BGH: Farbmarkenverletzung I

BGH, Urteil vom 04.09.2003, I ZR 23/01 – Farbmarkenverletzung I
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; MarkenG § 4 Nr. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2

1. Ein Klageantrag, der auf das Verbot gerichtet ist, eine als Marke geschützte Farbe „als Kennzeichnung“ zu benutzen, ist nicht hinreichend bestimmt.

2. a) Das für den Erwerb einer Benutzungsmarke im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG notwendige Maß an Verkehrsgeltung eines Zeichens kann nicht in der Weise festgelegt werden, daß einem prozentmäßig bestimmten Anteil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt sein müsse, daß das Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinweist. Zu berücksichtigen sind vielmehr auch die Umstände des Einzelfalls.

b) Für die Anerkennung einer Benutzungsmarke an einem Zeichen, das in einer Farbe ohne räumliche Begrenzung besteht, ist ein hoher Grad an Verkehrsgeltung zu fordern.

3. Bei einer Farbmarke kann eine Markenidentität nur bei völliger Farbidentität angenommen werden.

4. Das Recht aus einer abstrakten Farbmarke kann durch die Verwendung der Farbe in einer Werbeanzeige nur dann verletzt werden, wenn der Verkehr darin auch unter Berücksichtigung der sonstigen Elemente der Anzeige einen Herkunftshinweis sieht. Je höher der durch Benutzung erworbene Grad der Kennzeichnungskraft der Farbmarke ist, um so eher wird die Verwendung der Farbe in einer Anzeige als Herkunftshinweis verstanden und ihr auch eine selbständig kennzeichnende Funktion beigemessen werden.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und Asendorf für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und im übrigen teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. April 2000 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen insoweit geändert, als die Beklagte nach dem Hauptteil des Unterlassungsantrags und den darauf bezogenen Anträgen auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und auf Verurteilung zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist.

Die Klage wird insoweit als unzulässig abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht hat die Klägerin 59, 5 %, die Beklagte 40, 5 % zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin 55 %, der Beklagten 45 % zur Last.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Die Parteien bieten als Wettbewerber Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation an.

Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, verwendet – wie (ab 1990) ihre Rechtsvorgängerin – die Farbe magenta (Farbton RAL 4010) zur Kennzeichnung ihrer Dienstleistungen und in ihrer Werbung. Sie ist seit 12. September 2000 Inhaberin der Farbmarke Nr. 395 52 630 „magenta“ (RAL 4010), die am 27. Dezember 1995 angemeldet und aufgrund des Beschlusses des Bundespatentgerichts vom 19. April 2000 im Hinblick auf die nachgewiesene Verkehrsdurchsetzung (u. a. für Waren und Dienstleistungen aus dem Bereich der Telekommunikation) eingetragen worden ist. Darüber hinaus ist die Klägerin Inhaberin einer am 3. August 2000 eingetragenen Gemeinschaftsfarbmarke „magenta“.

Die Beklagte warb am 1., 5., 8. und 13. März 1999 mit Zeitungsanzeigen, die nachstehend im Klageantrag wiedergegeben sind, für ihre Dienstleistungen. In den Anzeigen sind die Werbeslogans (in der Anzeige vom 13. 3. 1999 statt dessen die Hauptaussage), die Preisangaben und die Netzbetreiberkennzahl 0 10 19 der Beklagten in einer magenta jedenfalls sehr ähnlichen Farbe, die sonstigen Teile der Anzeigen (insbesondere die Bildbestandteile und die Texte) in schwarz/ weiß oder weiß gehalten. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Rechte aus ihrer eingetragenen Marke Nr. 395 52 630 und für den Zeitraum vor deren Eintragung aus einer kraft Verkehrsgeltung erworbenen Farbmarke geltend.

Die Klägerin hat – soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung – beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung der im einzelnen bezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Telefondienstleistungen unter der Kennzeichnung Farbe „magenta“ anzubieten, zu erbringen oder zu bewerben, insbesondere wenn dies geschieht wie in den nachfolgend in Farbe einkopierten Anzeigen: (…)

2. Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte Handlungen gemäß vorstehend 1. begangen hat, und zwar jeweils unter Angabe der erzielten Umsätze und unter Angabe des Umfangs der betriebenen Werbung, letzteres unter Angabe der Werbeaufwendungen, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungsgebiet und Verbreitungszeit;

II. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entsteht.

