BGH: Pelikan – Zur Verwechslungsgefahr zwischen den Waren „Lehrmitteln“ und der Dienstleistung „Unterricht“ Urteil vom 19.04.2012 – I ZR 86/10

a) Hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen Ansprüche aus verschiedenen Kennzeichenrechten alternativ verfolgt, ist ein gerichtlicher Hinweis auf die Notwendigkeit der Angabe der Reihenfolge der geltend gemachten Kennzeichenrechte nicht deshalb entbehrlich, weil das Gericht die Ansprüche für unbegründet hält.

b) Der Geschäftsführer einer GmbH haftet regelmäßig für eine Markenverletzung auch persönlich, die in der Verwendung der Firma der juristischen Person liegt.

BGH, Urteil vom 19.042012 – I ZR 86/10Pelikan
Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3, § 253 Abs. 2 Nr. 2

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und Dr. Koch für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. März 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage im Umfang der im Revisionsverfahren verfolgten Klageanträge zu 1 bis 4 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, die Pelikan Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, gehört zu den größten Papier-, Büro- und Schreibwarenherstellern Deutschlands. Sie ist Inhaberin der Wortmarken Nr. 677564 „Pelikan“ (Priorität 28. November 1942, eingetragen für Lehrmittel) und Nr. 85195 „PELIKAN“ (Priorität 12. April 1905, eingetragen für Lehrmittel ausgenommen Apparate). Sie ist weiterhin Inhaberin der nachfolgenden Marken:

– der deutschen Wort-/Bildmarke Nr. 2033253, die mit Priorität vom 20. November 1992 für Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) eingetragen ist:

– der Gemeinschaftsbildmarke Nr. 179242, die über eine Priorität vom 1. April 1996 verfügt und für Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) eingetragen ist:

– der Gemeinschaftsbildmarke Nr. 179226 (Priorität 1. April 1996), die für Erziehung und Ausbildung registriert ist:

– der deutschen Bildmarke Nr. 1014333, die seit dem 17. Februar 1981 für Lehrmittel (ausgenommen Apparate) eingetragen ist:

2
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, ist die Musikschule Pelikan GmbH (nachfolgend Beklagte). Sie ist im Februar 2003 errichtet worden und betreibt in Minden eine private Musikschule, in der Instrumental- und Gesangsunterricht angeboten wird. Die Beklagte schaltete unter dem Domainnamen „musikschule-pelikan.de“ den nachfolgenden Internetauftritt:

3
Die Klägerin sieht in der Verwendung der Unternehmensbezeichnung der Beklagten und des Domainnamens eine Verletzung ihrer bekannten Kennzeichenrechte. Sie hat behauptet, sie biete seit langer Zeit Unterrichtshilfen für Lehrer im Grundschulbereich an.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, das Zeichen „Pelikan“ in Alleinstellung und/oder als Bestandteil eines kombinierten Zeichens und als Domainnamen zu benutzen, sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz begehrt.

5
Das Berufungsgericht hat die im ersten Rechtszug erfolgreiche Klage abgewiesen (OLG Hamm, Urteil vom 23. März 2010 – 4 U 175/09, juris).

6
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision beantragt die Klägerin,

1. die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
a) im geschäftlichen Verkehr den Ausdruck „Musikschule Pelikan“ als geschäftliche Bezeichnung einer Musikschule und/oder als Zeichen für Dienstleistungen einer Musikschule zu benutzen;
b) im geschäftlichen Verkehr den Domainnamen „musikschule-pelikan.de“ als geschäftliche Bezeichnung einer Musikschule und/oder als Zeichen für Dienstleistungen einer Musikschule zu benutzen;
2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit diese Handlungen ab dem 11. Januar 2005 erfolgten;
3. festzustellen, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit diese Handlungen vor dem 11. Januar 2005 erfolgten;
4. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die von der Beklagten zu 1 seit deren Bestehen erzielten Umsätze zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines chronologisch zu ordnenden Verzeichnisses, in dem die Umsätze monatlich, nach dem jeweils tätigen Musiklehrer geordnet, aufgeführt sind.

