BPatG: Casino Royale – Keine Verwechslungsgefahr bei an Schutzunfähigkeit heranreichender Kennzeichnungsschwäche Beschluss vom 31.07.2012 – 27 W (pat) 578/11

Die an Schutzunfähigkeit heranreichende Kennzeichenschwäche der Wortmarke „Casino Royale“ führt dazu, dass trotz klanglicher und begrifflicher Identität des angegriffenen Zeichens mit der Widerspruchsmarke und ungeachtet des hohen Grades an Ähnlichkeit der Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen zu verneinen ist. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke ist auf die sog. Eigenprägung beschränkt, d. h. auf die Bestandteile, die dem Zeichen die Eintragungsfähigkeit verleihen (vgl. BGH GRUR 2003, 963, 965 – AntiVir/AntiVirus). Hat eine Marke aber keinen eine Eigenprägung begründenden Teil, weil sie sich – wie vorliegend die Widerspruchsmarke – als Wortmarke auf die Wiedergabe schutzunfähiger Begriffe beschränkt, kann dies nicht dazu führen, dass aus ihr mehr Rechte abgeleitet werden können als aus einer graphisch gestalteten Marke. Dies würde die an sich unzulässige Monopolisierung schutzunfähiger Angaben nachträglich ermöglichen.

BPatG, Beschluss vom 31.07.2012 – 27 W (pat) 578/11Casino Royale
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 71 257

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 31. Juli 2012 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner

beschlossen:

I.
Auf die Beschwerde der Inhaberin des Inhabers des angegriffenen Zeichens wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. August 2011 insoweit aufgehoben, als die Marke für

38: Betrieb von Internet-Portalen;

41: Betrieb von Kunst- und Unterhaltungsstätten, insbesondere Spielotheken, Galerien, Glücksspielhallen, Wettlokalen, Keno- und Bingo-Lokalen, Glücksspiele

gelöscht wurde.

II.
Der Widerspruch aus der Marke 305 55 268 ist zurückzuweisen.

III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Gegen die am 29. November 2005 angemeldete und am 8. Mai 2006 für Waren der Klasse 28 sowie Dienstleistungen aus den Klassen 38, 41 und 43 eingetragene Wort-/Bildmarke 305 71 257

haben die Widersprechenden aus der am 19. September 2005 angemeldeten Wortmarke 305 55 268

Casino Royale

die seit 8. März 2006 u. a. für

38: Übermittlung und Verbreitung von Ton- und Bildtonaufnahmen auf unkörperlichem Wege inkl. der Übertragung zum Zweck der akustischen und/oder optischen Wahrnehmung, Aufführung, Vervielfältigung und/oder öffentliche Wiedergabe (insbesondere im Internet und bei Online-Diensten sowie über mobile Telefone als sogenannte Ruftonmelodie), Ausstrahlung von Radio- und TV-Unterhaltungssendungen, Einspeisung von Internet-Seiten in Datenbanken und Datennetzen aller Art, insbesondere im Internet, Bereitstellung von Informationsangeboten zum Abruf aus dem Internet, anderen Datennetzen sowie Online-Diensten, soweit in Klasse 38 enthalten;

41: Veröffentlichung und/oder Vermietung von Ton- und Bildtonaufnahmen, Aufzeichnung von Videobändern, Unterhaltung, Veranstaltung von kulturellen Aktivitäten, insbesondere Aufführung und Veranstaltung musikalischer Darbietungen, Tanzveranstaltungen, Konzerte, Film- und/oder Videofilmproduktionen sowie Produktion von Radio- und TV-Unterhaltungssendungen; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Workshops und/oder Konferenzen, Coaching, soweit in Klasse 41 enthalten

eingetragen ist, Widerspruch eingelegt.

Die Markenstelle hat das angegriffene Zeichen mit Beschluss vom 25. August 2011 wegen des Widerspruchs für

38: Betrieb von Internet-Portalen;

41: Betrieb von Kunst- und Unterhaltungsstätten, insbesondere Spielotheken, Galerien, Glücksspielhallen, Wettlokalen, Keno- und Bingo-Lokalen, Glücksspiele

gelöscht.

