BGH: Oddset – nur bei Lotto!

BGH, Urteil vom 28.10.2004 – I ZR 59/02
UWG §§ 3, 5 Abs. 1; UWG a.F. § 3 Satz 1

Die Werbeaussage „Oddset, die Sportwette mit festen Quoten, nur bei Lotto!“ erweckt auch bei denjenigen Adressaten der Werbung, die kein spezielles Vorverständnis des Begriffs „Oddset“ besitzen, den Eindruck, daß der Lottoblock der einzige Anbieter solcher Wetten sei.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. …

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Dezember 2001 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 4. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel werden dem Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein in der DDR im Jahr 1990 gegründetes Unternehmen mit Sitz in G. , bietet Sportwetten an, für die sie bundesweit wirbt. Sie stützt sich hierbei auf einen Bescheid des Magistrats der Stadt G. (Gewerbeamt) vom 14. September 1990, mit dem ihr die Gewerbeerlaubnis für den „Abschluß von Sportwetten – Buchmacher“ erteilt worden ist. Bemühungen der Verwaltungsbehörden, der Klägerin das Geschäft mit Sportwetten zu untersagen, sind erfolglos geblieben, weil die Verwaltungsgerichte davon ausgegangen sind, daß die Gewerbeerlaubnis vom 14. September 1990 trotz des Außerkrafttretens des Gewerberechts der DDR und auch ungeachtet der gesetzlichen Neuregelung durch das Thüringer Lotteriegesetz im Jahre 1994 weiterhin wirksam sei. Mehrere wegen des Verdachts der Veranstaltung eines ungenehmigten Glücksspiels durchgeführte Ermittlungsverfahren sind eingestellt worden.

Der beklagte F. veranstaltet seit 1999 durch die Staatliche Lotterieverwaltung, eine staatliche Einrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Geschäftsbereich des Finanzministeriums, als Mitglied des Deutschen Lotto- und Totoblocks (im weiteren: Lottoblock) ebenfalls Sportwetten. Er ist Inhaber der aufgrund Anmeldung vom 7. August 1998 am 6. November 1998 bei Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Wort-/Bildmarke mit dem Wortbestandteil „ODDSET DIE SPORTWETTE“ sowie der am 27. März 2000 eingetragenen Wortmarke „ODDSET“. Er bietet unter der auch von den anderen dem Lottoblock angehörenden Unternehmen genutzten Bezeichnung „ODDSET Die Sportwette“ in B. Sportwetten zu festen Gewinnquoten an. Diese Art von Wetten hat in England und Skandinavien, wo sie als „Oddset“ bezeichnet werden, eine lange Tradition. Seit 1990 wird sie zunehmend auch in der Bundesrepublik Deutschland angeboten. Bei der 1999 erfolgten Änderung des Rennwett- und Lotterierechts haben der Bundesgesetzgeber und mehrere Landesgesetzgeber den Begriff „Oddset“ als Synonym für Sportwetten mit festen Gewinnquoten verwendet.

Im Februar 2000 warb der Beklagte für die von ihm angebotenen Sportwetten im Fernsehen mit dem Slogan

„Oddset, die Sportwette mit festen Quoten, nur bei Lotto!“.

