BGH: Landgut Borsig – Namensschutz für Grundstücksbezeichnung Urteil vom 28.09.2011 – I ZR 188/09

Leitsatz:
Der Eigentümer einer Liegenschaft, die im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs mit dem bürgerlichen Namen einer Familie bezeichnet wird, kann diese Bezeichnung ungeachtet der Zustimmung der Namensträger für die Liegenschaft oder einen damit verbundenen Geschäftsbetrieb (weiter-)verwenden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht.

BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 188/09Landgut Borsig
BGB § 12 Satz 1 Fall 2

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. Oktober 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

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Der Kläger ist Nachfahre der (im Jahre 1907 geadelten) Berliner Industriellenfamilie Borsig. Albert Borsig erwarb 1866 ein Gut in Groß Behnitz im Havelland, etwa 40 Kilometer von Berlin entfernt. Der Kläger, der heute in München lebt, wuchs dort auf. Sein Vater, Dr. Ernst v. Borsig junior, war letzter Eigentümer des Guts und Mitglied der NS-Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“, die sich auch auf dem Gut in Groß Behnitz traf. Die sowjetische Besatzungsmacht enteignete 1947 diesen Grundbesitz der Familie v. Borsig. Im selben Jahr brannte das Gutshaus ab; erhalten blieben jedoch die Wirtschaftsgebäude und ein Logierhaus, die von einer LPG und einem Kindergarten genutzt wurden.

2
Im Jahr 2000 erwarb der Beklagte zu 1 von der Treuhandgesellschaft einen Teil des ehemaligen Guts der Familie v. Borsig in Groß Behnitz. Nach einer Teilsanierung machte er die Liegenschaft im Jahr 2004 der Öffentlichkeit zugänglich. Die Beklagte zu 2, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 1 ist, betreibt dort unter der Firma „Landgut Borsig Kontor GmbH“ ein Unternehmen, das sich auf die Durchführung kultureller und sonstiger Freizeitveranstaltungen sowie auf den Verkauf von typischen Produkten der Region spezialisiert hat. Die Beklagten verwenden zur Benennung der Beklagten zu 2 und ihres Geschäftsbetriebs die Bezeichnung „Landgut Borsig Groß Behnitz“. Der Beklagte zu 1 ließ zudem bei der DENIC eG den Domainnamen „landgut-borsig.de“ registrieren.

3
Der Kläger sieht in dem Verhalten der Beklagten eine Verletzung seines Namensrechts und hat beantragt,

1. die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, den Namen „Borsig“ allein oder in Kombination mit anderen Begriffen zu verwenden, um die Beklagte zu 2 oder einen von den Beklagten geführten Geschäftsbetrieb oder dessen Waren oder eine Liegenschaft zu bezeichnen, insbesondere den Begriff „Landgut Borsig“ zu verwenden;

2. den Beklagten zu 1 zu verurteilen, den Domainnamen „landgut-borsig.de“ zu löschen.

4
Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil dahin abgeändert, dass den Beklagten die Verwendung des Namens „Borsig“ nicht generell untersagt wird, sondern nur die des Begriffs „Landgut Borsig“. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

5
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Klägers aufgrund einer unberechtigten Namensanmaßung durch die Beklagten nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:

6
Die Beklagten hätten den Namen „Borsig“ unbefugt benutzt. Das von den Nachkommen der Anneliese v. Borsig, eines weiteren Mitglieds der Familie v. Borsig, dem Beklagten erteilte Einverständnis mit der Namensnutzung stehe der Klage nicht entgegen. Eine Gestattung der Borsig GmbH wirke lediglich schuldrechtlich, so dass sie den Kläger ebenfalls nicht an der Ausübung seines Namensrechts hindern könne. Zudem verfüge die Borsig GmbH über kein prioritätsälteres Namensrecht als der Kläger, weil sie erst 2002 gegründet worden sei und erst ab 2004 die Bezeichnung „Borsig“ als Firmenbestandteil verwende. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass sich der Name „Landgut Borsig“ für die Liegenschaft derart verselbständigt habe, dass eine Zustimmung zu der Benutzung nicht mehr erforderlich sei. Der Gebrauch des Namens rufe eine Zuordnungsverwirrung hervor, weil beim Publikum der unzutreffende Eindruck erweckt werde, der Kläger als unmittelbarer Nachfahre des letzten Eigentümers habe dem Gebrauch des Namens zugestimmt. Aufgrund der Bekanntheit des Namens „Borsig“ in Brandenburg und Berlin gingen weite Teile der angesprochenen Verkehrskreise zudem davon aus, es bestehe eine Verbindung zwischen dem Gut und dem Kläger. Dadurch würden schutzwürdige Interessen des Klägers verletzt. Eine Verwirkung der Ansprüche komme nicht in Betracht, selbst wenn der Kläger bereits im August 2001 Kenntnis von der unbefugten Nutzung erlangt haben sollte, weil er sein Recht spätestens im Juli 2006 und damit innerhalb der Frist des § 25 Abs. 2 MarkenG geltend gemacht habe. Im Übrigen habe der Kläger erst im Jahr 2004 nachhaltige Veranlassung zum Tätigwerden gehabt, als der Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 2 unter der Bezeichnung „Landgut Borsig“ aufgenommen worden sei.

