BGH: Big Pack

BGH, Urteil vom 14.01.1999 – I ZR 149/97 – BIG PACK –
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 23

Da bei einem auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gestützten Anspruch die bei Bejahung der Voraussetzungen des § 23 MarkenG maßgeblichen Gründe in der Regel bereits zwingend zur Verneinung des in der Anspruchsgrundlage genannten Erfordernisses führen müssen, wonach die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der bekannten Marke nicht „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise“ erfolgen darf, kommt der Regelung des § 23 MarkenG grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem erweiterten Schutz bekannter Kennzeichen zu.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: I ZR 149/96

Verkündet am 14. Januar 1999

BGH, Urt. v. 14. Januar 1999 – I ZR 149/96 – OLG München LG München I – ‚BIG PACK‘

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 1999 durch … für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. Mai 1996 wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin zu 1 wurde im Dezember 1976 unter der Firma „K. “ Marketing GmbH gegründet und im Februar 1977 in das Handelsregister eingetragen. Als Geschäftsgegenstand weist dieses seit dem 17. Oktober 1980 „Produktion, Handel mit und Vertrieb von Bedarfsartikeln aller Art, insbesondere von Freizeitartikeln, deren Import und Export sowie Durchführung von Marketingmaßnahmen aller Art“ aus. Die Firma wurde im Jahre 1980 in Knut J. M. & P. Big Pack GmbH und im Jahre 1996 in BIG PACK GmbH geändert.

Die Klägerin zu 1 stellt sogenannte Outdoor-Produkte her. Sie ist Inhaberin der den Wortbestandteil „BIG PACK“ enthaltenden Wort-/Bild-Marken Nr. 1 164 449 (eingetragen am 20.9.1990) und Nr. 2 002 370 (eingetragen am 15.7.1991) und Lizenznehmerin bezüglich der ebenfalls den Wortbestandteil „BIG PACK“ enthaltenden Marke Nr. 975 598 (eingetragen am 23.3.1978) ihres Geschäftsführers, die für Rucksäcke, Reise- und Handkoffer, Reise- und Tragetaschen, Einkaufstaschen, Schulranzen, Packsäcke und weitere Waren Schutz genießen.

Die Klägerin zu 2 wurde im Dezember 1992 gegründet und im Februar 1993 unter ihrer Firma BIG PACK International F. && S. GmbH in das Handelsregister eingetragen. Ihr Geschäftsgegenstand ist „Groß- und Einzelhandel, insbesondere Dienst- und Serviceleistungen zum Betrieb eines weltweiten Vertriebsnetzes durch Einzelhandelsgeschäfte auf Franchise-Basis und/oder Shop-in-Shop-Systeme für Sportartikel und Sportbekleidung aller Art, insbesondere für Outdoor-, Trekking- und Bergsport-Produkte, der Betrieb von Pilotprojekten dieser Art“.

Die Beklagte ist die nach dem Marktanteil in Deutschland führende Herstellerin von Zigaretten, die sie unter der Marke „Marlboro“ vertreibt. Diese Marke hat als Zigarettenmarke einen Bekanntheitsgrad von über 99 % in der Bevölkerung erreicht.

Seit Anfang des Jahres 1995 warb die Beklagte mit zwei Großplakaten, die nachstehend verkleinert wiedergegeben sind:

[ wird dargestellt ]

Die Beklagte hat auch die Verpackung der „Stangen“ der so beworbenen Zigaretten mit den Worten „THE 25 BIG PACK“ beschriftet.