Dazu ist ausgeführt, die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die gelöschten Dienstleistungen lägen im engen Ähnlichkeitsbereich zu denen der Widerspruchsmarke. Klanglich und inhaltlich seien die Marken identisch. Die Graphik des angegriffenen Zeichens könne vernachlässigt werden.

Dieser Beschluss wurde der Inhaberin des angegriffenen Zeichens am 2. September 2011 zugestellt.

Sie hat am 28. September 2011 Beschwerde eingelegt.

Sie bestreitet, dass die Widerspruchsmarke benutzt worden sei.

Sie ist der Auffassung, die Widerspruchsmarke habe nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft, so dass sich das angegriffene Zeichen mit seiner Graphik ausreichend absetze.

Die Inhaberin des angegriffenen Zeichens beantragt sinngemäß,

den Beschluss vom 25. August 2011 aufzuheben, soweit das angegriffene Zeichen damit gelöscht worden sei, und den Widerspruch insgesamt zurückzuweisen.

Demgegenüber beantragen die Widersprechenden,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, sie hätten die Widerspruchsmarke durch dazu ermächtigte Firmen für Kommunikationskonzepte, Unternehmensberatung, Events und Workshops, Produktion von Filmen, Webserien, Shows etc. benutzen lassen. Darauf komme es jedoch nicht an, weil erst am 20. Mai 2010 ein Widerspruch gegen die Widerspruchsmarke zurückgenommen worden sei.

Die Widerspruchsmarke sei nicht kennzeichnungsschwach. „Casino“ stehe für „Spielbank“, „Kantine“ oder „Cafeteria“. „Royale“ stehe bei Speisen für „Eierstich“; aber auch „königlich“ sei nicht beschreibend.

Neben der klanglichen Verwechslungsgefahr bestehe eine assoziative.

II.
1.
Die zulässige Beschwerde, über die, nachdem die Beteiligten jeweils hinreichend Zeit zur Stellungnahme auf das Vorbringen des Gegners hatten (vgl. BPatGE 19, 225, 227 ff.; 23, 171; BGH GRUR 1997, 223, 224 – Ceco), ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, weil kein Beteiligter eine solche beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, hat in der Sache Erfolg. Eine Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kann aufgrund der geringen Schutzfähigkeit der Widerspruchsmarke nicht festgestellt werden.

Nachdem ein Widerspruchsverfahren gegen die Widerspruchsmarke erst im Jahre 2010 abgeschlossen wurde, läuft die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke gemäß § 26 Abs. 5 MarkenG, der mit Art. 10 Abs. 1 MRL vereinbar ist (BPatG Beschluss vom 2. August 2006, Az: 26 W (pat) 266/03 – Focus Home Collection/Focus), erst 2015 ab, so dass es insoweit nicht darauf ankommt, dass die Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke nicht glaubhaft gemacht haben. Die Belegstellen zeigen nämlich keine Verwendung der Widerspruchsmarke für angebotene Dienstleistungen, sondern nur als Firmenname des Anbieters.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und – davon abhängig – der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] – Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] – Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 – Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] – Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] – Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] -Adam Opel/Autec).

a)
Nachdem die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht bestritten werden konnte, ist bei der Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit für die Widerspruchsmarke von den im Register eingetragenen Dienstleistungen auszugehen.

Bei der Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen.

Eine Ähnlichkeit zwischen Dienstleistungen liegt vor, wenn die beteiligten Kreise der Ansicht sein könnten, dass üblicherweise dieselben Unternehmen die beiderseitigen Dienstleistungen erbringen. Dabei kommt es auf Art und Zweck der Dienstleistungen, den Nutzen für den Empfänger der Leistung sowie die Vorstellungen der Verbraucher an. Zu dem vom angegriffenen Zeichen beanspruchten Betrieb von Internet-Portalen kann es gehören, Ton- und Bildaufnahmen zu übermitteln, Inhalte in Datennetze einzuspeichern und Informationen zum Abruf anzubieten.