Die Klägerin hat diese Werbung als irreführend beanstandet. Der Beklagte spiegele mit ihr wahrheitswidrig vor, daß Sportwetten mit festen Gewinnquoten allein von den Lotto-Unternehmen angeboten würden. Bei dem Begriff „Oddset“ handele es sich zudem ausweislich der Begründungen des Bundesgesetzgebers und der Landesgesetzgeber für die Änderung des Rennwett- und Lotterierechts um ein für Sportwetten allgemein gebräuchliches Synonym.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung des beanstandeten Werbeslogans, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, mit der beanstandeten Werbung werde lediglich behauptet, daß die unter der inzwischen bekannten Marke „Oddset“ angebotenen Wetten nur von den staatlichen Lotterieunternehmen veranstaltet würden. Der verständige und durchschnittlich informierte Verbraucher wisse, daß Sportwetten mit festen Gewinnquoten nicht nur von den staatlichen Lotterieunternehmen, sondern auch von anderen Unternehmen angeboten würden. Die Verwendung des Begriffs in dem am 1. April 2000 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes sei insoweit nicht aussagekräftig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Mit der Berufung hat der Beklagte des weiteren geltend gemacht, daß die Klägerin über keine, zumindest aber über keine für B. geltende Genehmigung für die Veranstaltung von Sportwetten verfüge. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht hat die Klägerin als aus § 3 UWG a.F. aktivlegitimiert angesehen, aber gemeint, diese habe den ihr obliegenden Nachweis für die behauptete Irreführung nicht erbracht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Umstand, daß die Klägerin von ihrem Geschäftssitz in G. aus tätig werde und die Tätigkeit des Beklagten sich auf B. beschränke, stehe der Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen, weil die beanstandete Werbung des Beklagten bundesweit ausgestrahlt und damit nicht nur für dessen Wettangebot, sondern auch für die Leistungen der weiteren im Lottoblock zusammengeschlossenen Länder geworben worden sei. Ungeachtet des vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten gesetzlichen Monopols des Beklagten für das Veranstalten von Sportwetten in B. könne im übrigen jedermann mit der Klägerin entsprechende Wettverträge schriftlich, telefonisch oder per Telefax abschließen. Die Klägerin wäre zwar dann nicht aktivlegitimiert, wenn ihr Verhalten den Straftatbestand des unerlaubten Veranstaltens von Glücksspielen erfüllte. Sie könne sich insoweit jedoch auf die ihr erteilte und von den Verwaltungsgerichten auch weiterhin als ausreichende Grundlage für ihre Tätigkeit angesehene Gewerbeerlaubnis stützen.
Die Klägerin habe aber nicht nachgewiesen, daß ein relevanter Teil der zumindest als potentielle Teilnehmer derartiger Sportwetten in Betracht kommenden Personen die Werbeaussage dahin verstehe, daß Sportwetten mit festen Quoten nur von den Lotto-Unternehmen angeboten würden. Verstehe der Verkehr – wie die Mitglieder des Senats – den Begriff „Oddset“ nicht als Synonym für Sportwetten mit festen Quoten, sondern als Bezeichnung der von den Lotto-Unternehmen angebotenen Wette, rechtfertige auch die Verwendung des bestimmten Artikels „die Sportwette mit festen Quoten, nur bei Lotto!“ nicht die Annahme, der angesprochene Verkehr werde meinen, daß es Sportwetten mit festen Gewinnquoten nur bei Lotto gebe. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Wortsinn beschreibe dieser Zusatz den vorangestellten Begriff „Oddset“. Der Umstand, daß die staatlichen Lotterie-Unternehmen ein weitgehendes Monopol für das Veranstalten von Glücksspielen besäßen, lege das von der Klägerin behauptete Verständnis ebenfalls nicht ohne weiteres nahe. Auch wenn man davon ausgehe, daß die Werbung dennoch von einem nicht völlig unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise anders verstanden werden könne, habe kein Anlaß bestanden, zu der Frage der Irreführungsgefahr von Amts wegen ein demoskopisches Gutachten einzuholen.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht (zu nachstehend 1.). Zu Unrecht hat es aber gemeint, daß von einer Irreführung i.S. der §§ 3 Satz 1, 5 Abs. 1 UWG nicht ausgegangen werden könne (zu nachstehend 2.).

1. Das Berufungsgericht hat die Klägerin mit Recht als klagebefugt und aktivlegitimiert angesehen (§ 3 UWG a.F., § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Beide bieten Sportwetten an.

Der Klägerin fehlt die Klagebefugnis auch nicht deshalb, weil, wie der Beklagte geltend macht, deren Betätigung als Sportwettunternehmen als verboten anzusehen wäre. Hierbei kann die Frage unentschieden bleiben, ob es für die Klagebefugnis eines Mitbewerbers grundsätzlich von Bedeutung ist, daß sich seine gewerbliche Betätigung als erlaubt darstellt (vgl. dazu OLG Hamburg WRP 1957, 80; 1982, 533 f.; OLG Bremen GRUR 1988, 137, 138; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 364; Pastor/Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 23 Rdn. 16; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 324 und § 13 UWG a.F. Rdn. 12). Im Streitfall ist vielmehr entscheidend, daß sich die Klägerin für ihre Betätigung als Sportwettunternehmen auf die ihr am 14. September 1990 erteilte Gewerbeerlaubnis stützen kann, wobei Gründe für deren Nichtigkeit sowie dafür, daß sie nicht fortgilt, von den für die Klägerin örtlich zuständigen Verwaltungsgerichten in Thüringen (VG Gera, Beschl. v. 13.1.1997 – 1 E 1274/96 GE; Thüringer OVG GewArch 2000, 118, 119 ff.) ausdrücklich verneint worden sind (vgl. OLG Nürnberg OLG-Rep 2001, 154; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.10.2001 – I ZR 172/99, GRUR 2002, 269, 270 = WRP 2002, 323 – Sportwetten-Genehmigung).