Die Klägerinnen haben diese Werbung der Beklagten unter marken- und wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten beanstandet. Sie haben behauptet, die Klägerin zu 1 habe für ihr isoliert herausgestelltes Firmenschlagwort „BIG PACK“ und die Marke „BIG PACK“ einen Bekanntheitsgrad von 30%, jedenfalls einen für die Anwendung von § 15 Abs. 3 MarkenG ausreichenden Bekanntheitsgrad erlangt, der, weil die Klägerin zu 2 die Produkte der Klägerin zu 1 vertreibe, sich auch auf sie beziehe. Sie haben geltend gemacht, die Beklagte benutze „BIG PACK“ neben „Marlboro“ als Zweitmarke. Es bestehe zumindest mittelbare Verwechslungsgefahr. Das Ansehen der Klägerinnen als naturverbundene Hersteller von Outdoor-Produkten werde durch eine Zigarettenwerbung schwer beeinträchtigt. Publikumsreaktionen bestätigten dies. Begünstigt werde die Verwechslungsgefahr dadurch, daß (unstreitig) unter der Marke „Marlboro Classics“ Kleidung von beträchtlichem Bekanntheitsgrad vertrieben werde; an zehn Orten in Deutschland bestünden Exklusiv-Geschäfte hierfür. Vor diesem Hintergrund müsse zwischen den beiderseitigen Produkten Branchennähe angenommen werden. Es könne der Eindruck entstehen, daß die Klägerinnen nunmehr über ein ihnen verbundenes Unternehmen auch Zigaretten vermarkteten. Sie, die Klägerinnen, hätten auch Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Schutzes wegen Nachahmung ihrer Kennzeichnungen. Der Beklagten sei die Einhaltung eines größeren Abstandes zumutbar. Das Verhalten der Beklagten führe zu einer Behinderung und Beeinträchtigung der Klägerinnen und zu einer vermeidbaren Täuschung des Verkehrs.

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt,

1.

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, unter blickfangmäßiger Hervorhebung der Bezeichnung „BIG PACK“ für Zigaretten zu werben, insbesondere gemäß den vorstehenden Abbildungen;

2.

die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen über den Umfang der Handlungen gemäß Ziffer I ab 1. Februar 1995 Auskunft zu erteilen, und zwar unter Übergabe einer – nach Monaten geordneten – Auflistung, aus der sich

1.

die Umsätze entnehmen lassen, die durch den Vertrieb von gemäß Ziffer I gekennzeichneten Zigaretten erzielt wurden und
2.

die entsprechende Werbung ersehen läßt unter Auflistung der Werbeträger, Auflagenhöhen, Verbreitungsgebiete sowie der Erscheinungszeiten und die Kosten der entsprechenden Werbung und

3.

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen all jene Schäden zu ersetzen, die diesen durch Handlungen gemäß Ziffer I seit dem 1. Februar 1995 entstanden sind und noch entstehen werden.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Klägerinnen erstrebten das Verbot der Benutzung eines branchenüblichen Hinweises auf die Größe der angebotenen Zigarettenpackung. Sie mache von „BIG PACK“ einen zulässigen Gebrauch. Der grundlegende Unterschied zwischen den beiderseitigen Waren lasse eine Verwechslungsgefahr als ausgeschlossen erscheinen. Es sei auch von Bedeutung, daß „Marlboro“ eine berühmte Marke sei, neben der „BIG PACK“ ohne weiteres als Beschaffenheitsangabe aufgefaßt werde. Eine markenrechtlich relevante Bekanntheit der Kennzeichen der Klägerinnen sei nicht gegeben; diesen fehle auch die Eigenart. „BIG PACK“ sei auch für die Waren der Klägerin zu 1, insbesondere Rucksäcke und Schlafsäcke, beschreibend und nicht schutzfähig und deshalb auch bezüglich der Wort-/Bild-Marken der Klägerin zu 1 und ihres Geschäftsführers nicht kollisionsbegründend.

Das Landgericht hat die (in erster Instanz noch weitergehende) Klage abgewiesen.

Die auf die vorerwähnten Anträge beschränkte Berufung der Klägerinnen ist erfolglos geblieben (OLG München WRP 1996, 1052).

Mit der Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat markenrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerinnen verneint und dazu ausgeführt:

Ansprüche der Klägerinnen gemäß §§ 14, 15 MarkenG seien jedenfalls nach § 23 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen. Es stehe fest, daß „BIG PACK“ im Handel mit Zigaretten seit 1982 zu einer gebräuchlichen und allgemein verständlichen Angabe über die Größe von Zigarettenpackungen (genauer: über die Anzahl der in der Packung enthaltenen Zigaretten) geworden sei. Auch die Beklagte benutze „BIG PACK“ in der angegriffenen Werbung als Angabe über die Größe der Packung und damit als Angabe über Merkmale und Eigenschaften der Ware. Es könne kein Zweifel bestehen, daß „BIG PACK“ so, wie von der Beklagten benutzt, im Verkehr lediglich als Angabe über die Größe der Packung verstanden werde. Die Angabe sei leicht verständlich; großen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise sei bekannt, daß „BIG PACK“ auch von anderen Zigarettenherstellern als Bezeichnung für eine größere Packung benutzt werde. Darüber hinaus benutze die Beklagte „BIG PACK“ ausschließlich zusammen mit einer die Marke „Marlboro“ zeigenden Abbildung der Zigarettenpackung. Auch bei flüchtigster Betrachtung werde dem Verkehr angesichts der Bekanntheit der Marke „Marlboro“ sofort klar, daß ihm eine Werbung für die Zigarettenmarke „Marlboro“ entgegentrete. Unterstützt werde dieses Verständnis durch den zweimaligen Hinweis auf die Anzahl von 25 in der Packung enthaltenen Zigaretten. Gleiches gelte für den Hinweis „Groß und Praktisch“ auf beiden Plakaten. Auch die blickfangartige Herausstellung von „BIG PACK“ in der Werbung stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Werbung sei darauf angewiesen, mit Eigenschaften der Ware zu werben und diese in der Werbung herauszustellen. Mit dem Angebot einer größeren Packung verbinde der Verkehr regelmäßig die Vorstellung eines Preisvorteils.

Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände verstoße das Verhalten der Beklagten auch nicht gegen die guten Sitten im Wettbewerb und insbesondere im Umgang mit Kennzeichnungsrechten. Die Beklagte bediene sich bei ihrer Werbung eines Begriffs, der sich in der Werbung für Zigaretten seit 14 Jahren zunehmend eingebürgert habe und nicht nur von der Beklagten, sondern von einer beträchtlichen Zahl weiterer bedeutender Hersteller benutzt werde. Eine Schädigung ihres Rufs in rechtlich beachtlichem Maße hätten die Klägerinnen nicht zu befürchten, weil die Bedeutung von „BIG PACK“ als Größenangabe ohne weiteres erkennbar und deshalb nicht zu erwarten sei, daß relevante Teile des Verkehrs darin einen Herkunftshinweis sähen. Das gelte auch angesichts der Tatsache, daß die von der Beklagten benutzte Angabe mit den Kennzeichen der Klägerinnen identisch sei, weil der beschreibende Gehalt deutlich zutage trete.

Hieran ändere auch nichts, daß unter der Marke „Marlboro Classics“ im Einverständnis mit der Beklagten in Deutschland Kleidung vertrieben werde. Der Verkehr sei damit vertraut, daß der Ruf bekannter Marken auch für andere Waren benutzt werde; er rechne aber nicht damit, daß relativ unbekannte Marken als Werbevorspann für berühmte Kennzeichnungen eingesetzt würden. Bei den von den Klägerinnen vorgelegten „Publikumsreaktionen“ handele es sich ganz überwiegend um Stellungnahmen wirtschaftlich und publizistisch interessierter Kreise, nicht um Reaktionen des auf durch die Werbung der Beklagten angesprochenen allgemeinen Verkehrs.

Auch ein Wettbewerbsverstoß der Beklagten nach § 1 UWG könne nicht festgestellt werden. Ebensowenig sei eine Irreführung nach § 3 UWG gegeben, da eine Verwechslungsgefahr in relevantem Umfang nicht bestehe.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

Das Berufungsgericht hat zu Recht markenrechtliche Ansprüche verneint.

Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß die insoweit geltend gemachten Ansprüche der Klägerinnen allein nach den Vorschriften des Markengesetzes zu prüfen sind, weil die Beklagte die in der Berufungsinstanz nur noch angegriffenen Werbemaßnahmen erstmals nach dem 1. Januar 1995, dem Tag des Inkrafttretens des Markengesetzes, vorgenommen hat (§ 152 MarkenG).