Die Beklagte hat dagegen u. a. vorgebracht, bei den angegriffenen Anzeigen stehe die Farbe magenta nicht im Vordergrund. Die Voraussetzungen für einen Markenschutz kraft Verkehrsgeltung lägen nicht vor. In der Zeit vor der Eintragung der Farbmarke habe sie jedenfalls schuldlos gehandelt.

Das Landgericht hat der Klage im Umfang des vorstehend wiedergegebenen Klageantrags – unter Einschränkung der Umsatzauskunft auf ein Jahr nach Erscheinen der Anzeigen – stattgegeben. Es hat die Klage abgewiesen, soweit sie auch gegen die Verwendung der Farbkombination grau/ magenta gerichtet war.

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß im vorliegenden Verfahren nicht über die Ansprüche entschieden werde, die Gegenstand des Verfahrens 12 O 40/ 99 LG Düsseldorf (= 27 U 26/ 00 OLG Düsseldorf) seien, nämlich die Ansprüche auf Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihre Netzbetreiberkennzahl 0 10 19 in der Weise zu bewerben, daß die Ziffern blickfangartig in der Farbe magenta (mit oder ohne Rahmen um die einzelne Ziffer) dargestellt werden.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten insoweit stattgegeben, als es den Antrag, sie zu verurteilen, Auskunft über die erzielten Umsätze zu erteilen, insgesamt abgewiesen hat. Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß es von dem Unterlassungsgebot in Ausspruch zu I. 1. des angefochtenen Urteils die Fälle ausgenommen hat, „in denen die Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihre Netzbetreiberkennzahl 0 10 19 in der Weise bewirbt, daß die Ziffern blickfangartig in der Farbe ‚magenta‘ (mit oder ohne Rahmen um die einzelne Ziffer) dargestellt werden“.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

A. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung nach dem Hauptteil des Unterlassungsantrags und die darauf Bezug nehmenden Nebenansprüche wendet, da die Klage insoweit unzulässig ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

I. Das Berufungsgericht hat den Hauptteil des Unterlassungsantrags als hinreichend bestimmt angesehen. Der Klageantrag richte sich entsprechend seinem Wortlaut und seiner Begründung nur gegen kennzeichenmäßige Benutzungen der Farbe magenta. Der Begriff „kennzeichenmäßig“ möge zwar in Randbereichen unscharf sein, eine genauere Beschreibung sei der Klägerin jedoch nicht möglich. Der Streit der Parteien gehe auch nicht darüber, daß die Beklagte die Farben, die Anlaß zu dem Rechtsstreit gegeben hätten, kennzeichenmäßig benutzt habe. Dem kann nicht zugestimmt werden.

II. 1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 4. 7. 2002 – I ZR 38/ 00, GRUR 2002, 1088, 1089 = WRP 2002, 1269 – Zugabenbündel; Urt. v. 13. 3. 2003 – I ZR 143/ 00, WRP 2003, 1103, 1105 – Erbenermittler, jeweils m. w. N.). Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (BGHZ 144, 255, 263 – Abgasemissionen).

2. Mit dem Hauptteil ihres Unterlassungsantrags hat die Klägerin vor dem Landgericht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, „im geschäftlichen Verkehr Telefondienstleistungen unter der Kennzeichnung Farbe ‚magenta‘ anzubieten, zu erbringen oder zu bewerben“. Im Berufungsverfahren hat sie von diesem Antrag lediglich Fälle ausgenommen, in denen die Beklagte die Ziffern ihrer Netzbetreiberkennzahl in der Werbung blickfangartig in der Farbe magenta darstellt. Der gestellte Antrag ist unbestimmt, weil mit ihm nach seinem Wortlaut und nach der ausdrücklichen Erklärung der Klägerin im Berufungsverfahren jede kennzeichenmäßige Nutzung der durch RAL 4010 definierten Farbe magenta – auch unabhängig von den konkret angegriffenen Anzeigen – verboten werden soll.