7
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

8
Eine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB liegt vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2008 – I ZR 59/04, BGHZ 171, 104 Rn. 11 – grundke.de; Urteil vom 24. April 2008 – I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 Rn. 18 = WRP 2008, 1520 – afilias.de). Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, wird von seinen Feststellungen nicht getragen.

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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Rechte am Namen „Borsig“ geltend machen kann und daran nicht durch das Einverständnis weiterer Abkömmlinge der Familie mit der Benutzung dieses Namens durch die Beklagten gehindert ist.

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2. Die Beklagten haben den Namen des Klägers gebraucht.

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a) Das Berufungsgericht hat sich die Feststellungen des Landgerichts zu eigen gemacht, wonach die Beklagten den Namen „Borsig“ für die Bezeichnung der Beklagten zu 2 und deren Geschäftsbetrieb sowie für die vom Beklagten zu 1 erworbene Liegenschaft in Groß Behnitz als „Landgut Borsig“ benutzt haben. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Der Gebrauch eines fremden Namens im Sinne von § 12 Satz 1 Fall 2 BGB liegt auch vor, wenn der Dritte sich den Namen des Berechtigten als Firmenname, als Etablissementbezeichnung oder als sonstige Bezeichnung eines Unternehmens beilegt oder einen anderen mit dem fraglichen Namen bezeichnet (vgl. MünchKomm.BGB/Bayreuther, 5. Aufl., § 12 Rn. 150). Dass die Beklagten den Namen unter Voranstellung der Bezeichnung „Landgut“ oder Hinzufügung der Ortsbezeichnung oder des Begriffs „Kontor“ bzw. der Rechtsform der Beklagten zu 2 verwenden, steht dem Gebrauch des gleichen Namens nicht entgegen. Der Verkehr beachtet nicht diese beschreibenden Zusätze, sondern den unterscheidungskräftigen Familiennamen „Borsig“. Auch mit der Registrierung des Domainnamens „landgut-borsig.de“ hat der Beklagte zu 1 den Namen des Klägers verwendet.

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b) Allerdings kann nicht jede Verwendung eines fremden Namens als „Gebrauchen“ im Sinne von § 12 BGB angesehen werden. Die Vorschrift bezweckt allein den Schutz des Namens in seiner Funktion als Identitätsbezeichnung der Person seines Trägers. Deshalb sind nur solche Verwendungen verboten, die geeignet sind, eine namensmäßige Zuordnungsverwirrung hervorzurufen (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2002 – I ZR 235/99, GRUR 2002, 917, 919 = WRP 2002, 1169 – Düsseldorfer Stadtwappen; Urteil vom 2. Dezember 2004 -I ZR 92/02, BGHZ 161, 216, 220 – Pro Fide Catholica). Dafür kommt sowohl ein namens- oder kennzeichenmäßiger Gebrauch des Namens durch einen Dritten als auch eine Verwendung in Betracht, durch die der Namensträger zu bestimmten Einrichtungen, Gütern oder Erzeugnissen in Beziehung gesetzt wird, mit denen er nichts zu tun hat. Hierfür genügt es, dass im Verkehr der falsche Eindruck entstehen kann, der Namensträger habe dem Benutzer ein Recht zur entsprechenden Verwendung des Namens erteilt (BGH, GRUR 2002, 917, 919 – Düsseldorfer Stadtwappen; BGHZ 161, 216, 221 – Pro Fide Catholica).

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c) Von diesem rechtlichen Ansatz ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat in tatsächlicher Hinsicht ohne Rechtsverstoß angenommen, dass die Bezeichnung „Landgut Borsig“ beim Publikum den Eindruck erweckt, der Kläger habe als unmittelbarer Nachfahre des vormaligen Eigentümers Ernst v. Borsig dem Gebrauch seines Namens zugestimmt.