7
Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

8
I. Das Berufungsgericht hat das Verbotsbegehren der Klägerin als unbestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen, weil die Klägerin die Ansprüche aus den verschiedenen Kennzeichenrechten wahlweise zur Entscheidung gestellt habe.

9
In der Sache gehe das beantragte Verbot zu weit. Die Beklagten hätten die Bezeichnung „Pelikan“ nicht in Alleinstellung benutzt. Für ein Schlechthinverbot sei auch deshalb kein Raum, weil sich nicht feststellen lasse, dass die Verwendung von „Pelikan“ auch in Kombination mit weiteren Zusätzen eine Verwechslungsgefahr begründe. Es bliebe deshalb für das beantragte Verbot allenfalls die konkrete Verletzungsform gestützt auf ein bestimmtes Kennzeichenrecht.

10
Aus den Gemeinschaftsmarken könne die Klägerin den Unterlassungsantrag nicht herleiten, weil diese keine Abwehrrechte gegen die Verwendung eines Zeichens als Firma gewährten. Bei den deutschen Marken sei in erster Linie von der Wortmarke Nr. 677564 „Pelikan“ auszugehen. Zwischen dieser Marke und den angegriffenen Zeichen bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Beklagten hätten die angegriffenen Zeichen zwar markenmäßig benutzt. Zwischen den Waren „Lehrmittel“, für die die Klagemarke eingetragen sei, und der Dienstleistung „Musikunterricht“, für die die beanstandeten Zeichen verwendet worden seien, bestehe keine Ähnlichkeit im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

11
Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aufgrund des Bekanntheitsschutzes der Kennzeichen nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG scheiterten ebenfalls. Die Klägerin habe nichts dazu vorgetragen, dass die Verwendung der beanstandeten Bezeichnungen die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Kennzeichen der Klägerin ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutze oder beeinträchtige. Die übrigen Marken gewährten der Klägerin keinen weitergehenden Schutz.

12
Auch auf die Unternehmensbezeichnung könne die Klägerin ihr Verbotsbegehren nicht mit Erfolg stützen. Die Verwechslungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG scheitere an einer absoluten Branchenunähnlichkeit. Ein Anspruch aus § 15 Abs. 3 und 4 MarkenG komme wegen fehlender Rufausbeutung oder Rufschädigung nicht in Betracht.

13
Mangels Rechtsgutverletzung seien die Auskunfts- und Schadensersatzansprüche ebenfalls nicht begründet. Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen sei der Anspruch gegen den Beklagten zu 2 wegen der Firmierung der Beklagten zu 1 schon deshalb ausgeschlossen, weil dieser als Geschäftsführer die Firmierung der Gesellschaft nicht ändern könne.

14
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen Beurteilung, das Klagebegehren sei nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ist nicht verfahrensfehlerfrei getroffen.

15
1. Die Revision ist auf die Anfechtung des Berufungsurteils beschränkt, soweit das Berufungsgericht die Klage im Umfang der „Insbesondere“-Teile der Verbotsanträge und der hierauf bezogenen Annexanträge auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und auf Auskunftserteilung abgewiesen hat. Die Abweisung der in den Vorinstanzen verfolgten Klageanträge in dem darüber hinausgehenden Umfang – die Klageanträge richteten sich auch gegen eine Verwendung des Zeichens „Pelikan“ in Alleinstellung und/oder als Bestandteil eines kombinierten Zeichens und gegen die Anmeldung und Benutzung des Zeichens „Pelikan“ als Domainnamen – nimmt die Revision hin.

16
2. Die Klage ist in dem in der Revisionsinstanz weiterverfolgten Umfang nicht wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig. Das folgt entgegen der Ansicht der Revision allerdings nicht schon daraus, dass die Klägerin die verschiedenen streitgegenständlichen Schutzrechte in den Vorinstanzen kumulativ geltend gemacht hat. Dem Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt genug zu bezeichnen, ist die Klägerin jedoch in der Revisionsinstanz dadurch nachgekommen, dass sie hilfsweise angegeben hat, in welcher Reihenfolge sie ihre Ansprüche auf die verschiedenen Kennzeichenrechte stützt.

17
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f. – Reinigungsarbeiten). Geht der Kläger aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (BGH, Urteil vom 20. September 2007 – I ZR 6/05, GRUR 2005, 1071 Rn. 56 = WRP 2007, 1461 – Kinder II; zum Urheberrecht BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Rn. 17 = WRP 2007, 996 – Staatsgeschenk).