Die Verwendung von Begriffen wie „markenmäßig“ in einem Klageantrag zur Kennzeichnung der zu untersagenden Benutzungshandlung ist allerdings vielfach nach den Umständen des Einzelfalls unbedenklich, wenn zum Verständnis der Begriffe auf die mit der Klage beanstandete konkrete Verletzungshandlung und die gegebene Klagebegründung zurückgegriffen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 12. 7. 1990 – I ZR 236/ 88, GRUR 1991, 138 – Flacon; Urt. v. 10. 10. 1991 – I ZR 136/ 89, GRUR 1992, 130, 131 = WRP 1992, 96 – Bally/ BALL). Es ist nicht grundsätzlich und generell unzulässig, in einem Klageantrag auslegungsbedürftige Begriffe zu verwenden. Es kommt vielmehr maßgeblich auch darauf an, ob sich der benutzte Begriff auf den Kern der mit dem begehrten Verbot zu treffenden Regelung bezieht oder nur auf mehr oder weniger theoretische Randfragen (vgl. BGH GRUR 2002, 1088, 1089 – Zugabenbündel, m. w. N.).

Im vorliegenden Fall bliebe aber bei einer Verurteilung nach dem Hauptteil des Unterlassungsantrags weitgehend offen, welche Formen der Verwendung der Farbe magenta als kennzeichenmäßig anzusehen sind. Die Klägerin stützt ihre Klage u. a. auf ihre Inhaberschaft an einer abstrakten Farbmarke, deren Schutzumfang eine unbestimmte Vielzahl konkreter Gestaltungen umfassen kann. Ein Markenschutz für eine Farbe ohne räumliche Begrenzung gibt keinen Schutz gegen deren Verwendung in jedweder Form. Eine rechtmäßige Farbverwendung bleibt in vielfältiger Art und Weise möglich. Die Abgrenzung zwischen einer in das Schutzrecht eingreifenden kennzeichenmäßigen Benutzung oder einer etwa nur dekorativen Verwendung der Farbe kann im Einzelfall schwierig sein. Sie darf nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 26. 6. 1997 – I ZR 14/ 95, GRUR 1998, 165, 167 = WRP 1998, 51 – RBB). Das schutzwürdige Interesse der Beklagten an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen überwiegt hier sehr deutlich das Interesse der Klägerin an einem wirksamen Rechtsschutz.

III. Aus den vorstehend dargelegten Gründen sind auch die auf den Hauptteil des Unterlassungsantrags bezogenen Anträge auf Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht nicht hinreichend bestimmt.

B. Die Revision der Beklagten ist jedoch zurückzuweisen, soweit sie sich auch gegen die Verurteilung nach dem „Insbesondere“ -Teil des Unterlassungsantrags und der darauf Bezug nehmenden Nebenansprüche wendet. Insoweit richtet sich der Unterlassungsantrag gegen die konkret beanstandeten Verletzungsformen.

I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag, soweit sich dieser auf die Verwendung der Farbe magenta in den konkret angegriffenen Werbeanzeigen der Beklagten bezieht, als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

Die Klägerin sei nunmehr Inhaberin der eingetragenen Farbmarke „magenta“. Werde die Farbe magenta von der Beklagten wie in den beanstandeten Anzeigen benutzt, um die eigenen Dienstleistungen zu kennzeichnen, werde die Klagemarke identisch verletzt. Dabei sei es unerheblich, ob die benutzte Farbe mit magenta identisch sei, weil sie dieser Farbe jedenfalls sehr ähnlich sei. Die Farbe magenta sei in den Anzeigen der Beklagten kennzeichenmäßig benutzt worden. Die großflächige, im Vordergrund stehende Gestaltung von Netzbetreiberkennzahl, Preisangaben und Werbeslogans in der Farbe magenta weise auf die eigenen Dienstleistungen der Beklagten hin.

Es bestehe Begehungsgefahr. Die Farbmarke der Klägerin sei zwar erst nach dem Erscheinen der Werbeanzeigen eingetragen worden; die Beklagte habe jedoch eine Erstbegehungsgefahr begründet, weil sie ihre Anzeigen noch in der letzten mündlichen Verhandlung als rechtmäßig verteidigt habe.