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Entgegen der Rüge der Revision erweist sich diese Annahme nicht aufgrund des 600 km entfernt liegenden Wohnorts des Klägers und auch nicht angesichts einer möglichen Vielzahl von Unternehmungen mit dem Namen „Borsig“ als Firmenbestandteil sowie der Existenz weiterer Angehöriger mit dem Geburtsnamen „v. Borsig“ als erfahrungswidrig. Der Kläger steht als Sohn des letzten Eigentümers in enger Beziehung zu der Liegenschaft. Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben nach der Wiedervereinigung vielerorts die alten Eigentümerfamilien den Besitz an ihren früheren Gütern wiedererlangt; zudem genießt der Name „Borsig“ Bekanntheit in Brandenburg und Berlin. Diese Umstände erlauben trotz der großen räumlichen Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und der Liegenschaft und trotz der Existenz weiterer Namensträger die Feststellung, dass jedenfalls ein Teil des angesprochenen Verkehrs eine Beziehung gerade zu dem Namensträger herstellt, der engster lebender Nachfahre des letzten Eigentümers aus der Familie Borsig ist.

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Die Revision wendet dagegen vergeblich ein, der Verkehr werde aufgrund der Verbundenheit des Namens „Borsig“ mit wirtschaftlicher Betätigung allenfalls eine Beziehung zwischen der Liegenschaft bzw. dem dort betriebenen Unternehmen und der Borsig GmbH annehmen. Damit setzt sie lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts.

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3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten den Namen des Klägers unbefugt gebraucht, wird jedoch von seinen Feststellungen nicht getragen.

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a) Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass eine Befugnis der Beklagten zum Gebrauch des Namens „Borsig“ aufgrund einer Gestattung der Borsig GmbH nicht in Betracht kommt.

18
Zwar hat der Senat im Interesse der Kontinuität einer Unternehmensbezeichnung entschieden, dass der Inhaber einer geschäftlichen Kennzeichnung oder eines Namens einem anderen die Benutzung in schuldrechtlich wirksamer Weise gestatten kann, so dass sich der andere in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 986 Abs. 1 BGB auf die Priorität des Gestattenden berufen kann, wenn ein Dritter ihn aufgrund der Bezeichnung in Anspruch nimmt (BGH, Urteil vom 18. März 1993 – I ZR 178/91, BGHZ 122, 71, 73 ff. – Decker; Urteil vom 28. Februar 2002 – I ZR 177/99, BGHZ 150, 82, 92 – Hotel Adlon). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass in Fällen der Verwendung eines Familiennamens, der von mehreren Namensträgern berechtigt geführt wird, einer der Namensträger einem Dritten die Verwendung dieses Namens ohne besonderen Anlass gestatten könnte und die anderen Namensträger die infolge der Verwendung des Namens durch den Dritten eintretende Zuordnungsverwirrung hinnehmen müssten. Unabhängig davon können durch eine solche Gestattung keine Rechte gegenüber Gleichnamigen begründet werden, die über die Rechte des Gestattenden hinausgehen.

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Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts konnten die Beklagten durch die Gestattung der Borsig GmbH schon deshalb kein gegenüber dem Kläger prioritätsälteres oder zumindest gleichrangiges Recht erwerben, weil die Borsig GmbH unter der Firma c. Apparatebau Kapitalanlagegesellschaft mbH erst im Jahr 2002 gegründet und der Bestandteil „Borsig“ erst im Jahr 2004 der Firma hinzugefügt worden sei. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

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Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, die Beklagten hätten die Fortführung der alten Unternehmensbezeichnung „Borsig“ durch die Borsig GmbH nicht hinreichend dargetan; insbesondere beruht diese Annahme nicht auf einer unvollständigen und damit verfahrensfehlerhaften Würdigung des Parteivorbringens. Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe eine vom Kläger vorgelegte Anlage zur Unternehmensgeschichte der Borsig GmbH unberücksichtigt gelassen, aus der sich ergebe, dass zwischen dem 1837 von August Borsig gegründeten Maschinenbauunternehmen und der heutigen Borsig GmbH Unternehmenskontinuität bei fortwährendem Gebrauch des Namens „Borsig“ bestanden habe und dass im Jahr 2002 nach der Insolvenz der zum B. -Konzern gehörenden Borsig GmbH deren Kerngeschäft durch die neue Gesellschaft übernommen worden sei.

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Es kann dahinstehen, ob diese Anlage die Annahme einer Betriebsfortsetzung als Voraussetzung einer Firmenfortführung nach § 23 HGB rechtfertigen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1972 – I ZR 44/71, GRUR 1973, 363, 364 = WRP 1972, 578 – Baader). Die Beklagten haben hierzu weder ausdrücklich vorgetragen noch einen solchen Vortrag durch eine konkrete Bezugnahme auf die vom Kläger vorgelegte Anlage hinreichend ersetzt. Auch der Kläger hat in Bezug auf diese Anlage keinen Vortrag gehalten, der sich mit der Fortsetzung des Geschäftsbetriebs nach der Insolvenz der Borsig GmbH befasst hat. Der Kläger wollte mit dieser Anlage allein den weit vom Betrieb eines Landguts entfernten Tätigkeitsbereich der heutigen Borsig-Gruppe darlegen. Ohne hinreichende Bezugnahme der Parteien ist der Tatrichter jedoch nicht verpflichtet, umfangreiche Anlagen von sich aus durchzuarbeiten, um sich so den entscheidungserheblichen Sachverhalt zusammenzusuchen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 295/00, WRP 2003, 1459, 1460). Etwas anderes wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn die fragliche Anlage ohne weiteres aus sich heraus verständlich gewesen wäre und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangt hätte. Das ist indes hier nicht der Fall. Die Anlage besteht aus insgesamt 15 Blättern und ist teils in deutscher Sprache und teils in englischer Übersetzung gehalten, wobei sich der maßgebliche Sachverhalt erst einer knappen Textpassage auf der drittletzten Seite entnehmen lässt.