18
Im Streitfall liegen danach insoweit unterschiedliche Streitgegenstände vor, als die Klägerin aus ihren verschiedenen Marken und ihrem Unternehmenskennzeichen vorgeht. Dagegen bilden die Ansprüche wegen Verletzung eines Markenrechts nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG einen einheitlichen Streitgegenstand; dasselbe gilt für den Schutz einer geschäftlichen Bezeichnung nach § 15 Abs. 2 und 3 MarkenG (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 Rn. 32 = WRP 2012, 716 – OSCAR).

19
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die verschiedenen Streitgegenstände in erster Instanz und im Berufungsverfahren nicht kumulativ, sondern alternativ geltend gemacht hat. Das folgt aus der Auslegung des Klagevorbringens.

20
Dafür, dass die Klägerin die verschiedenen Streitgegenstände im Wege kumulativer Klagehäufung verfolgt hat, ergeben sich vorliegend entgegen der Ansicht der Revision keine Anhaltspunkte. Vielmehr lag zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts Anfang 2010 eine alternative Klagehäufung vor, bei der der Kläger sein Klagebegehren aus mehreren Streitgegenständen herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Streitgegenstand es die stattgebende Entscheidung stützt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 6 ff. – TÜV I). Diese Vorgehensweise entsprach einer im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes verbreiteten Übung, die der Senat in der Vergangenheit nicht beanstandet und erstmals in seinem Hinweisbeschluss vom 24. März 2011 als unzulässig angesehen hat (vgl. BGHZ 189, 56 Rn. 8 – TÜV I; BGH, Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 30 = WRP 2011, 1454 – TÜV II). Ohne konkrete Anhaltspunkte im Sachvortrag der Klägerin, an denen es vorliegend fehlt, hatte das Berufungsgericht vor dem Hintergrund der zuvor geübten Praxis keinen Grund, von einer kumulativen Klagehäufung auszugehen (BGH, Urteil vom 15. März 2012 – I ZR 137/10, GRUR 2012, 630 Rn. 15 = WRP 2012, 824 – CONVERSE II).

21
c) Die Klägerin kann in der Revisionsinstanz nicht mehr von der alternativen Klagehäufung zur kumulativen Klagehäufung übergehen, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revisionsinstanz nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, GRUR 2011, 1043 Rn. 32 – TÜV II).

22
3. Die Klägerin ist jedoch in der Revisionsinstanz hilfsweise von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung übergegangen. Sie hat bestimmt, dass sie ihre Ansprüche zunächst auf ihre Markenrechte – und zwar zuerst auf die Marke Nr. 677564 und sodann in nachstehender Reihenfolge auf die Marken Nr. 85195, Nr. 2033253, Nr. 179242, Nr. 179226 und Nr. 1014333 – und anschließend auf ihr Unternehmenskennzeichen „Pelikan Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG“ stützt.

23
Der Übergang von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung noch in der Revisionsinstanz durch Angabe der Reihenfolge, in der die Rechte aus den verschiedenen Kennzeichen geltend gemacht werden, ist zulässig (vgl. BGHZ 189, 56 Rn. 13 – TÜV I; Urteil vom 9. November 2011 – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rn. 18 = WRP 2012, 330 – Basler Haar-Kosmetik). Eine entsprechende Klarstellung wäre zwar bereits in der Klage geboten gewesen. Sie kann aber noch im Laufe des Verfahrens, und zwar auch noch in der Berufungs- oder der Revisionsinstanz nachgeholt werden. Auf die Angabe einer Reihenfolge hätte das Berufungsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 und 3 ZPO hinwirken müssen. Zu Recht rügt die Revision, dass ein entsprechender Hinweis des Berufungsgerichts unterblieben ist.