Die Beklagte habe durch die angegriffenen Anzeigen zudem die Benutzungsmarke (§ 4 Nr. 2 MarkenG) verletzt, die der Klägerin schon vor der Eintragung der entsprechenden Farbmarke zugestanden habe. Durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil und ein eigenes, den Parteien bekanntes Urteil hat das Berufungsgericht dazu folgendes festgestellt: Eine im April/ Mai 1998 durchgeführte Verkehrsbefragung habe ergeben, daß die Farbe magenta für 58 % der Bevölkerung bei Waren oder Dienstleistungen rund um das Telefon auf ein bestimmtes Unternehmen hinweise. Der Bekanntheitsgrad der Farbe als Kennzeichen der Klägerin sei bis zum Erscheinen der angegriffenen Werbung im März 1999 eher noch gewachsen. Nach einer Verkehrsbefragung im September 1999 hätten 68, 4 % der Bevölkerung die Farbe magenta bei Waren und Dienstleistungen rund um das Telefon ausdrücklich der Klägerin zugeordnet. Die Verkehrsgeltung von magenta als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen habe damals 70, 4 % betragen. Die kennzeichenmäßige Benutzung der Farbe magenta in den Anzeigen der Beklagten habe eine Wiederholungsgefahr begründet.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, für Telefondienstleistungen unter Benutzung der Farbe magenta zu werben, wenn dies wie in den vier angegriffenen Anzeigen geschieht (§ 14 Abs. 5 MarkenG). Dieser Anspruch steht der Klägerin schon unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu, weil die Beklagte durch die Anzeigen das Recht der Klägerin an einer Benutzungsmarke (§ 4 Nr. 2 MarkenG) verletzt hat, die denselben Gegenstand wie die später eingetragene Farbmarke „magenta“ hatte.

a) An einem Zeichen, das in einer Farbe ohne räumliche Begrenzung besteht, können nach § 4 Nr. 2 MarkenG die Rechte einer Benutzungsmarke erworben werden, wenn die allgemeinen Kriterien der Markenfähigkeit (§ 3 MarkenG) gegeben sind und für das Zeichen durch Benutzung Verkehrsgeltung erlangt worden ist (vgl. BGHZ 140, 193, 195 – Farbmarke gelb/ schwarz; BGH, Beschl. v. 19. 9. 2001 – I ZB 3/ 99, GRUR 2002, 427, 428 = WRP 2002, 450 – Farbmarke gelb/ grün, m. w. N.; vgl. weiter EuGH, Urt. v. 6. 5. 2003 – Rs. C-104/ 01, GRUR 2003, 604, 607 Tz. 42 und 67 = WRP 2003, 735 – Libertel; Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 4 Rdn. 18 f.; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 4 Rdn. 7). Dies ist bei der Farbe magenta bezogen auf Telekommunikationsdienstleistungen der Fall (BGH, Beschl. v. 25. 3. 1999 – I ZB 24/ 98, Umdruck S. 4).

b) Die Klägerin hatte bei Erscheinen der Anzeigen im März 1999 für die Farbe magenta als Kennzeichen ihrer Waren und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation die erforderliche Verkehrsgeltung.

aa) Das für den Erwerb einer Benutzungsmarke im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG notwendige Maß an Verkehrsgeltung eines Zeichens kann nicht in der Weise festgelegt werden, daß einem prozentmäßig bestimmten Anteil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt sein müsse, daß das Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinweist (vgl. Ströbele/ Hacker aaO § 4 Rdn. 47 ff.; Ingerl/ Rohnke aaO § 4 Rdn. 17 ff.). Zu berücksichtigen sind vielmehr auch die Umstände des Einzelfalls.