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b) Auf der Grundlage der bislang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Name „Landgut Borsig“ für das Gut Groß Behnitz im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten derart verselbständigt hatte, dass die Zustimmung des Klägers zur Benutzung der Bezeichnung „Borsig“ sowohl für die Liegenschaft als auch für die Beklagte zu 2 und deren Geschäftsbetrieb nicht mehr erforderlich war. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts verstößt gegen das Gebot umfassender Würdigung des Streitstoffs (§ 286 ZPO).

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aa) Für die rechtmäßig erworbene namensartige Kennzeichnung eines Hauses kann in entsprechender Anwendung des § 12 BGB ein Namensrecht in Anspruch genommen werden, wenn und soweit daran ein schutzwürdiges Interesse besteht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1976 – I ZR 71/74, MDR 1976, 998 – Sternhaus; KG, NJW 1988, 2892, 2893; Schalk in Büscher/Dittmer/ Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 5 MarkenG Rn. 6; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 15 MarkenG Rn. 74; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 5 Rn. 14; Zerhusen in Festschrift Koeble, 2010, S. 603, 604; aA Staudinger/Habermann, BGB, Bearb. 2004, § 12 Rn. 106; MünchKomm.BGB/Bayreuther aaO § 12 Rn. 53). Nichts anderes gilt, wenn nicht die Bezeichnung eines Gebäudes, sondern die eines Grundstücks in Rede steht (vgl. H. Lehmann, MuW 1931, 353, 355).

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Dem steht nicht entgegen, dass das Namensrecht nach § 12 BGB ein Persönlichkeitsrecht ist, das als Namensträger grundsätzlich eine natürliche Person voraussetzt, mit der es untrennbar und akzessorisch verbunden ist. Die unmittelbare und entsprechende Anwendung des § 12 BGB ist nicht auf natürliche Personen beschränkt. So hat die Rechtsprechung schon früh auch juristische Personen, Personengesellschaften, Einzelkaufleute und sonstige im Rechtsleben auftretende Personenvereinigungen in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen (vgl. den Überblick bei MünchKomm.BGB/Bayreuther aaO § 12 Rn. 32 ff.). Der Schutz des § 12 BGB schließt auch Wappen und Siegel ein, sofern sie individualisierende Unterscheidungskraft aufweisen und damit zur namensmäßigen Kennzeichnung geeignet erscheinen. Das ist etwa bei einem Universitätsemblem der Fall (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1992 – I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 245 – Universitätsemblem).

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Eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion kann auch der Bezeichnung eines Gebäudes zukommen, wenn sie im Sprachgebrauch des relevanten Verkehrs zu seiner Benennung anerkannt ist. Da ein berechtigtes Interesse an der Benennung eines Gebäudes mit einer vom Verkehr anerkannten Bezeichnung bestehen kann, entstünde eine nicht hinnehmbare Rechtsschutzlücke, wenn dieser Benennung ein Schutz entsprechend § 12 BGB versagt wäre. Der erforderliche personale Bezug des Namensrechts an einem Gebäude oder Grundstück besteht – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – zum Erbauer, jeweiligen Eigentümer oder einem sonst Berechtigten (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349; H. Lehmann, MuW 1931, 353, 357). Allein dieser jeweils Berechtigte ist befugt, sich auf den mit dem Gebäude oder Grundstück verbundenen Namen zu berufen, um von Dritten gegen die Namensführung erhobene Ansprüche abzuwehren. Diese Befugnis ist von der Berechtigung an dem Gebäude oder Grundstück abhängig, sie ist akzessorisch mit diesem verbunden. Ein Erwerber der Immobilie erlangt deshalb auch die mit ihr im Zeitpunkt des Erwerbs etwa verbundene Befugnis zur entsprechenden Namensführung.