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Voraussetzungen der §§ 14, 15 MarkenG, auf die die Klägerinnen ihre markenrechtlichen Ansprüche gestützt haben, erfüllt sind, da derartige Ansprüche jedenfalls gem. § 23 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen seien. Dies ist nicht zu beanstanden, soweit die Klägerinnen ihre Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG (unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne) herleiten. Soweit hingegen – bei zu unterstellender Bekanntheit und Warenunähnlichkeit – auch Ansprüche nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG in Betracht kommen, hat das Berufungsgericht allerdings – was sich im Ergebnis aber als unschädlich erweist – unbeachtet gelassen, daß die bei Bejahung der Voraussetzungen des § 23 Nr. 2 MarkenG angeführten Gründe bereits zwingend zur Verneinung des in den genannten Anspruchsgrundlagen genannten Erfordernisses führen müssen, wonach die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der bekannten Marke nicht „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise“ erfolgen darf. Denn insoweit kommt der Regelung des § 23 MarkenG grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem erweiterten Schutz bekannter Kennzeichen zu, da im Rahmen der in Rede stehenden Anspruchsgrundlagen ohnehin eine umfassende und daher notwendigerweise auch den beschreibenden Charakter berücksichtigende Unlauterkeitsprüfung vorzunehmen ist, die sich überdies mit der Prüfung des in § 23 MarkenG enthaltenen Merkmals des Sittenverstoßes – zumindest teilweise – überschneidet (so zutreffend Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, § 23 Rdn. 9, § 14 Rdn. 519).

Die Revision wendet sich ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen nach § 23 Nr. 2 MarkenG bejaht hat.

Nach dieser Bestimmung hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung identisches Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren, wie insbesondere ihre Art oder ihre Beschaffenheit, zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.

aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt, daß „BIG PACK“ in der Werbung für und im Handel mit Zigaretten zu einer gebräuchlichen und allgemein verständlichen Angabe über die Größe von Zigarettenpackungen geworden ist. Es ist des weiteren davon ausgegangen, daß die Beklagte die Wörter „BIG PACK“ in der angegriffenen Werbung auch beschreibend, nämlich als Angabe über die Größe der Packung und damit als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften der Ware i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG, verwendet. Das beanstandet die Revision mit der Rüge, das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung die blickfangmäßige Hervorhebung der in Rede stehenden Wörter nicht in dem gebotenen Maße in Betracht gezogen. Die Rüge greift nicht durch.

Die Beurteilung, ob eine Wortfolge als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG, also beschreibend verwendet wird, liegt im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. Sie ist daher revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht alle wesentlichen Tatumstände in seine Beurteilung einbezogen und anerkannte Erfahrungssätze und die Denkgesetze beachtet hat. Das ist im Streitfall geschehen.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der angesprochene Verkehr die Werbung der Beklagten dahin verstehe, mit den Worten „BIG PACK“ werde eine Angabe über die Packungsgröße gemacht. Das hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise nicht nur der leichten Verständlichkeit der englischen Wörter für das an eine derartige Verwendung der Wörter im Zusammenhang mit Zigaretten gewöhnte Publikum entnommen, sondern auch der konkreten Gestaltung der Werbung, bei der die in Rede stehende Angabe in enger räumlicher Beziehung zu einer Zigarettenpackung steht, die mit der im Verkehr zu 99% bekannten Marke „Marlboro“ gekennzeichnet ist. Das Berufungsgericht hat diese Tatsache zutreffend dahin gewürdigt, daß sie das Verständnis von „BIG PACK“ als Beschaffenheitsangabe erleichtere und dabei auch herangezogen, daß die Angabe zweimal mit der Zahl 25, nämlich der Anzahl der in der Packung enthaltenen Zigaretten, erläutert sei sowie zusätzlich mit der Angabe „Groß & Praktisch“ darauf hingewiesen werde, daß für eine Großpackung geworben werde. Für dieses Verständnis spricht des weiteren, daß an der Angabe „BIG PACK“ angesichts ihrer langjährigen beschreibenden Verwendung im Bereich der Zigarettenwerbung ein nicht unerhebliches Freihaltungsbedürfnis besteht. Denn die Annahme, ein Begriff werde vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden, liegt um so ferner, je größer diesem die Notwendigkeit der Freihaltung dieses Begriffs für den allgemeinen Gebrauch erscheinen muß (BGH, Urt. v. 18.6.1998 – I ZR 25/96, GRUR 1999, 238, 239 = WRP 1999, 189 – Tour de culture). Daß das Berufungsgericht der Größe der Wörter „BIG PACK“ und deren Anordnung im Gesamterscheinungsbild der Werbeplakate, also der blickfangmäßigen Hervorhebung, demgegenüber keine maßgebliche Bedeutung beigemessen hat, kann – anders als die Revision meint – unter diesen Umständen, und weil die Packungsgröße als Angabe eines preisbildenden Faktors den anständigen und üblichen Gepflogenheiten im Verkehr entspricht, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht als erfahrungswidrig erachtet werden.

