BGH: Kinder I

BGH, Urteil vom 28.08.2003 – I ZR 257/00 – Kinder (OLG Köln)
MarkenG § 8 Abs. 2 und Abs. 3, § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 22 Abs. 1 Nr. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2, § 51 Abs. 4 Nr. 2, § 54

a) Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG ist im Wege teleologischer Reduktion einschränkend dahin auszulegen, daß im Verletzungsprozeß das Vorliegen eines absoluten Schutzhindernisses der prioritätsälteren Marke nicht zur Überprüfung gestellt werden kann, wenn dies noch im Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt durch einen Löschungsantrag und ein Löschungsverfahren nach §§ 50, 54 MarkenG erfolgen kann.

b) Entfallen nach Eintragung einer Marke gem. § 8 Abs. 3 MarkenG nachträglich die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung, begründet dies keine Löschungsreife der Marke wegen Verfalls.

c) Dem Wortbestandteil „Kinder“ einer farbigen Wort-/ Bildmarke fehlt für die Ware „Schokolade“ wegen der ausschließlichen Beschreibung der Abnehmerkreise jegliche Unterscheidungskraft. Dieser Wortbestandteil kann daher aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks der Wort-/ Bildmarke bewirken.

d) Aus einem rein beschreibenden Begriff (hier: „Kinder“ für die Waren „Schokolade“), dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt, kann der Schutz des Stammbestandteils einer Zeichenserie nur abgeleitet werden, wenn sich aufgrund der wiederholten Verwendung des Stammbestandteils dieser im Verkehr i. S. von § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Oktober 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Herstellerin von Schokoladenprodukten. Sie vertreibt diese unter Verwendung von Marken, die mit dem Begriff „Kinder“ beginnen. Sie ist Inhaberin der als durchgesetzte Zeichen am 11. August 1980 für „gefüllte Vollmilchschokolade“ eingetragenen Wortmarke (Nr. 1006192) „Kinderschokolade“ und der am 12. August 1991 für „Schokolade“ eingetragenen nachfolgenden farbigen Wort-/ Bildmarke „Kinder“ (Nr. 1180071):

Die Beklagte stellt Süßwaren her. Sie ist Inhaberin der mit Priorität vom 6. Oktober 1998 am 18. Dezember 1998 für „Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren, nicht medizinische Kaugummis“ eingetragenen Wortmarke „Kinder Kram“.

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte, daß die Beklagte die Marke „Kinder Kram“ benutzt hat. Sie hat geltend gemacht, die Marken der Parteien seien verwechselbar. Aufgrund der Vielzahl der von ihr mit dem Zeichen „Kinder“ vertriebenen Produkte und der großen Bekanntheit ihrer Marken erwarte der Verkehr, daß mit der Marke „Kinder Kram“ gekennzeichnete Waren von ihr stammten.

Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten zu untersagen, Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren und nicht-medizinische Kaugummis unter der Marke „Kinder Kram“, wie sie im Markenblatt Heft 4 vom 28. Januar 1999 auf Seite 1051 unter der Nr. 398 57 206 (wie nachfolgend eingeblendet) veröffentlicht worden ist,

anzubieten und/ oder zu bewerben und/ oder in Verkehr zu bringen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat bestritten, daß sich die Marke „Kinder“ ohne die graphische Gestaltung durchgesetzt habe, und hat die Ansicht vertreten, die Schutzfähigkeit der Marke sei auf die konkrete Gestaltung beschränkt. An dem Zeichen bestehe ein hohes Freihaltebedürfnis.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Köln GRUR-RR 2002, 7 = WRP 2001, 57).