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bb) Die Befugnis, den durch Verselbständigung entstandenen Namen eines Gebäudes oder eines Grundstücks zu führen, ist nicht auf eine Verwendung für die Bezeichnung der Liegenschaft beschränkt. Sie kann sich auch auf einen mit der Liegenschaft verbundenen Geschäftsbetrieb und dessen Betreiber erstrecken. Zwischen der Nutzung eines Namens für eine Liegenschaft und für einen Geschäftsbetrieb ist zwar grundsätzlich zu unterscheiden. Der an einer Liegenschaft Berechtigte hat aber ein legitimes Interesse nicht nur an der Kennzeichnung, sondern auch an der wirtschaftlichen Verwertung der Liegenschaft und des mit ihr verbundenen Namens. Dies gibt ihm die Befugnis, die Bezeichnung jedenfalls im Handelsnamen eines Geschäfts zu verwenden, das auf dieser Liegenschaft und mit räumlichem Bezug zu ihr betrieben wird (vgl. H. Lehmann, MuW 1931, 353).

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cc) Die Benennung eines Gebäudes ist indes nur unter zwei Voraussetzungen namensrechtlich schutzwürdig.

28(1) Zum einen muss ein objektiv berechtigtes Interesse an der Benennung bestehen. Es kann etwa darin liegen, dass durch die Bezeichnung auf die besonderen Beziehungen einer bekannten Persönlichkeit des kulturellen oder politischen Lebens zu einem Gebäude (Geburtshaus, Wohnhaus) hingewiesen werden soll (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Fezer aaO § 15 MarkenG Rn. 79; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349). Ein derartiges Interesse an der Benennung der Liegenschaft unter Verwendung des Namens „Borsig“ kann den Beklagten nicht abgesprochen werden.

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Die Beklagten haben den Namen nicht willkürlich gewählt, sondern eine damit über mehrere Generationen bestehende Verbindung zwischen der Liegenschaft und der Familie v. Borsig zum Ausdruck gebracht, die von erheblichem geschichtlichen Interesse ist. Das ergibt sich zum einen aus der Bedeutung der Familie v. Borsig für die deutsche Industriegeschichte, zum anderen aber auch aus der Verbindung des letzten Eigentümers aus der Familie und der Liegenschaft selbst zum Kreisauer Kreis. Dass die Beklagten mit ihren Aktivitäten in Groß Behnitz auch einen geschäftlichen Zweck verfolgen, steht der Schutzwürdigkeit ihres Interesses an der Namensführung nicht entgegen. Ein Kulturdenkmal der hier in Rede stehenden Größenordnung wird sich in privatem Eigentum regelmäßig nicht ohne eine angemessene geschäftliche Nutzung erhalten lassen, die zudem das (kultur-)geschichtliche Interesse der Bevölkerung wecken oder wachhalten kann.

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(2) Die Schutzwürdigkeit des Interesses der Beklagten an der Benennung der Liegenschaft als „Landgut Borsig“ setzt jedoch weiter voraus, dass diese Bezeichnung im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten entsprechend ihrer Behauptung im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs üblich war. Denn solange das nicht der Fall ist, fehlt der Bezeichnung eines Gebäudes oder einer Liegenschaft eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion, die eine entsprechende Anwendung des § 12 BGB rechtfertigen kann.

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Für ein Landgut kommt es dabei in erster Linie auf den Sprachgebrauch in der Gegend an, in der es belegen ist. In Anlehnung an die für die Verkehrsgeltung im Markenrecht geltenden Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 -I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 Rn. 38 = WRP 2008, 1319 – EROS; Fezer aaO § 4 MarkenG Rn. 122 f.) reicht es insoweit aus, wenn ein jedenfalls nicht unerheblicher Teil der relevanten Verkehrskreise ein Gebäude in entsprechender Weise benennt. Zum Nachweis der Üblichkeit der Benennung bei einem Gebäude genügt es aber auch, wenn die entsprechende Bezeichnung in wissenschaftlichen oder amtlichen Veröffentlichungen oder öffentlichen Registern mit einer gewissen Häufigkeit verwendet wird.

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dd) Das Berufungsgericht hat unter Verletzung von § 286 ZPO keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Bezeichnung „Landgut Borsig“ für die Liegenschaft im maßgeblichen Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme in den relevanten Verkehrskreisen üblich war.

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(1) Entgegen der Ansicht der Revision kommt es in diesem Zusammenhang aber nicht darauf an, wer jeweils Eigentümer des Gebäudes war oder wer es verwaltet hatte. Denn daraus allein folgt nicht, dass die Liegenschaft im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Namen des Eigentümers oder Verwalters bezeichnet wird. Unerheblich für die Befugnis zum Namensgebrauch ist auch, welche Bezeichnung für die Liegenschaft in früherer Zeit verwendet wurde. Die von der Revision dargelegte Bezeichnung „Borsig’sches Gut“ in einer Dorfchronik, die das Berufungsgericht zudem als bloßen Hinweis auf die früheren Besitzer des Gutes verstehen konnte, ist schon deshalb für den Streitfall ohne Belang. Entscheidend ist allein, mit welchem Namen der Verkehr die Liegenschaft zum Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten verbunden hat. Ebenso wie bei nach § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG geschützten Unternehmenskennzeichen der Schutz mit dem Verlust der Verkehrsgeltung endet (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 5 Rn. 49 und § 4 Rn. 66), kann der Eigentümer den Namensschutz für sein Grundstück verlieren, wenn die früher übliche Bezeichnung nicht mehr zum aktuellen Sprachgebrauch gehört.