2. Das Berufungsgericht hat, soweit es die mit der Klage beanstandete Werbung der Beklagten als nicht nachweislich irreführend i.S. des § 3 Satz 1 UWG a.F. (nunmehr: §§ 3, 5 Abs. 1 UWG) beurteilt hat, verkannt, daß es nach der Lebenserfahrung nicht darauf ankommt, ob den angesprochenen Verkehrskreisen oder immerhin erheblichen Teilen von ihnen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 2.10.2003 – I ZR 252/01, GRUR 2004, 162, 163 = WRP 2004, 225 – Mindestverzinsung) geläufig ist, daß „Oddset“ als Bezeichnung für Sportwetten oder für Sportwetten mit festen Gewinnquoten anzusehen ist. Entscheidend ist vielmehr, daß sich bei der angegriffenen Werbebehauptung nicht erkennen läßt, daß es sich bei „Oddset“ um eine Marke des Beklagten handelt, deren Verwendung allein diesem vorbehalten ist.

Der Verbraucher entnimmt der angegriffenen Werbung, daß es sich bei der „Oddset“ genannten Wette um eine Sportwette mit festen Gewinnquoten handelt. Sie vermittelt dem Verbraucher darüber hinaus den Eindruck, daß diese Sportwette allein von den dem Lottoblock angehörenden Unternehmen angeboten wird. Das trifft unstreitig nicht zu. Auch andere Veranstalter bieten Sportwetten mit festen Gewinnquoten an. Ein davon abweichendes Verständnis des Begriffs „Oddset“ dahin, daß es sich dabei um einen vom Beklagten mehr oder weniger frei gewählten (Phantasie-)Namen handele, der auf eine bestimmte Art von Sportwetten hinweise, die beim Beklagten bzw. dem Deutschen Lotto- und Totoblock nur entsprechend bezeichnet werde, liegt nach dem Gesamtzusammenhang, in dem der Begriff in der angegriffenen Werbung steht, gerade auch für diejenigen Verbraucher fern, die ihn bislang nicht gekannt und mit ihm daher auch keine konkreten Vorstellungen verbunden haben. Auch bei denjenigen Adressaten der Werbung, die kein spezielles Vorverständnis des Begriffs „Oddset“ besitzen, entsteht, da der das schlagwortartig „Oddset“ benannte Angebot der Beklagten beschreibende Teilsatz der Werbeaussage mit dem bestimmten Artikel „die“ eingeleitet und sodann darauf hingewiesen wird, daß allein der Lottoblock das Produkt anbiete, der Eindruck, daß allein der Lottoblock solche Wetten anbiete.

Für den Werbeadressaten liegt die Annahme fern, die Alleinstellungsbehauptung des Beklagten beziehe sich lediglich auf die Bezeichnung „Oddset“ als eine Marke der Beklagten. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung zudem außer Betracht gelassen, daß die staatlichen Lotterieunternehmen auf dem Gebiet des Veranstaltens von Glücksspielen ein gewachsenes weitgehendes Monopol besitzen. Der mit der beanstandeten Werbeaussage angesprochene Verkehr wird auch deshalb zu der – nicht zutreffenden – Auffassung gelangen, allein die staatlichen Lotterieunternehmen böten Sportwetten mit festen Gewinnquoten an.

3. Im Hinblick darauf, daß der Beklagte von den die Wettbewerbswidrigkeit seiner Werbung begründenden Umständen nach dem vorstehend Ausgeführten zumindest hätte Kenntnis haben müssen, ist er der Klägerin gegenüber außer zur Unterlassung auch zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1 UWG a.F. und nunmehr §§ 3, 5 Abs. 1, § 9 Abs. 1 UWG). Da der Eintritt eines Schadens bei der Klägerin zudem als hinreichend wahrscheinlich erscheint, ist deren Feststellungsantrag ebenfalls begründet (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2001 – I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 717 = WRP 2002, 977 – Scanner-Werbung, m.w.N.).

Die Klägerin kann schließlich auch die von ihr begehrten Auskünfte über die Art und den Umfang der vom Beklagten durchgeführten unzulässigen Werbemaßnahmen verlangen; denn sie benötigt diese Auskünfte, um den ihr dadurch möglicherweise entstandenen Schaden ermitteln und geltend machen zu können (§ 242 BGB).

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

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