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Die Marke „Kinder Kram“ der Beklagten sei für den angemeldeten Warenbereich mit der Wort-/ Bildmarke „Kinder“ der Klägerin verwechselbar. Im Verletzungsprozeß sei von der Schutzfähigkeit der eingetragenen Marke „Kinder“ auszugehen. Die Schutzfähigkeit sei durch den von der Beklagten gestellten Löschungsantrag nicht beseitigt. Ein etwaiges Freihaltebedürfnis an der Bezeichnung „Kinder“ sei durch die im Eintragungsverfahren festgestellte Verkehrsdurchsetzung überwunden. Dies sei für das Verletzungsverfahren bindend. Entgegen ihrem Wortlaut eröffne die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG auch nicht die Möglichkeit, im Verletzungsverfahren zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Eintragung der prioritätsälteren Marke die Eintragungsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Die Klägerin könne aus ihrer Marke „Kinder“ nur dann gegen die Marke „Kinder Kram“ keine Rechte herleiten, wenn am Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Kollisionsmarke (28. Januar 1999) die Eintragungsvoraussetzungen für die Klagemarke wieder entfallen seien. Es könne aber keine Rede davon sein, daß die Klagemarke im Januar 1999 dem Verkehr wesentlich weniger bekannt gewesen sei als zum Zeitpunkt der Eintragung 1991. Die Marke „Kinder“ verfüge wegen der in dem GfK-Gutachten angeführten hohen Bekanntheit über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Diese bestehe nicht nur für das Wort-/ Bildzeichen in der farbigen Gestaltung, sondern auch für das reine Wortzeichen. Die Kritik der Beklagten an dem Gutachten sei unberechtigt. Daß die im Jahre 1997 ermittelten Ergebnisse zwischenzeitlich überholt seien, mache die Beklagte selbst nicht geltend. Eine nachhaltige Schwächung durch Drittkennzeichen sei nicht gegeben.

Die von der Beklagten erhobene Einrede der Nichtbenutzung bleibe ohne Erfolg. Die Marke „Kinder“ sei auch dann ausreichend benutzt, wenn die Verwendung nicht in Alleinstellung erfolgt sei. Die Klägerin habe die Bezeichnung „Kinder“ vor und nach Eintragung als Marke in derselben Form benutzt. Die Weiterverwendung eines Zeichens in der Form, die zur Eintragung als durchgesetztes Zeichen geführt habe, könne keine Nichtbenutzung darstellen. Die Eintragung beruhe ersichtlich auf der Feststellung, daß der Bestandteil „Kinder“ in der charakteristischen farbigen Ausgestaltung nach Art eines Serienzeichens herkunftshinweisend wirke.

Weiterhin sei von hoher Zeichenähnlichkeit und jedenfalls geringer Warenähnlichkeit auszugehen. Die Marke der Beklagten ähnele durch die entgegen den Regeln der deutschen Rechtschreibung vorgenommene Schreibweise in zwei Wörtern der Klagemarke, die regelmäßig durch einen weiteren Begriff individualisiert werde. An der erheblichen Ähnlichkeit ändere der Umstand nichts, daß das Klagezeichen eine Wort-/ Bildmarke und das Kollisionszeichen eine Wortmarke sei. Der Verkehr werde sich an die Wortmarke aufgrund ihres Sinns erinnern. Der bildliche Teil der Klagemarke werde zudem bei einer akustischen Präsentation nicht wahrgenommen.

Die Waren Schokolade, Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren sowie nicht-medizinische Kaugummis seien in Anbetracht der hohen Kennzeichnungskraft und großer Zeichenähnlichkeit hinreichend ähnlich, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe eine Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke „Kinder“ und dem angegriffenen Zeichen „Kinder Kram“ (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings im vorliegenden Verletzungsprozeß im Hinblick auf die Markeneintragung vom Bestand der Klagemarke ausgegangen.