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(2) Ohne Erfolg rügt die Revision deshalb auch, dass das Berufungsgericht aus den vorgelegten historischen Postkarten mit dem Abbild von Gebäuden der Liegenschaft sowie den Bezeichnungen „Wirtschaftsgebäude Borsig“ und „Schloss von Borsig“ keine Rückschlüsse auf die Benennung des Gutes insgesamt als „Landgut Borsig“ gezogen hat. Im Übrigen handelt es sich dabei, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, nur um variierende Bezeichnungen einzelner Baulichkeiten.

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(3) Ebensowenig verhilft der Revision der Hinweis auf das als Anlage B 11 vorgelegte Schreiben der Nachkommen der Anneliese v. Borsig zum Erfolg. In diesem Schreiben bringen die Verfasser ihre Freude zum Ausdruck, dass der Beklagte zu 1 mit der Benennung „Landgut Borsig“ dem Landgut seine geschichtliche Bedeutung zurückgegeben habe. Hieraus lässt sich nicht erkennen, dass die Liegenschaft bereits zuvor mit diesem Namen bezeichnet wurde.

36
(4) Allerdings haben die Beklagten mehrere Zeugen und hilfsweise Sachverständigengutachten zum Beweis dafür angeboten, dass der Volksmund in Groß Behnitz die Liegenschaft seit langem und auch nach der Wiedervereinigung bis heute als „Landgut Borsig“ bezeichne. Die Revision hat Erfolg, weil das Berufungsgericht diesen Beweis verfahrensfehlerhaft nicht erhoben hat, da es die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags überspannt und als Folge hiervon das Gebot verletzt hat, alle erheblichen Beweismittel zu erschöpfen (§ 286 ZPO).

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Das Berufungsgericht hat von der Beweiserhebung mit der Begründung abgesehen, dass keine hinreichenden sachlichen Anhaltspunkte für die Gebräuchlichkeit der Bezeichnung „Landgut Borsig“ vorlägen, so dass kein Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen sei von vornherein untunlich, weil einzelne Zeugen und ihre individuelle Auffassung zur Verkehrsdurchsetzung keine ausreichende Entscheidungsgrundlage bieten könnten.

38
Mit dieser Begründung durfte das Berufungsgericht die Beweiserhebung nicht unterlassen. Ein Beweisantritt für erhebliche, nicht willkürlich ins Blaue hinein behauptete Tatsachen darf nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn das angebotene Beweismittel ungeeignet ist, weil es im Einzelfall zur Beweisbehauptung erkennbar keine sachdienlichen Ergebnisse bringen kann, oder wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Februar 2009 -1 BvR 1232/07, NJW 2009, 1585 Rn. 24 ff.; BGH, Urteil vom 20. September 2002 – V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, 70; Beschluss vom 16. November 2010 – VIII ZR 228/08, juris Rn. 14). Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 69, 70 mwN).

39
Mit ihrer Behauptung, die Liegenschaft werde im Volksmund in Groß Behnitz als „Landgut Borsig“ bezeichnet, haben die Beklagten die entscheidungserhebliche Voraussetzung für ein Namensrecht an der Bezeichnung „Landgut Borsig“ dargelegt. Zudem haben sie anhand der vorgelegten historischen Dokumente ausgeführt, dass der Name „Borsig“ in der Vergangenheit wiederholt in Verbindung mit der Liegenschaft gebraucht worden ist. Dies genügt – wie dargelegt – zwar nicht, um einen aktuell üblichen Sprachgebrauch zu beweisen. Das Vorbringen zeigt jedoch, dass die Behauptung der Beklagten nicht von vornherein völlig fernliegend und auch nicht nur ins Blaue hinein erfolgt ist.

40
Das Berufungsgericht hätte die Vernehmung der von den Beklagten angebotenen Zeugen auch nicht wegen Ungeeignetheit des Beweismittels ablehnen dürfen. Die Vernehmung von Zeugen ist zwar im Regelfall nicht ausreichend, um im Markenrecht den Nachweis einer Verkehrsgeltung erbringen zu können (vgl. Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 4 MarkenG Rn. 19). Im Streitfall ist für die Frage des allgemein üblichen Sprachgebrauchs indes auf den Ort der Liegenschaft und dessen nähere Umgebung abzustellen. Im Hinblick auf diese geringe Größe des maßgeblichen Gebiets hätte das Berufungsgericht die Vernehmung der Zeugen über deren Wahrnehmung dazu, wie die Liegenschaft dort im Volksmund seit langem genannt wird, nicht von vornherein als untunlich zurückweisen dürfen. Gegebenenfalls wäre auch das hilfsweise beantragte Meinungsforschungsgutachten einzuholen gewesen.

