fruits et jus de fruits; sirops.
33 Boissons alcooliques (à l’exception des bières).

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 25. März 2003 die Löschung der Marken beantragt, denn der Schutzerstreckung stünden die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft und des Freihaltebedürfnisses entgegen. Das Fest Halloween erfreue sich seit langem in den USA großer Beliebtheit und es sei auch in Deutschland zum Zeitpunkt der Schutzerstreckung 1997 aufgrund amerikanischer Fernsehserien und Comics bekannt gewesen. An Halloween würden häufig Partys gefeiert, womit dieses Wort für Lebensmittel und Getränke nicht geschützt werden könne. Angesichts des erheblichen Freihalteinteresses genüge die geringfügige grafische Ausgestaltung nicht, um der Marke eine Eigentümlichkeit zu verleihen.

Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen. Sie bestreitet den Sachvortrag mit Nichtwissen und meint, der Brauch habe sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt. Im Übrigen fehle es am ausreichenden Sachbezug zu den Waren.

Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, zwar sei nach heutigen Erkenntnissen das Wort Halloween für die Waren beschreibend, im Jahr 1997 jedoch sei dieses Fest nur vereinzelt in Deutschland bekannt gewesen und gefeiert worden. Somit sei nicht nachgewiesen, dass der Verbraucher bereits damals bei entsprechend gekennzeichneten Waren an dieses Brauchtum gedacht hätte. Infolgedessen könne die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Ausführungen zum Freihaltebedürfnis macht der Beschluss nicht.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie verweist nochmals auf die bereits vorgelegten Fundstellen und reicht weitere Veröffentlichungen aus der Zeit vor 1997 nach, die sich mit dem Fest Halloween befassen.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den patentamtlichen Beschluss und auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§ 66 Abs. 1 MarkenG) und in der Sache begründet. Der Schutz der streitgegenständlichen Marke ist zu Unrecht erstreckt worden, denn es bestand bereits 1997 das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 115 Abs. 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

Zutreffend ist die Markenabteilung davon ausgegangen, dass der Entzug eines Markenrechts nur möglich ist, wenn feststeht, dass die Schutzhindernisse nicht nur zum Zeitpunkt der Entscheidung, sondern bereits bei der Eintragung bzw. Schutzerstreckung vorgelegen haben (§ 50 Abs. 2 MarkenG) und dass dies nachgewiesen werden muss. Bloße Zweifel an der Schutzfähigkeit sind hierfür nicht ausreichend, denn als einmal gewährtes Recht geniest eine eingetragene Marke einen gewissen Vertrauensschutz. Erforderlich sind vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die entscheidende Behörde, hätte sie zum maßgebenden Zeitpunkt Kenntnis von den nunmehr vorliegenden Tatsachen gehabt, die Marke zurückgewiesen hätte. Da hierbei auch Faktoren wie Sprachüblichkeit und Sprachentwicklung, Kennzeichnungsgewohnheiten und Marktgepflogenheit eine Rolle spielen, wird die rückblickend betrachtende Beurteilung um so schwieriger, je mehr Zeit zwischen der Eintragung und dem Entscheidungszeitpunkt vergangen ist. Dennoch gibt es im vorliegenden Fall ausreichend Hinweise darauf, dass der Marke „Halloween“, hätten bereits am 15. Mai 1997 die nunmehr vorliegenden Erkenntnisse zur Verfügung gestanden, für die beanspruchten Lebensmittel und Getränke die Schutzerstreckung verweigert worden wäre. Denn es bestanden bereits damals genügend Hinweise für ein zumindest zukünftiges Freihaltebedürfnis der Mitbewerber.

Bei der Beurteilung der Marke ist es zulässig, den Wortbestandteil allein zu bewerten, denn die grafische Gestaltung der Marke entspricht dem, was heute ohne weiteres technisch machbar und auch allgemein üblich ist. Zudem erinnert die verwendete Schrifttype an Hohlräume, wie sie beim Aushöhlen der Halloween-Kürbisse und dem Einschnitzen von Fratzen entstehen. Das Wort Halloween unterliegt als Bezeichnung eines Brauchtums, bei dem Essen und Trinken eine Rolle spielen, einem erheblichen Freihalteinteresse, was womöglich 1997 noch nicht in der Deutlichkeit erkennbar war, wie dies heute der Fall ist, was aber – bei entsprechend sachgerechter Prüfung – hätte erkannt werden müssen.