Bei Farbzeichen gehört dazu insbesondere der Umstand, daß die Allgemeinheit angesichts der geringen Zahl der tatsächlich verfügbaren Farben ein Interesse daran hat, daß der Bestand an verfügbaren Farben nicht mit wenigen Markenrechten erschöpft wird (vgl. – zur Registermarke – EuGH GRUR 2003, 604, 607 f. Tz. 54 f., 60 – Libertel). Für die Anerkennung einer Benutzungsmarke an einem Zeichen, das in einer Farbe ohne räumliche Begrenzung besteht, ist deshalb grundsätzlich ein höherer Grad an Verkehrsgeltung zu fordern als bei normal kennzeichnungskräftigen Zeichen, bei denen kein besonderes Freihalteinteresse gegeben ist (vgl. dazu auch – noch zu § 25 WZG – BGH, Urt. v. 20. 3. 1997 – I ZR 246/ 94, GRUR 1997, 754, 755 = WRP 1997, 748 – grau/ magenta, m. w. N.; vgl. weiter Ströbele/ Hacker aaO § 4 Rdn. 51 f.; Ingerl/ Rohnke aaO § 4 Rdn. 21; v. Schultz, Markenrecht, § 4 Rdn. 10 ff.; Caldarola, Farbenschutz in Deutschland, den Vereinigten Staaten und Japan, 2001, S. 57).

bb) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen dafür, daß die Klägerin eine Benutzungsmarke erworben hat, rechtsfehlerfrei bejaht. Nach den getroffenen Feststellungen ist die Farbe magenta auf dem Gebiet der Telekommunikation ungewöhnlich; sie wird im wesentlichen nur von der Klägerin benutzt. Unter diesen besonderen Umständen war der Grad der Verkehrsgeltung in der Bevölkerung von zumindest 58 %, der für den Kollisionszeitraum festgestellt worden ist, für die Entstehung einer Benutzungsmarke ausreichend.

c) Die Beklagte hat die Benutzungsmarke der Klägerin – abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht durch Benutzung eines identischen Zeichens verletzt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Bei einer Farbmarke kann eine Markenidentität nur bei völliger Farbidentität angenommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 1. 3. 2001 – I ZB 57/ 98, GRUR 2001, 1154, 1156 = WRP 2001, 1198 – Farbmarke violettfarben; Ströbele, Festschrift für Erdmann, 2002, S. 491, 507; Sack, WRP 2001, 1022, 1025). Eine Farbidentität ist jedoch nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat lediglich dargelegt, daß die Beklagte in ihrer Werbung für identische Dienstleistungen eine Farbe kennzeichenmäßig verwendet hat, die der Farbe magenta (RAL 4010) jedenfalls sehr ähnlich ist.

d) Die Beklagte hat jedoch die von der Klägerin für Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation erworbene Benutzungsmarke „magenta“ dadurch verletzt, daß sie in den vier Werbeanzeigen für identische Dienstleistungen eine Farbe als Kennzeichen benutzt hat, die mit der als Marke geschützten Farbe magenta verwechslungsfähig ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 5 MarkenG).

aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte in den angegriffenen Anzeigen die Farbe – einen magenta zumindest sehr ähnlichen Farbton – als solche kennzeichenmäßig benutzt hat.

(1) Das Recht aus einer abstrakten Farbmarke kann durch eine Werbeanzeige nur dann verletzt werden, wenn die Farbe darin als Herkunftshinweis verwendet wird. Für die Farbmarke gilt insoweit nichts anderes als für andere Markenformen (vgl. EuGH, Urt. v. 12. 11. 2002 – Rs. C-206/ 01, GRUR 2003, 55, 57 f. Tz. 51 ff. = WRP 2002, 1415 – Arsenal Football Club plc; BGH, Urt. v. 20. 12. 2001 – I ZR 60/ 99, GRUR 2002, 809, 811 = WRP 2002, 982 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; Urt. v. 5. 12. 2002 – I ZR 91/ 00, GRUR 2003, 332, 333 f. = WRP 2003, 521 – Abschlußstück, zum Abdruck in BGHZ 153, 131 vorgesehen). Wird eine Farbe in einer Werbeanzeige verwendet, besteht allerdings besonderer Anlaß zu prüfen, ob dies herkunftshinweisend geschieht.

