BPatG: “Gwendoline” – Comic-Zeichnung einer geknebelten und gefesselten Frau als Verstoß gegen die guten Sitten nicht als Marke schutzfähig Beschluss vom 28.09.2010 – 27 W (pat) 96/10

Das Bundespatentgericht hat die Zurückweisung der angemeldeten Marke einer Comic-Zeichnung mit der Abbildung einer geknebelten und gefesselten Frau („Gwendoline“) aufgrund des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG bestätigt. Die Marke, angemeldet u.a. für Schmuckwaren, Druckereierzeugnisse und Bekleidung, verstösst demnach gegen die guten Sitten. Trotz einer Liberalisierung der Anschauungen, was anstössig wirkt, betrifft dies nicht Darstellungen, die Gewalt in irgendeiner Weise zeigen. Marken mit einem Personen als Opfer zeigenden oder sonst diskriminierendem Inhalt können daher keinen staatlichen Schutz erfahren (vgl. BPatG Mitt. 1985, 215; BGH GRUR 1995, 592, 594).

BPatG, Beschluss vom 28.09.2010 – 27 W (pat) 96/10 – „Gwendoline
§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 11 542.9
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. September 2010 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Anmeldung der Bildmarke (schwarz/weiß)

für folgende Waren

echte und unechte Schmuckwaren; Waren aus Papier, Pappe (Karton), soweit in Klasse16 enthalten; Druckereierzeugnisse, Fotografien, Grafiken; Waren aus Leder und Lederimitationen, soweit in Klasse 18 enthalten (keine Bekleidungsstücke); Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen

hat die Markenstelle mit Beschluss vom 24. Januar 2008 und die dagegen eingelegte Erinnerung mit Beschluss vom 15. März 2010, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Das ist damit begründet, das angemeldete Zeichen verstoße gegen die guten Sitten, so dass ihm das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG entgegenstehe. Maßgeblich sei dabei die Auffassung der Gesamtheit der durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der maßgeblichen Waren, wobei weder eine übertrieben laxe noch eine besonders feinfühlige Ansicht entscheidend sei. Zwar dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die maßgebliche Verkehrsauffassung von einer fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt werde. Zeichen mit einer diskriminierenden, die Menschenwürde verletzenden Aussage dürfe aber kein staatlicher Markenschutz verliehen werden. Auch wenn die Fans der Anmelderin die angemeldete Darstellung als Aufdruck auf Merchandisingprodukten bzw. auf Bühnen und Plakaten akzeptiert hätten, bedeute dies nicht, dass alle die Erteilung des angemeldeten Zeichens als Marke akzeptierten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die beanspruchten Waren an breite Kreise, auch an Kinder, richteten.

Eine Verkehrsdurchsetzung habe die Anmelderin ohne konkrete Nachweise behauptet. Der Erinnerungsbeschluss ist der Anmelderin am 21. April 2010 zugestellt worden.

Die Anmelderin hat am 19. Mai 2010 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass Markenschutz möglich sein müsse, zeige der Umstand, dass die Marke von 1995 bis 2005 bereits geschützt gewesen sei. Die Bekleidung der dargestellten Person entspreche einem Badeanzug und sei nicht anstoßerregend. Die Zeichnung entstamme einem amerikanischen Comic. Die Frau, die sich in dem Comic freiwillig habe fesseln lassen, habe die Anmelderin in einem Lied besungen. Seither sei das Motiv umfangreich verwendet worden. Die Darstellung sei harmlos und ironisch. Die beanspruchten Waren richteten sich ausschließlich an ein jüngeres Publikum, das liberalere Auffassungen habe als ein älteres Publikum.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Marke einzutragen.

II.
Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Anmelderin eine mündliche Verhandlung nicht – auch nicht hilfsweise – beantragt hat und der Senat sie nicht für erforderlich hält.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg; auch nach Auffassung des Senats steht einer Registrierung der angemeldeten Marke § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG entgegen. Auf die Begründung der angefochten Beschlüsse kann Bezug genommen werden, um Wiederholungen zu vermeiden.
Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, verstoßen Marken gegen die guten Sitten, wenn sie geeignet sind, das Empfinden eines beachtlichen Teils der Verbraucher zu verletzen, indem sie sittlich anstößig wirken oder eine grobe Geschmacksverletzung enthalten.

Das Warenverzeichnis enthält keinerlei Einschränkungen, die den angesprochenen Kundenkreis in irgendeiner Weise einengen könnte. Dass die Anmelderin nur bestimmte Altersgruppen umwirbt, ist eine jederzeit änderbare Vermarktungsstrategie, die keinen Einfluss auf die hier zu treffende Beurteilung hat.
Innerhalb der somit zu berücksichtigenden allgemeinen Kreise gibt es nach Auffassung des Senats durchaus einen beachtlichen Teil, der die Darstellung im angemeldeten Zeichen als anstößig empfindet. Die von der Markenstelle angesprochene und von der Anmelderin betonte Liberalisierung der Anschauungen, was anstößig wirkt, betrifft nämlich nicht Darstellungen, die Gewalt in irgendeiner Weise zeigen. Marken mit einem Personen als Opfer zeigenden oder sonst diskriminierendem Inhalt können daher keinen staatlichen Schutz erfahren (vgl. BPatG Mitt. 1985, 215; BGH GRUR 1995, 592, 594).

Es kommt also nicht darauf an, inwieweit die hier dargestellte Person bekleidet ist, sondern allein darauf, dass sie geknebelt und gefesselt ist. Die Darstellung lässt insoweit keinen ironischen, humorvollen oder kritischen Gehalt erkennen. Die dahinterstehende Geschichte aus einem Comic ist weder allgemein bekannt, noch kommt sie in der Zeichnung zum Ausdruck. Auch die Gesichtszüge der dargestellten Person geben keinen Anlass, die Graphik nicht als anstößig im oben genannten Sinn anzusehen.

Dass das Zeichen bereits einmal als Marke geschützt war, steht der Zurückweisung der Beschwerde ebenso wenig entgegen wie die Eintragung anderer Marken, die die Anmelderin für anstößiger hält. Fehlerhafte Eintragungen führen nicht dazu, dass ein Anspruch auf weitere ebenso fehlerhafte Eintragungen entstehen könnte.

Unterschriften

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