aa) Ohne Erfolg beruft sich die Revision zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht, mit der sie die Löschungsreife der Marke „Kinder“ im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der Kollisionsmarke „Kinder Kram“ geltend macht, auf die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG. Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber einer Marke nicht das Recht, die Benutzung einer Marke mit jüngerem Zeitrang zu untersagen, wenn ein Antrag auf Löschung der Eintragung der prioritätsjüngeren Marke zurückzuweisen wäre, weil die ältere Marke am Tage der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke wegen absoluter Schutzhindernisse hätte gelöscht werden können (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 51 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG). Nach seinem Wortlaut eröffnet § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG für den Inhaber der jüngeren eingetragenen Marke im Verletzungsverfahren die Möglichkeit, über das Vorliegen absoluter Schutzhindernisse der prioritätsälteren Marke nach § 8 MarkenG eine (erneute) Prüfung herbeizuführen. Die Vorschrift ist jedoch im Wege teleologischer Reduktion einschränkend auszulegen. Danach kann im Verletzungsprozeß das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen der prioritätsälteren Marke nicht zur Überprüfung gestellt werden, wenn dies – wie im Streitfall – (noch) im Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nach §§ 50, 54 MarkenG und im Verfahren vor dem Bundespatentgericht erfolgen kann (vgl. Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, § 22 Rdn. 12; Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 22 Rdn. 14; a. A. Rohnke, Festschrift für Hertin, S. 643, 657 ff. = GRUR 2001, 696, 701 ff.).

Unter Geltung des Warenzeichengesetzes entsprach es ständiger Rechtsprechung (vgl. RG GRUR 1934, 360, 361 – Antimott/ Mott-Nie; GRUR 1943, 41, 43 – Strickende Hände; BGH, Urt. v. 15. 4. 1966 – Ib ZR 85/ 64, GRUR 1966, 495, 497 = WRP 1966, 369 – UNIPLAST; Urt. v. 25. 5. 1979 – I ZR 132/ 77, GRUR 1979, 853, 854 = WRP 1979, 780 – LILA) und einhelliger Ansicht im Schrifttum (vgl. Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 4. Aufl., Kap. 5 Rdn. 4 Anm. 3 b; Tetzner, Warenzeichengesetz, § 4 Rdn. 6; Baumbach/ Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., § 4 WZG Rdn. 32, m. w. N.; v. Gamm, Warenzeichengesetz, Einf. Rdn. 108 und 111; Busse/ Starck, Warenzeichengesetz, 6. Aufl., § 4 Rdn. 3), daß die ordentlichen Gerichte an die Eintragungsentscheidung des Patentamts gebunden sind. Dieser Grundsatz sollte durch das Markengesetz keine Änderung erfahren (vgl. hierzu Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/ 6581, S. 57 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 51). Angesichts der Aufgabenverteilung zwischen den Eintragungsinstanzen und den Verletzungsgerichten ist nur den ersten die Zuständigkeit zur Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen zugewiesen (vgl. BGH, Urt. v. 9. 10. 1997 – I ZR 95/ 95, GRUR 1998, 412, 413 f. = WRP 1998, 373 – Analgin; Urt. v. 20. 10. 1999 – I ZR 110/ 97, GRUR 2000, 608, 610 = WRP 2000, 529 – ARD-1). Dadurch wird eine doppelte Inanspruchnahme des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts einerseits und der ordentlichen Gerichte andererseits zur Überprüfung der Löschungstatbestände gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 51 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG vermieden. Zudem werden die Aufstellung unterschiedlicher Maßstäbe bei der Beurteilung der absoluten Schutzhindernisse durch die Eintragungsinstanzen und die Verletzungsgerichte und die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen nach § 8 MarkenG bei derselben Marke ausgeschlossen.

Eine gegenteilige, ausschließlich am Wortlaut des Gesetzes ausgerichtete Auslegung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG würde die Rechtsdurchsetzung der älteren Marke zudem über Gebühr dadurch erschweren, daß in jedem Markenverletzungsverfahren bei entsprechendem Vortrag des Inhabers einer prioritätsjüngeren Marke das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen der Klagemarke erneut geprüft werden müßte.

Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG ist danach auf Fälle beschränkt, in denen die Löschungsreife der prioritätsälteren Marke im Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nach § 54 MarkenG nicht (mehr) geltend gemacht werden kann. Dies kommt einmal in Betracht, wenn die Zehnjahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG für die Antragstellung abgelaufen ist. Der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG ist weiterhin eröffnet, wenn am Tag der Veröffentlichung der prioritätsjüngeren Marke das absolute Schutzhindernis des § 50 Abs. 1 MarkenG nach wie vor bestand, nachfolgend jedoch entfallen ist und deshalb ein Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt erfolglos bleiben muß (§ 50 Abs. 2 Satz 1, § 54 MarkenG). Zur Darlegung dieses inter partes wirkenden Einwandes gehört nicht nur ein substantiierter Vortrag zur Fortdauer des von Anfang an bestehenden Schutzhindernisses bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der Marke mit jüngerem Zeitrang, sondern auch der substantiierte Hinweis auf solche später eingetretenen Umstände, derentwegen ein Wegfall des behaupteten Schutzhindernisses möglich erscheint (vgl. Ekey/ Klippel/ Bous, Markenrecht, § 22 MarkenG Rdn. 14) und deshalb ein Löschungsantrag keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Nur in einem solchen Fall darf der Inhaber der jüngeren Marke von der Einleitung des vorrangigen patentamtlichen Löschungsverfahrens absehen, um sich im Verhältnis zum Inhaber der prioritätsälteren Marke auf sein eingetragenes Zeichen als Zwischenrecht berufen zu können. Die Beklagte, die selbst das Löschungsverfahren betreibt, hat dahingehend nicht vorgetragen. Ein effektiver Rechtsschutz des Inhabers der jüngeren Marke gegen ein nur formal bestehendes älteres Recht wird dadurch nicht beeinträchtigt. Soweit der Inhaber der jüngeren Marke nicht ohnehin – im vorstehend ausgeführten Rahmen – die Möglichkeit hat, die Löschungsreife der älteren Klagemarke nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG im Verletzungsverfahren geltend zu machen, kann er neben dem Löschungsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt zugleich die Aussetzung des Verletzungsverfahrens nach § 148 ZPO anregen. Je nachdem, wie das Verletzungsgericht die Erfolgsaussichten des patentamtlichen Löschungsverfahrens und die mit der Aussetzung verbundene Prozeßverzögerung beurteilt, kann die Aussetzung des Verletzungsverfahrens geboten sein (vgl. auch BGH, Urt. v. 3. 11. 1999 – I ZR 136/ 97, GRUR 2000, 888, 889 = WRP 2000, 631 – MAG-LITE). Diese Verfahrensweise – Löschungsverfahren und Aussetzungsmöglichkeit des Verletzungsverfahrens bei durchgehender Löschungsreife – stellt wegen des weiterreichenden patentamtlichen Verfahrens mit der Folge der Löschung der Eintragung der älteren Marke gegenüber der nur zwischen den Prozeßbeteiligten wirkenden einredeweisen Geltendmachung der Löschungsreife im Verletzungsprozeß keine durchgreifende Einschränkung der Rechtsverteidigung für den Inhaber der jüngeren Marke dar.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG könne die Klägerin aus ihrer Marke schon dann keine Rechte gegen die Marke „Kinder Kram“ herleiten, wenn am Tage der Veröffentlichung der Eintragung der Kollisionsmarke am 28. Januar 1999 die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung (§ 4 Abs. 3 WZG, § 8 Abs. 3 MarkenG) nicht mehr bestanden hätten. Dem kann aus den dargelegten Gründen nicht beigetreten werden. Der Einwand weggefallener Verkehrsdurchsetzung ist der Beklagten auch nicht über § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i. V. mit § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eröffnet (a. A. Ekey/ Klippel/ Bous aaO § 49 MarkenG Rdn. 15).

Entfallen nach Eintragung einer Marke aufgrund Verkehrsdurchsetzung i. S. von § 8 Abs. 3 MarkenG nachträglich deren Voraussetzungen, so begründet dies keine Löschungsreife der Marke wegen Verfalls. Der Tatbestand der Verkehrsdurchsetzung ist in § 49 Abs. 2 MarkenG nicht angeführt. Die Vorschrift des § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, die den Fall einer nachträglichen Umwandlung einer Marke zu einer gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen betrifft und dem absoluten Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entspricht, ist wegen der abschließenden Aufzählung in § 49 Abs. 2 MarkenG auf den Fortfall der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG nicht entsprechend anwendbar (vgl. auch Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 49 Rdn. 25; Ingerl/ Rohnke aaO § 49 Rdn. 29; v. Schultz/ Stuckel, Markenrecht, § 49 Rdn. 11; Ströbele/ Hacker aaO § 49 Rdn. 35 ff.).