41
4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

42
a) War „Landgut Borsig“ im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten eine im allgemeinen Sprachgebrauch gebräuchliche Bezeichnung für die Liegenschaft, wären die Beklagten gegenüber dem Kläger als weiterem Namensträger befugt, den Namen „Borsig“ begrenzt auf die Liegenschaft in Groß-Behnitz und den dortigen Geschäftsbetrieb zu gebrauchen. Die in den Fällen der Gleichnamigkeit vorzunehmende Abwägung der Interessen der Namensträger würde dazu führen, dass der Kläger die Verwendung der Bezeichnung in diesem begrenzten Umfang hinzunehmen hätte.

43
aa) Der Begriff des Interesses im Sinne von § 12 BGB ist weit gefasst und umfasst außerhalb des Geschäftsverkehrs nicht nur ein vermögensrechtliches oder geschäftliches, sondern jedes Interesse des Namensträgers, auch ein rein persönliches oder ideelles und sogar ein bloßes Affektionsinteresse (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1953 – IV ZR 76/52, BGHZ 8, 318, 322 f.; Urteil vom 4. Februar 1958-I ZR 23/57, GRUR 1958, 302, 303 – Lego; Urteil vom 15. November 1984 – IVb ZR 46/83, WM 1985, 95; MünchKomm.BGB/Bayreuther aaO § 12 Rn. 216). Im Bereich des bürgerlichen Namens reicht bereits das Interesse des Namensträgers, nicht mit anderen Personen verwechselt oder in Beziehung gebracht zu werden (vgl. BGH, WM 1985, 95, 96). Ein dahingehendes Interesse hat das Berufungsgericht für den Kläger zu Recht bejaht, da der Namensgebrauch den Eindruck erwecken kann, es bestehe eine Beziehung zwischen dem Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 2 und dem Kläger bzw. seiner Familie.

44
bb) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, es komme bei der Frage der Interessenverletzung allein auf die Interessen des Klägers an. Damit hat es zu Unrecht außer Acht gelassen, dass ein solches Interesse nur dann als berechtigt anerkannt werden kann, wenn es schutzwürdig ist, und die Frage der Schutzwürdigkeit nur dann richtig beurteilt werden kann, wenn auch entgegengesetzte Belange berücksichtigt werden und beim Widerstreit verschiedener Interessen abgewogen wird, welches Interesse größere Beachtung verdient und daher vorgehen muss (vgl. BGH, GRUR 1958, 302, 303 – Lego; BGH, WM 1985, 95).

45
Der Nichtberechtigte kann zwar in der Regel nicht auf schützenswerte Belange verweisen, die zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären, so dass bereits der unbefugte Namensgebrauch die Interessenverletzung indiziert (vgl. BGH, GRUR 2008, 1099 Rn. 27 – afilias.de; MünchKomm.BGB/Bayreuther aaO § 12 Rn. 217). Eine Ausnahme von dieser Regel muss neben anderen Fällen (vgl. BGH, GRUR 2008, 1099 Rn. 28 ff. – afilias.de) aber dann gemacht werden, wenn dem Nichtberechtigten seinerseits ein namensrechtlich geschütztes Interesse an der Verwendung der in Rede stehenden Bezeichnung zur Seite steht (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1993 -XII ZR 51/92, BGHZ 124, 173, 183). Ein solches Interesse kann auch in der Befugnis bestehen, ein Haus oder Grundstück mit dem fremden Namen zu bezeichnen und hierfür selbst Namensschutz nach § 12 BGB zu beanspruchen.

46
Voraussetzung für ein namensrechtlich geschütztes Interesse der Beklagten ist – wie oben dargelegt (Rn. 30 f.) -, dass die entsprechende Benennung zum Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist. Dazu fehlen im Streitfall die erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen.

47
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts kann die Klage nicht abgewiesen werden.

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1. Das Interesse der Beklagten, die historische Bedeutung der Liegenschaft herauszustellen, erlaubt ihnen nicht schon für sich allein – unabhängig von einer Durchsetzung der Bezeichnung „Landgut Borsig“ im allgemeinen Sprachgebrauch – in den namensrechtlichen Besitzstand des Klägers einzudringen. Vielmehr wäre den Beklagten bei mangelnder Gebräuchlichkeit der Bezeichnung „Landgut Borsig“ zuzumuten, den historischen Zusammenhang auf andere Weise aufzuzeigen als durch diese Benennung.

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2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass das Unterlassungsbegehren des Klägers nicht verwirkt ist.