24
a) Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich nicht mit hinreichender Klarheit, dass die Klägerin rechtzeitig auf die Notwendigkeit hingewiesen worden ist, die Reihenfolge anzugeben, in der die Rechte aus den verschiedenen Kennzeichen geltend gemacht werden. Dort findet sich zwar die Angabe, dass die Verbotsfassung im Senatstermin erörtert worden ist. Das kann sich aber auch auf die aus Sicht des Berufungsgerichts zu weite Fassung des Unterlassungsantrags beziehen. Im Übrigen verfolgt das Gesetz mit dem Erfordernis, den Hinweis aktenkundig zu machen, nicht nur den Zweck, Streit darüber zu vermeiden, ob eine bestimmte Frage in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist; das Erfordernis der Dokumentation sorgt vielmehr auch dafür, dass der Hinweis in einer Form erteilt wird, die der Partei, an die er sich richtet, die Notwendigkeit einer prozessualen Reaktion – und sei es in der Form seines Antrags nach § 139 Abs. 5 ZPO – deutlich vor Augen führt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 20/10, GRUR 2011, 1140 Rn. 23 = WRP 2011, 1606 – Schaumstoff Lübke). Deshalb sind gerichtliche Hinweise, die in der mündlichen Verhandlung erteilt werden, in der Regel in das Verhandlungsprotokoll aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2005 – VII ZR 34/04, BGHZ 164, 166, 172 f.), was vorliegend nicht geschehen ist.

25
b) Ein Hinweis auf die Notwendigkeit der Angabe der Reihenfolge der geltend gemachten Kennzeichenrechte war entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht deshalb entbehrlich, weil ein zulässig gefasster Verbotsantrag unbegründet wäre. Die Frage der Bestimmtheit des Klageantrags und des Klagegrunds im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO betrifft die Zulässigkeit der Klage. Ein Hinweis zur Zulässigkeit der Klage ist aber nicht deshalb überflüssig, weil die zulässige Klage unbegründet wäre. Dem steht schon die unterschiedliche Reichweite einer Klageabweisung als unzulässig oder als unbegründet entgegen. Während das Prozessurteil in Rechtskraft nur im Hinblick auf den behandelten verfahrensrechtlichen Punkt erwächst (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1985 – IVb ZR 76/83, NJW 1985, 2535) und den Kläger nicht hindert, nach Behebung des Zulässigkeitsmangels erneut zu klagen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1953 – IV ZR 48/53, BGHZ 11, 222, 223 f.), ist bei einem die Klage sachlich abweisenden Urteil eine erneute Entscheidung über den Anspruch ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50).

26
4. Das Berufungsurteil kann danach im angefochtenen Umfang nicht aufrechterhalten werden (§ 562 ZPO). Insoweit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die hinreichende Bestimmtheit des Klagegrunds im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verneint. Es hat danach – auch wenn es dies nicht ausdrücklich ausgeführt hat – die Klage als unzulässig abgewiesen. Dies ergibt sich, anders als die Revisionserwiderung meint, aus einer Auslegung der Urteilsgründe. Das Berufungsgericht hat seine die Klage abweisende Entscheidung in erster Linie auf eine mangelnde Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit auf eine Unzulässigkeit der Klage gestützt. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass die Klage auch in der Sache nicht begründet ist, gelten als nicht geschrieben (vgl. BGHZ 11, 222, 224; BGH, Urteil vom 3. Juli 2009 – V ZR 58/08 Rn. 11, juris).

27
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

28
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beanstandeten Verletzungshandlungen nicht auf einen rein firmenmäßigen Gebrauch der angegriffenen Zeichen beschränkt sind, sondern zugleich eine markenmäßige Benutzung darstellen.