b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Marke „Kinder Kram“ wegen einer Verwechslungsgefahr in den Schutzbereich der Klagemarke „Kinder“ eingegriffen.

aa) Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i. S. des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH, Urt. v. 22. 11. 2001 – I ZR 111/ 99, GRUR 2002, 542, 543 = WRP 2002, 534 – BIG; Urt. v. 10. 10. 2002 – I ZR 235/ 00, GRUR 2003, 428, 431 f. = WRP 2003, 647 – BIG BERTHA).

bb) Zwischen „Schokolade“ und „Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren, nicht-medizinischen Kaugummis“ hat das Berufungsgericht eine Warenähnlichkeit angenommen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

cc) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klagemarke verfüge über eine hohe Kennzeichnungskraft. Die Feststellungen des Berufungsgerichts vermögen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft nicht zu rechtfertigen.

Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens der GfK-Marktforschung für April 1997 davon ausgegangen, 71, 6 % der Befragten, die sich zumindest gelegentlich mit Schokolade befaßten, seien der Meinung, „Kinder“ deute im Zusammenhang mit Schokolade auf einen bestimmten Hersteller hin. Bezogen auf die Gesamtzahl der Befragten habe dieser Bekanntheitsgrad noch 63, 6 % betragen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aus der in dem Gutachten ermittelten Zahl derjenigen Personen, die von der Bezeichnung „Kinder“ auf einen bestimmten Hersteller schließen, nicht auf die Bekanntheit der Klagemarke geschlossen werden. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß dadurch diejenigen Befragten in die Ermittlung des Bekanntheitsgrades des Klagezeichens einbezogen werden, die die Bezeichnung „Kinder“ nicht der Klägerin, sondern anderen Unternehmen zuordnen. Vielmehr ergibt sich aus der Untersuchung der GfK-Marktforschung für April 1997 für die Gesamtheit der Befragten nur ein Bekanntheitsgrad von 48, 5 % derjenigen, die die Bezeichnung „Kinder“ der Klägerin unmittelbar oder mittelbar über andere Marken zuordnen (Frage 4, F./ F. -Marken). Dieser prozentuale Bekanntheitsgrad reicht für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft im Streitfall nicht aus. Marken, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen sind, weisen, da sie die ihnen von Haus aus fehlende Unterscheidungskraft überwunden und sich als betriebliches Herkunftszeichen im Verkehr durchgesetzt haben, im Regelfall zunächst allein normale Kennzeichnungskraft auf (vgl. BGH, Urt. v. 10. 12. 1992 – I ZR 19/ 91, WRP 1993, 694, 696 – apetito/ apitta, m. w. N.; Ströbele/ Hacker aaO § 9 Rdn. 292).

Eine Kennzeichnungsschwäche kann für derartige Zeichen nur angenommen werden, wenn hierfür besondere tatsächliche Umstände vorliegen. In der Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß die Anlehnung des Zeichens an beschreibende Angaben die Kennzeichnungskraft schwächt (vgl. BGH, Urt. v. 8. 11. 2001 – I ZR 139/ 99, GRUR 2002, 626, 629 = WRP 2002, 705 – IMS, m. w. N.; Fezer aaO § 14 Rdn. 291; Ingerl/ Rohnke aaO § 14 Rdn. 199). Diese liegen bei der Klagemarke, was das Berufungsgericht nicht näher untersucht hat, in der die Zielgruppe der Abnehmer der Produkte in besonderem Maße beschreibenden Bezeichnung von „Kinder“ vor (vgl. auch Handelsgericht Wien WRP 2002, 349, 352 = MarkenR 2002, 211; OLG Wien WRP 2003, 109 = MarkenR 2002, 267; ÖOGH, Beschl. v. 16. 7. 2002 – 4 Ob 156/ 02 y). Die Klagemarke erhält ihre Kennzeichnungskraft gerade aus der Kombination der graphischen Elemente mit dem Wortbestandteil, während der Wortbestandteil – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – für sich genommen in bezug auf die in Rede stehenden Waren jegliche Unterscheidungskraft vermissen läßt.