All dies findet sich im Verzeichnis der von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen, so dass insoweit zumindest eine hochgradige Ähnlichkeit vorliegt. Gleiches gilt für den Betrieb von Kunst- und Unterhaltungsstätten im Verhältnis zu Unterhaltung und diversen Veranstaltungen.

b)
Bildlich unterscheiden sich die Marken schon aufgrund der graphischen Gestaltung des angegriffenen Zeichens ausreichend.

c)
Dieses ist aber keine reine Bildmarke, bei der eine Verwechslungsgefahr wegen klanglicher Zeichenähnlichkeit nicht in Betracht käme (BGH GRUR 2006, 60, III.4.3 – Coccodrillo; BPatG Mitt. 2004, 315, II.3.b – FRISH). Enthält eine Wort-BildMarke aussprechbare Zeichen, so kommt eine Verwechslungsgefahr auch wegen klanglicher Zeichenähnlichkeit in Betracht.

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist jedoch die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke von wesentlicher Bedeutung, sei es als Kennzeichnungskraft von Haus aus, sei es als eine kraft Benutzung erworbene (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, Rn. 24 – Sabel/Puma, BGH GRUR 2004, 594, 597 – FERRARIPFERD). „Royale“ ist ein Hinweis auf besondere Qualität (vgl. HABM v. 30. Oktober 2009, R 1122/08-2 – La Ruche Royale); „Casino“ benennt die damit beschriebene Einrichtung (BGH GRUR 2006, 503 – Casino Bremen), wobei Spielmöglichkeiten nicht nur in Gebäuden, die „Casino“ genannt werden, gegeben sind, sondern auch im Internet.

Ungeachtet der Frage einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken und des Grades der Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Dienstleistungen scheidet damit hier eine Verwechslungsgefahr schon deshalb aus, weil der Begriff „Casino Royale“ so geringe Kennzeichnungskraft hat, dass die Widersprechenden daraus keine Rechte gegenüber Marken, die das angegriffene Zeichen zwar enthalten aber graphisch erweitern, herleiten können.

Die – was hier nicht letztlich entschieden zu werden braucht – an Schutzunfähigkeit heranreichende originäre Kennzeichenschwäche ist nicht durch eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke in der Weise ausgeglichen worden, dass deren Kennzeichnungskraft nur noch leicht unterdurchschnittlich eingestuft werden müsste. Die auf die Nichtbenutzungseinrede eingereichten Benutzungsunterlagen zeigen keine Benutzung der Widerspruchsmarke, die geeignet wäre, die originäre Kennzeichnungsschwäche zu überwinden; sie zeigen ja nicht einmal eine markenmäßige Benutzung für Dienstleistungen.

Die an Schutzunfähigkeit heranreichende Kennzeichenschwäche führt damit dazu, dass trotz klanglicher und begrifflicher Identität des angegriffenen Zeichens mit der Widerspruchsmarke und ungeachtet des hohen Grades an Ähnlichkeit der Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen zu verneinen ist. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke ist auf die sog. Eigenprägung beschränkt, d. h. auf die Bestandteile, die dem Zeichen die Eintragungsfähigkeit verleihen (vgl. BGH GRUR 2003, 963, 965 – AntiVir/AntiVirus). Hat eine Marke aber keinen eine Eigenprägung begründenden Teil, weil sie sich – wie vorliegend die Widerspruchsmarke – als Wortmarke auf die Wiedergabe schutzunfähiger Begriffe beschränkt, kann dies nicht dazu führen, dass aus ihr mehr Rechte abgeleitet werden können als aus einer graphisch gestalteten Marke. Dies würde die an sich unzulässige Monopolisierung schutzunfähiger Angaben nachträglich ermöglichen.

Widerspruchsmarken, die keine Besonderheiten, wie Abwandlungen etc., enthalten, betrifft der – nicht näher begründete – Hinweis in BGH GRUR 2008, 803, 804 – HEITEC nicht, demzufolge die Beschränkung des Schutzumfangs nicht gegenüber solchen Zeichen besteht, die sich wie die ältere Marke an eine beschreibende Angabe anlehnen oder diese nur geringfügig abwandeln.

2.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht angesichts der Rechtsfragen, zu der unter 3) die Rechtsbeschwerde zugelassen wird, kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

3.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG in Verbindung mit § 574 ZPO zu der Rechtsfrage zugelassen, welchen Schutzumfang Wortmarken haben, deren Kennzeichnungskraft als gering einzustufen ist, weil sie keine verfremdenden Zusätze enthalten.

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