Soweit die Revision meint, die Wörter „BIG PACK“ träten angesichts der Größe der Schrift und deren Anordnung auf den Plakaten in einer Weise für den Verkehr in den Vordergrund, daß der beschreibende Inhalt nicht mehr zur Geltung komme, setzt sie – revisionsrechtlich unzulässig – ihre eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Tatrichters.

Angesichts der vom Berufungsgericht unangegriffen getroffenen Feststellung, daß die Angabe „BIG PACK“ sich seit annähernd 14 Jahren als Hinweis auf die Packungsgröße zunehmend eingebürgert hat, kann die Revision sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Wörter enthielten keine glatt beschreibende Angabe.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision schließlich darauf, daß die besondere Hervorhebung der Wörter „BIG PACK“ für eine Verwendung der Angabe als Marke spreche. Der anerkannte Erfahrungssatz, auf den die Revision sich insoweit bezieht, besagt, daß die Anbringung einer Bezeichnung unmittelbar auf der Ware oder ihrer Verpackung selbst – jedenfalls dann, wenn sie in irgendwie hervorgehobener Form nach Art einer Marke erfolgt – grundsätzlich gegen eine beschreibende Benutzung spricht (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.1955 – I ZR 91/53, GRUR 1955, 484, 485 = WRP 1955, 193 – Luxor/Luxus; Beschl. v. 21.6.1967 – Ib ZB 8/66, GRUR 1968, 148, 149 f. – Zwillingsfrischbeutel; BGHZ 111, 182, 186 – Herstellerkennzeichen auf Unfallwagen). Mit diesem Grundsatz hat das Berufungsgericht sich zwar nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Soweit es – stillschweigend – seine Durchbrechung deshalb als gerechtfertigt angesehen hat, weil eine beschreibende Benutzung jedenfalls aufgrund der von ihm angestellten Erwägungen anzunehmen sei, kann das aus den zuvor angeführten Gründen nicht als rechtsfehlerhaft angesehen werden. Die Revision berücksichtigt bei ihrer Argumentation, die Beklagte verwende „BIG PACK“ in der angegriffenen Werbung als Zweitmarke, nicht hinreichend, daß im Streitfall – anders als in den angeführten früheren Entscheidungen – weder die Ware selbst noch deren Verpackung mit der Angabe „BIG PACK“ versehen ist, so daß schon deshalb und weil die eigentliche Kennzeichnung durch die berühmte Marke „Marlboro“ erfolgt, die Annahme der Verwendung von „BIG PACK“ als Zweitmarke fernliegt. Eine bloße Hervorhebung einer beschreibenden Angabe als solche besagt nichts über ihren beschreibenden oder kennzeichnenden Charakter (vgl. BGH GRUR 1999, 238, 239 – Tour de culture); vielmehr kommt es, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, maßgeblich auf das Verständnis des Verkehrs an. Dieses hat es, wie schon zuvor ausgeführt, in nicht zu beanstandender Weise dahin festgestellt, daß das Publikum in den Wörtern „BIG PACK“ in der angegriffenen Werbung eine beschreibende Angabe sieht.

bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch einen Verstoß gegen die guten Sitten i.S.von § 23 Nr. 2 MarkenG verneint. Dieser Vorbehalt, der sich auf alle in § 23 MarkenG enthaltenen Fallgruppen bezieht, ist in Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 MarkenRL geschaffen worden. Er muß daher richtlinienkonform ausgelegt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um die Frage der Verletzung einer eingetragenen Marke handelt, für die die Harmonisierungsvorgabe der Richtlinie verpflichtend ist, oder ob es sich, worum es im Streitfall ebenfalls geht, um die Verletzung einer Unternehmensbezeichnung handelt. Zwar hat der Bundesgerichtshof verschiedentlich betont, daß die Vorschriften des Markengesetzes über geschäftliche Bezeichnungen nicht in Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie erlassen worden sind und deshalb von dem in dieser enthaltenen Harmonisierungsgebot auch nicht erfaßt werden (BGH, Urt. v. 21.4.1994 – I ZR 22/92, GRUR 1994, 652, 653 = WRP 1994, 536, 538 – Virion; Urt. v. 13.10.1994 – I ZR 99/92, GRUR 1995, 54, 57 = WRP 1995, 13 – Nicoline; BGHZ 130, 276, 284 f. – Torres). Handelt es sich aber um Vorschriften, die in Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie geschaffen worden sind und sich, wie § 23 MarkenG, unterschiedslos auf alle Kennzeichenarten beziehen, kann die Auslegung nur einheitlich, und zwar richtlinienkonform, erfolgen (vgl. Starck, FS DPA 100 Jahre Marken(-Amt, 1994, 291, 302; ders., FS Piper, 1996, 627, 633; Teplitzky, GRUR 1996, 1).