dd) Das Berufungsgericht ist von einer großen Zeichenähnlichkeit ausgegangen. Es hat angenommen, auch das Klagezeichen werde, obwohl es sich um eine Wort-/ Bildmarke handele, von seinem Sinn her als Wort der Umgangssprache verstanden und erinnert, während die farbliche Ausgestaltung lediglich als Individualisierung des Schriftzuges aufgefaßt werde. Zudem werde der bildliche Teil der Marke bei einer akustischen Präsentation nicht wahrgenommen. Das Kollisionszeichen passe in die Reihe von Produkten, für die die Klägerin das Zeichen „Kinder“ als Serienzeichen verwende. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind nicht frei von Rechtsfehlern.

(1) Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 13. 1. 2000 – I ZR 223/ 97, GRUR 2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 – ATTACH/ TISSERAND; Urt. v. 6. 7. 2000 – I ZR 21/ 98, GRUR 2001, 158, 160 = WRP 2001, 41 – Drei-Streifen-Kennzeichnung, jeweils m. w. N.).

(2) Den Gesamteindruck der farbigen Wort-/ Bildmarke in schriftbildlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht nicht ermittelt. Es hat auch nicht festgestellt, daß dem Wortbestandteil in dem Klagezeichen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommt (vgl. hierzu: BGH GRUR 2002, 542, 543 – BIG). Von der Annahme einer Markenähnlichkeit in begrifflicher Hinsicht kann aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht ausgegangen werden. Es hat eine solche Markenähnlichkeit nicht ausdrücklich bejaht. In Anbetracht des begrifflichen Unterschieds von „Kinder“ und „Kinderkram“ liegt dies auch fern.

(3) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen auch eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht. Zwar stellt bei einer kombinierten Wort-/ Bildmarke in der Regel der Wortbestandteil die einfachste Möglichkeit der Benennung der Marke dar (vgl. BGH, Urt. v. 26. 4. 2001 – I ZR 212/ 98, GRUR 2002, 167, 169 = WRP 2001, 1320 – Bit/ Bud). Dies setzt allerdings die Feststellung voraus, daß dem Wortbestandteil – für sich genommen – nicht wegen des Bestehens absoluter Schutzhindernisse jeglicher Markenschutz zu versagen ist (§ 8 Abs. 2 u. Abs. 3 MarkenG). Die Wortmarke „Kinder“ ist für die in Rede stehenden Produkte schutzunfähig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Der Wortbestandteil „Kinder“ der kombinierten Wort-/ Bildmarke kann daher ohne Verkehrsdurchsetzung aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks bewirken (vgl. BGH, Urt. v. 6. 12. 2001 – I ZR 136/ 99, GRUR 2002, 814, 815 = WRP 2002, 987 – Festspielhaus).

(4) Daß der Wortbestandteil „Kinder“ für sich die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG erfüllt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

(5) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Kollisionszeichen passe in die Reihe von Produkten der Klägerin, die das Zeichen „Kinder“ als Serienzeichen tragen. Ob das Berufungsgericht damit eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens bejahen wollte (vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 542, 544 – BIG), ist der Entscheidung nicht eindeutig zu entnehmen. Ohne nähere Feststellungen hierzu tragen die Ausführungen die Annahme dieser Art der Verwechslungsgefahr nicht.

Die Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ist gegeben, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (vgl. BGH, Urt. v. 24. 1. 2002 – I ZR 156/ 99, GRUR 2002, 544, 547 = WRP 2002, 537 – BANK 24). Aus einem rein beschreibenden Begriff, dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt, kann der Schutz des Stammbestandteils einer Zeichenserie jedoch nur abgeleitet werden, wenn sich aufgrund der wiederholten Verwendung des Stammbestandteils dieser im Verkehr i. S. von § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat. Denn der Verkehr wird einen nicht unterscheidungskräftigen Zeichenbestandteil einem bestimmten Unternehmen als Stamm einer Zeichenserie nur zuordnen, wenn dieser Teil des Zeichens die mangelnde Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von dem Zeichen erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, aufgrund Durchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen überwunden hat (vgl. auch BGH GRUR 2002, 542, 544 – BIG).

2. Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, die Frage der Verwechslungsgefahr abschließend selbst zu beurteilen. Insbesondere müssen die Parteien zur Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs Gelegenheit erhalten, zu den für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr in der Tatsacheninstanz vortragen zu können.

a) Im Rahmen des wiedereröffneten Berufungsrechtszugs wird das Berufungsgericht auf der Grundlage des Vortrags der Parteien die erforderlichen Feststellungen zur Kennzeichnungskraft der Klagemarke nachzuholen haben. Für die Feststellung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt an, zu dem das Kollisionszeichen kennzeichenrechtlichen Schutz erlangt hat (6. Oktober 1998), wobei allerdings eine etwaige Schwächung der Kennzeichnungskraft bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu beachten ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 21. 2. 1975 – I ZR 18/ 74, GRUR 1975, 370, 371 = WRP 1975, 298 – Protesan; vgl. auch BGH GRUR 2003, 428, 433 – BIG BERTHA). Bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft wird das Berufungsgericht weiter zu berücksichtigen haben, daß der Grad der Kennzeichnungskraft einer Marke nicht allein durch die Ermittlung eines bestimmten prozentualen Bekanntheitsgrades als erfüllt angesehen werden kann, sondern eine Beurteilung unter Heranziehung aller relevanten Umstände erforderlich ist, insbesondere der Eigenschaften, die die Marke von Hause aus besitzt, des Marktanteils der mit der Marke versehenen Waren, der Intensität, der geographischen Ausdehnung und der Dauer der Benutzung sowie des Werbeaufwandes (vgl. EuGH, Urt. v. 14. 9. 1999 – Rs. C-375/ 97, Slg. 1999, I-5421 = GRUR Int. 2000, 73, 75 Tz. 27 = WRP 1999, 1130 – Chevy; BGH, Beschl. v. 8. 5. 2002 – I ZB 4/ 00, GRUR 2002, 1067, 1069 = WRP 2002, 1152 – DKV/ OKV).

b) Sollte es im weiteren Verfahren auf das Vorliegen einer Verkehrsdurchsetzung des reinen Wortzeichens „Kinder“ ankommen, wird das Berufungsgericht hierzu von der Notwendigkeit einer nahezu einhelligen Verkehrsbekanntheit auszugehen haben, weil „Kinder“ die Abnehmerkreise der in Rede stehenden Waren glatt beschreibt (vgl. auch EuGH, Urt. v. 4. 5. 1999 – Rs. C-108 und 109/ 97, Slg. 1999, I-2799 = GRUR 1999, 723, 727 Tz. 50 = WRP 1999, 629 – Chiemsee).

c) Die Klägerin hat eine Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch zwischen ihrer Wortmarke „Kinderschokolade“ und dem Kollisionszeichen „Kinder Kram“ der Beklagten geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt folgerichtig – hierzu keine Feststellungen getroffen. Sollte es auf diesen Punkt ankommen, wird von folgendem auszugehen sein:

Die Wortmarke „Kinderschokolade“ wird durch den Wortbestandteil „Kinder“ nicht derart geprägt, daß der weitere Bestandteil „Schokolade“ der Marke der Klägerin dahinter so weit zurücktritt, daß er den Gesamteindruck der Wortmarke nicht mehr mitbestimmt (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 – Bit/ Bud; GRUR 2002, 542, 543 – BIG). Denn die Wortbestandteile „Kinder“ und „Schokolade“ der Wortmarke Nr. 1006192 der Klägerin bezeichnen die Zielgruppe und das Produkt. Keiner dieser beschreibenden Wortbestandteile prägt das Gesamtzeichen allein. Gleiches gilt für das Gesamtzeichen „Kinder Kram“ der Beklagten.

(Unterschriften)

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