29
a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs wird eine Marke nicht im Sinne von Art. 5 Abs. 1 MarkenRL „für Waren oder Dienstleistungen“ benutzt, wenn das angegriffene Zeichen ausschließlich als Unternehmensbezeichnung – also ausschließlich firmenmäßig – verwendet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 2002 – C-23/01, Slg. 2002, I-10913 = GRUR 2003, 143 Rn. 27 ff. – Robeco/Robelco; Urteil vom 16. November 2004 – C-245/02, Slg. 2004, I-10989 = GRUR 2005, 153 Rn. 64 – Anheuser-Busch I; Urteil vom 11. September 2007 – C-17/06, Slg. 2007, I-7041 = GRUR 2007, 971 Rn. 21 – Céline; BGH, Urteil vom 13. September 2007 – I ZR 33/05, GRUR 2008, 254 Rn. 22 = WRP 2008, 236 – THE HOME STORE; BGH, GRUR 2011, 1140 Rn. 17 – Schaumstoff Lübke).
Die Benutzung eines Unternehmenskennzeichens ist allerdings zugleich eine markenmäßige Benutzung, wenn die Herkunftsfunktion der Klagemarke beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden kann. Das ist der Fall, wenn die Verwendung des Unternehmenskennzeichens – etwa durch seine Anbringung auf den Waren oder durch seine Verwendung in der Werbung für die Waren oder Dienstleistungen beispielsweise in Katalogen oder im Rahmen eines Internetauftritts – den Verkehr zu der Annahme veranlasst, dass eine Verbindung zwischen dem angegriffenen Unternehmenskennzeichen und den Waren oder Dienstleistungen besteht, die der Dritte vertreibt (vgl. EuGH, GRUR 2007, 971 Rn. 16 und 23 – Céline; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – I ZR 200/06, GRUR 2009, 772 Rn. 48 = WRP 2009, 971 – Augsburger Puppenkiste; Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 59 = WRP 2009, 1533 – airdsl; BGH, GRUR 2011, 1140 Rn. 17 – Schaumstoff Lübke).

30
b) Eine in diesem Sinn markenmäßige Benutzung der angegriffenen Unternehmensbezeichnung und des Domainnamens der Beklagten liegt in dem beanstandeten Internetauftritt der Beklagten (s. oben Rn. 2). Dort wird ein Zusammenhang zwischen den angegriffenen Kennzeichen und den Dienstleistungen der Beklagten hergestellt. Über die erste Seite des Internetauftritts der Beklagten gelangt der Nutzer zu drei weiteren Internetseiten, die das Dienstleistungsangebot, die dazugehörigen Preise und Hinweise zur Anmeldung enthalten. Im oberen Bereich dieser Internetseiten, die das Dienstleistungsangebot der Beklagten beschreiben, befindet sich jeweils die beanstandete Unternehmensbezeichnung der Beklagten.

31
c) Sollte es im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch auf die Ansprüche aus den Gemeinschaftsmarken Nr. 179242 und Nr. 179226 ankommen, kann dem Berufungsgericht allerdings nicht darin gefolgt werden, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht auf die Gemeinschaftsmarken stützen kann, weil diese keine Abwehrrechte gegen Firmierungen gewähren. Für Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV gilt kein anderer Benutzungsbegriff als für Art. 5 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL und § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (vgl. BGH, GRUR 2008, 254 Rn. 22 und 23 – THE HOME STORE; BGH, Urteil vom 24. November 2011 – I ZR 175/09, GRUR 2012, 618 Rn. 17 = WRP 2012, 813 – Medusa).

32
d) Der Unterlassungsantrag geht jedoch auch in dem Umfang, in dem er noch in der Revisionsinstanz weiterverfolgt wird, über eine rechtsverletzende Benutzung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV hinaus, weil der jeweils erste Teil des Unterlassungsantrags zu 1 a und b nicht auf die konkrete Verletzungsform einer markenmäßigen Verwendung beschränkt ist, sondern sich gegen jede Verwendung der Angabe und des Domainnamens „Musikschule Pelikan“ als geschäftliche Bezeichnung einer Musikschule richtet.

33
2. Die Verwechslungsgefahr wird das Berufungsgericht – entgegen den Ausführungen, die es bislang zur Unbegründetheit des Klageanspruchs gemacht hat – nicht mit der Begründung verneinen können, zwischen den Waren „Lehrmittel“, für die die Klagemarke Nr. 677564 geschützt sei, und der Dienstleistung „Musikunterricht“, für die die angegriffenen Bezeichnungen verwendet werden, bestehe absolute Unähnlichkeit im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Lehrmittel seien klassische Hilfsmittel für den Unterricht ohne speziellen Bezug zum jeweiligen Unterrichtsinhalt, wie etwa Schreibutensilien. Dazu rechneten nicht Lehrpläne, anhand deren unterrichtet werde. Um eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen zu bejahen, müssten besondere Umstände vorliegen. Diese seien im Streitfall im Verhältnis zwischen verwendungsneutralen Lehrmitteln und Musikunterricht nicht gegeben. Dadurch wird der Begriff der Lehrmittel zu eng gezogen und deshalb eine Ähnlichkeit zwischen Lehrmitteln und Musikunterricht rechtsfehlerhaft verneint.