Demnach hat sich das Verständnis des Begriffs des Verstoßes gegen die guten Sitten i.S. von § 23 MarkenG an der zugrundeliegenden Begriffsbildung der Richtlinienvorschrift zu orientieren, in der es heißt: „sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht“ (Althammer/Klaka, Markengesetz, § 23 Rdn. 6; Fezer, WRP 1996, 973, 976; ders., Markenrecht, § 23 Rdn. 14; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 23 Rdn. 9).

Der Beurteilung sind, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, alle Umstände des Einzelfalls zugrunde zu legen (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581 S. 80 = BlPMZ 1994, Sonderheft S. 74). Es ist davon ausgegangen, daß ein Sittenverstoß nicht vorliege, weil eine Rufschädigung in rechtlich beachtlichem Maß nicht zu befürchten sei.

Das Berufungsgericht hat insoweit in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, es sei auch hier maßgebend zu berücksichtigen, daß die Beklagte sich bei ihrer Werbung eines Begriffes bediene, der sich in der Werbung für Zigaretten seit etwa 14 Jahren zunehmend eingebürgert habe und nicht nur von der Beklagten, sondern von einer beträchtlichen Zahl weiterer bedeutender Hersteller benutzt werde. Es konnte auch aus seiner weiteren Feststellung, daß die Bedeutung von „BIG PACK“ in der Werbung der Beklagten für den Verkehr ohne weiteres erkennbar und auch nicht zu übersehen sei, rechtsfehlerfrei folgern, daß nicht zu befürchten sei, relevante Teile des Verkehrs könnten in der Nutzung von „BIG PACK“ durch die Beklagte einen Herkunftshinweis sehen.

Des weiteren kann der Tatsache, daß es sich bei den von der Beklagten beworbenen Waren um Zigaretten handelt, entgegen der Ansicht der Revision, der erforderliche Sittenverstoß nicht entnommen werden. Wird eine Angabe in beschreibender Weise in der Werbung verwendet, wie es das Berufungsgericht für „BIG PACK“ rechtsfehlerfrei festgestellt hat, kann sich die Unlauterkeit nicht allein daraus ergeben, daß sich die Werbung auf Zigaretten bezieht und ein solcher Bezug dem von den Klägerinnen für ihre Produkte gewünschten Anklang an Sport, Hochleistung und Freiluftvergnügen zuwiderlaufen könnte.

Anders als die Revision meint, kann schließlich auch die blickfangmäßige Herausstellung von „BIG PACK“ in der Werbung der Beklagten schon deshalb den Sittenverstoß nicht begründen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch die besondere werbemäßige Herausstellung beschreibender Angaben, insbesondere auch preisbildender Faktoren, den anständigen und üblichen Gepflogenheiten im Handel entspricht.

Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerinnen aus Wettbewerbsverstößen nach §§ 1 und 3 UWG verneint. Es ist dabei unausgesprochen davon ausgegangen, daß für den Schutz bekannter Kennzeichnungen auch nach Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 unbeschränkt wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen herangezogen werden können.

Dem kann nicht beigetreten werden. Nach der – erst nach Erlaß des Berufungsurteils – ergangenen Rechtsprechung des Senats ergibt sich der im Streitfall in Rede stehende Schutz bekannter Kennzeichnungen seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes in erster Linie aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 (§ 9 Abs. 1 Nr. 3) und § 15 Abs. 3 MarkenG. Die Regelung des Markengesetzes ist an die Stelle des bisherigen, von der früheren Rechtsprechung entwickelten Schutzes getreten und läßt in ihrem Anwendungsbereich für eine gleichzeitige Anwendung von § 1 UWG oder § 823 BGB grundsätzlich keinen Raum mehr (BGH, Urt. v. 30.4.1998 – I ZR 268/95, GRUR 1999, 161, 162 = WRP 1998, 1181 – MAC Dog).

Danach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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