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a) Der Erfolg des auf § 242 BGB beruhenden Verwirkungseinwands gegenüber einem kennzeichenrechtlichen Unterlassungsanspruch hängt davon ab, ob durch eine längerdauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, der ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1990 – I ZR 298/88, GRUR 1990, 1042, 1046 = WRP 1991, 83 – Datacolor). Anders als das Berufungsgericht mit der Heranziehung der markenrechtlichen Grenze aus § 21 Abs. 2 MarkenG angenommen hat, lässt sich für die erforderliche Benutzungsdauer allerdings keine feste Grenze angeben. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls, da die einzelnen Voraussetzungen des Verwirkungseinwands in enger Wechselwirkung zueinander stehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1992 – I ZR 251/90GRUR 1993, 151, 153 = WRP 1993, 101 – Universitätsemblem, insoweit nicht in BGHZ 119, 237).

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b) Im Streitfall fehlt es allerdings deshalb an dem für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment, weil der Kläger nach den rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erst im Jahr 2004 Veranlassung hatte, zum Schutz seines Namens tätig zu werden. Die Beklagten konnten sich daher lediglich auf eine ungestörte Nutzungsdauer von rund zweieinhalb Jahren berufen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen auch nicht erkennen, dass der Kläger mit seinem Verhalten den fremden Gebrauch seines Namens gefördert hätte. Zudem kannten die Beklagten den Kläger bereits als Namensträger. Unter Beachtung dieser Umstände genügt ein Zeitablauf, der noch nicht einmal die dreijährige Verjährungsfrist umfasst, keinesfalls, um das erforderliche Zeitmoment der Verwirkung zu erfüllen.

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Anders als die Revision meint, musste das Berufungsgericht auch nicht eine frühere Kenntnis des Klägers von der Namensverwendung durch die Beklagten annehmen. Aus dem vorgelegten Schreiben des Vereins „Tradition und Zukunft .Landgut Borsig‘ e.V.“ von August 2001 lässt sich allein auf eine entsprechende Nutzung der Bezeichnung durch den Verein schließen. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass auch einer der Beklagten die Bezeichnung gebrauchen werde.

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IV. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

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1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten die Verwendung des Begriffs „Landgut Borsig“ nicht nur als Bezeichnung für die Beklagte zu 2 und den von ihr geführten Geschäftsbetrieb, sondern auch zur Bezeichnung von Waren aus diesem Geschäftsbetrieb untersagt. Ein derartiges Unterlassungsbegehren kann indes nur dann begründet sein, wenn aufgrund einer bereits begangenen Verletzungshandlung Wiederholungsgefahr besteht oder eine unmittelbar drohende erstmalige Beeinträchtigung zu befürchten ist. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

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2. Entgegen der vom Landgericht ausgesprochenen und vom Berufungsgericht insoweit nicht abgeänderten Verurteilung kann der Kläger vom Beklagten zu 1 im Fall einer Namensrechtsverletzung nicht die Löschung des Domainnamens „landgut-borsig.de“ verlangen, sondern nur beanspruchen, dass der Beklagte zu 1 gegenüber der Registrierungsstelle DENIC den Verzicht auf den Domainnamen erklärt (vgl. BGHZ 149, 191, 206 – shell.de; BGH, Urteil vom 21. September 2006 – I ZR 201/03, GRUR 2007, 259 Rn. 25 = WRP 2007, 76 -solingen.info).

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3. An die Gebräuchlichkeit der Bezeichnung „Landgut Borsig“ im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten wären geringere Anforderungen zu stellen, wenn ihre Verwendung als mit der staatssozialistischen, junkerfeindlichen Gesellschaftsordnung der DDR unvereinbar angesehen wurde und deshalb unterbunden werden sollte. In diesem Fall wäre eine Wiederaufnahme des Gebrauchs der Bezeichnung „Landgut Borsig“ von vornherein erst nach der Wiedervereinigung zu erwarten gewesen. Ein solcher Sachverhalt ist mit dem Verlust der Priorität eines Unternehmenskennzeichens vergleichbar, der nicht auf einer selbstbestimmten unternehmerischen Entscheidung beruht, sondern Folge staatlicher Gewalt ist (vgl. BGHZ 150, 82, 91 – Hotel Adlon). Ebenso wie der Verlust der Priorität in diesem Fall ausnahmsweise überbrückt werden kann, sofern der Name des Unternehmens aufgrund seiner Geltung dem Verkehr in Erinnerung geblieben ist und dem wiedereröffneten Unternehmen zugeordnet wird, kann auch die Bezeichnung einer Liegenschaft schon nach kurzer Zeit wieder zur Selbständigkeit erstarken.

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 12.10.2007 – 35 O 106/07
KG Berlin, Entscheidung vom 20.10.2009 – 5 U 173/07

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