34
a) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen. Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist. Dabei gibt es eine absolute Waren- und Dienstleistungsunähnlichkeit, die auch bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 29. September 1998 -C-39/97, Slg. 1998, I-5507 = GRUR 1998, 922 Rn. 15 – Canon; BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – I ZB 100/05, GRUR 2007, 321 Rn. 20 = WRP 2007, 321 – COHIBA; Urteil vom 5. Februar 2009 – I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Rn. 25 = WRP 2009, 616 – METROBUS).

35
b) Zu den Lehrmitteln rechnen Medien, die an Schulen, Hochschulen und anderen pädagogischen oder wissenschaftlichen Einrichtungen zur Vermittlung des Lehrstoffs von Lehrenden eingesetzt werden. Dazu zählen etwa Wandkarten und -tafeln, Modelle, Sammlungen und audiovisuelle Unterrichtsmittel (vgl. Brockhaus, 2008, Stichwort „Lehrmittel“). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sind Lehrmittel danach nicht auf Hilfsmittel ohne inhaltlichen Bezug zum Unterricht beschränkt. Rechnen zu den Lehrmitteln auch Erzeugnisse mit inhaltlichem Bezug zum Unterricht, kann der Annahme des Berufungsgerichts, das die (absolute) Unähnlichkeit zwischen Lehrmitteln und Musikunterricht damit begründet hat, dass Lehrmittel verwendungsneutral seien, nicht zugestimmt werden. Dabei dürfen an eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen keine unüberwindbar hohen Anforderungen gestellt werden. Zwar sind Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen, soweit sie Waren hervorbringen, ohne weiteres als ähnlich anzusehen. Besondere Umstände können jedoch die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2000 – I ZB 32/97, GRUR 2000, 883, 884 = WRP 2000, 1152 – PAPPAGALLO). Maßgeblich ist insoweit die Verkehrsanschauung.
Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen liegt vor, wenn das Publikum annimmt, die Ware und die Dienstleistung stammten aus demselben oder jedenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ein Indiz für eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen kann vorliegen, wenn die Waren nicht allgemein angeboten und verwendet werden, sondern typischerweise bei der Erbringung der Dienstleistungen zur Anwendung kommen (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2003 – I ZR 103/01, GRUR 2004, 241, 243 = WRP 2004, 357 – GeDIOS), wie dies für das Verhältnis zwischen Lehrmitteln und Unterricht in Betracht kommt (vgl. BPatG, Beschluss vom 26. Januar 2005 – 32 W (pat) 78/02, juris Rn. 40; Beschluss vom 7. November 2007 – 32 W (pat) 19/07, juris Rn. 20).

36
3. Für eine mögliche Kennzeichenverletzung haftet neben der Beklagten zu 1 auch der Beklagte zu 2 als deren Geschäftsführer, wenn er Kenntnis von den Kennzeichenverletzungen hatte und sie nicht verhindert hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1985 – I ZR 86/83, GRUR 1986, 248, 250 f. – Sporthosen; Urteil vom 22. April 2009 – I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 47 = WRP 2009, 1001 – Internet-Videorecorder; BGH, GRUR 2011, 1043 Rn. 70 – TÜV II). Dies gilt auch im Hinblick auf die Unterlassungspflicht nach dem Klageantrag zu 1 a bezogen auf die konkrete Verletzungsform. Auch wenn der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer die Firmierung nicht selbst ändern kann, trifft ihn – unterstellt es liegt eine Kennzeichenverletzung vor – die Pflicht, die rechtsverletzende Benutzung der beanstandeten Bezeichnung zu unterlassen. Soweit dies erforderlich ist, hat er auf eine Änderung der Firmierung durch Änderung des Gesellschaftsvertrags hinzuwirken (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 53 Abs. 1 GmbHG).

Unterschriften

Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 09.09.2009 – 16 O 52/09
OLG Hamm, Entscheidung vom 23.03.2010 – I-4 U 175/09

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