Anders als die Markenabteilung meint, ist es nicht notwendig, für 1997 eine umfassende „Bekanntheit“ dieses Festes im deutschen Sprachraum nachzuweisen, denn bereits damals handelte es sich um eines der bedeutendsten Brauchtumsfeste in Amerika. An Namen von Festtagen und Feiertagen kirchlicher oder weltlicher Natur, Brauchtümern und Gebräuchen besteht per se ein erhebliches Freihalteinteresse in Verbindung mit allen Waren und Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit derartigen Festen Verwendung finden können. Dies trifft insbesondere auf Lebensmittel zu, denn Essen und Trinken ist mit Feiern meist eng verbunden. So dürfte außer Streit stehen, dass Festtage wie Weihnachten und Ostern, Feiertage wie der Maifeiertag, Karfreitag oder der Tag der Deutschen Einheit, Brauchtümer wie Fasching und Kirchweih nicht für Waren im Lebensmittelbereich monopolisiert werden dürfen. Ein solches Freihaltebedürfnis besteht aber auch an weniger bekannten, derzeit vielleicht ungebräuchlichen und nur regional wichtigen Brauchtümern. Das Markenrecht bewegt sich im Spannungsfeld zwischen rechtmäßiger Monopolisierung von Marken und dem Allgemeininteresse an der ungehinderten Freiheit des Wettbewerbs. Bei Worten, die nichts anderes sind als die Bezeichnung eines Brauchtums oder eines Festtages, müssen die Schutzvoraussetzungen besonders sorgfältig geprüft werden, denn eine unberechtigte Monopolisierung würde zu einer umfassenden Behinderung zahlreicher Mitbewerber an der notwendigen beschreibenden Verwendung dieses Begriffes führen. Dabei sei nur auf Wortzusammensetzungen wie Weihnachtsbraten, Weihnachtsstollen, Weihnachtsplätzchen, Osterei, Osterschinken, Maibowle, Martinigans, Sonntagsfrühstück, Fastenspeise, Kirchweihnudeln, Muttertagskuchen, Nikolausäpfel, Faschingskrapfen usw. hingewiesen. Die Bedeutung der einzelnen Brauchtümer verändert sich stetig, manche entstehen oder werden von anderen Ländern übernommen, andere wiederum geraten in Vergessenheit. Der Halloween Brauch hatte vor etwa fünfzehn Jahren in Deutschland kaum Bedeutung, nunmehr scheint er fast Kult zu werden. Derartigen Strömungen muss bei der Beurteilung eines zukünftigen Freihaltebedürfnisses Rechnung getragen werden. Im vorliegenden Fall hat die Tatsache, dass der Begriff „Halloween“ nunmehr – wohl unstreitig -schutzunfähig ist, gezeigt, dass die Bejahung eines zukünftigen Freihaltebedürfnisses im Jahr 1997 zutreffend gewesen wäre. Die allein kann zwar eine Löschung nicht rechtfertigen, ist aber rückblickend betrachtet doch ein gewisses Indiz dafür. Die Markenabteilung hatte im Übrigen ausreichend Anhaltspunkte für eine derartige, hinreichend sichere Zukunftsprognose. Hierzu zählt insbesondere die bereits mit dem Löschungsantrag vorgelegte – in der Entscheidung aber unberücksichtigte – Fundstelle im Meyers Taschenlexikon 1983, in dem der Halloween-Brauch beschrieben wird. Auch die Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland von 2001 über die Themen „Halloween in den Medien“ und „Die Vermarktung von Halloween“ zeigen deutlich, dass dieser Brauch in Deutschland bereits seit den siebziger Jahren zumindest nicht unbekannt war (aufgrund amerikanischer Fernsehfilme) und seit Beginn der neunziger Jahre auch gefeiert wird. Dort finden sich auch Hinweise auf spezielle Speisen und Getränke (z. B. Satansbraten, Halloween-Bier, Kürbisbrot, Horror-Weingummi), was angesichts des überaus großen Freihaltebedürfnisses an derartigen Begriffen berücksichtigt hätte werden müssen. Die nunmehr vorliegenden Erkenntnisse – zum Teil nachgereicht durch die Antragstellerin – bestätigen dies, denn sie zeigen eine mannigfache Verwendung dieses Begriffes in Verbindung mit Partys, sowie Essen und Trinken (Süddeutsche Zeitung 1995,1996, FAZ 1995). Damit sind ausreichend Nachweise für ein bereits zum Zeitpunkt der Schutzerstreckung bestehendes Freihaltebedürfnisses vorhanden, so dass der Marke der Schutz zu entziehen ist und die Beschwerde Erfolg hat.

Ob darüber hinaus das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft vorliegt, braucht nicht mehr geprüft zu werden.

Eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Absatz 1 war nicht veranlasst.

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