Bei dieser Prüfung ist auf das Verständnis des angesprochenen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 606, 608 Tz. 46, 63 – Libertel; BGH GRUR 2003, 332, 334 – Abschlußstück). Bei Dienstleistungen der Telekommunikation gehören alle Verbraucher zu den maßgeblichen Verkehrskreisen. Die Verbraucher sehen in einer Farbe nicht in erster Linie einen Herkunftshinweis. Sie sind es nicht gewohnt, der Verwendung einer Farbe in der Werbung ohne Hinzutreten von graphischen Elementen oder Wortelementen einen Herkunftshinweis zu entnehmen, da eine Farbe als solche – zumindest bisher – in der Regel nicht zur Kennzeichnung der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen verwendet wird (vgl. – zur Verwendung von Farben auf Waren oder deren Verpackungen – EuGH GRUR 2003, 604, 606, 608 Tz. 27, 65 f. – Libertel).

Nur ausnahmsweise kann angenommen werden, daß der Verkehr eine Farbe in einer Anzeige nicht nur als Gestaltungsmittel, sondern als Herkunftshinweis auffaßt. Dazu ist es erforderlich, daß die Farbe als solche im Rahmen aller sonstigen Elemente in einer Weise hervortritt, daß sie als Kennzeichnungsmittel verstanden wird (vgl. BGH, Urt. v. 5. 4. 2001 – I ZR 168/ 98, GRUR 2002, 171, 175 = WRP 2001, 1315 – Marlboro-Dach; vgl. auch Ströbele aaO S. 503; Grabrucker, WRP 2000, 1331, 1341).

(2) Die Frage, ob eine kennzeichenmäßige Benutzung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, deren Beurteilung aber weitgehend von tatsächlichen Feststellungen über das Verkehrsverständnis abhängt, die vom Tatrichter zu treffen sind (vgl. Ingerl/ Rohnke aaO § 14 Rdn. 99).

Das Berufungsgericht hat – entgegen der Ansicht der Revision – dem Gesamtbild der angegriffenen Anzeigen zu Recht entnommen, daß der darin verwendete, der Farbe magenta zumindest sehr ähnliche Farbton herkunftshinweisend benutzt worden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind insoweit allerdings knapp ausgefallen; sie können jedoch vom Senat auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts ohne weiteres ergänzt werden. Die Anzeigen unterscheiden sich in den hier maßgeblichen Gesichtspunkten nur unwesentlich voneinander. Eine Einzelbetrachtung ist daher ausnahmsweise entbehrlich.

Ein Verständnis, daß die Farbe in den angegriffenen Anzeigen zur Werbung für Telefondienstleistungen kennzeichenmäßig benutzt wurde, lag im Kollisionszeitraum ohnehin sehr nahe, weil magenta nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts eine ungewöhnliche Farbe ist, schon damals eine „Hausfarbe“ der Klägerin mit einer Verkehrsgeltung von jedenfalls 58 % war und trotz der Eigenschaft als Signalfarbe auf dem Gebiet der Telekommunikation im wesentlichen nur von der Klägerin benutzt wurde. Die entsprechende Gewöhnung des Verkehrs, bei Telefondienstleistungen in der Farbe magenta einen Herkunftshinweis zu sehen, und die durch Benutzung erworbene Kennzeichnungskraft des Klagezeichens führen dazu, daß der Verkehr die Farbe auch bei einer Verwendung in einer Werbeanzeige für solche Dienstleistungen um so eher als Herkunftshinweis auffaßt und ihr eine selbständig kennzeichnende Funktion beimißt (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 6. 7. 2000 – I ZR 21/ 98, GRUR 2001, 158, 160 = WRP 2001, 41 – Drei-Streifen-Kennzeichnung; BGH GRUR 2002, 171, 173 – Marlboro-Dach; BGH, Urt. v. 13. 3. 2003 – I ZR 122/ 00, GRUR 2003, 880, 881 = WRP 2003, 1228 – City Plus).

In den Anzeigen ist die verwendete Farbe, die magenta sehr ähnlich ist, nicht nur die einzige Farbe, sondern auch das wichtigste – und signalhaft eingesetzte – Gestaltungsmittel. Nicht nur der Blickfang ist jeweils in dieser Farbe gehalten (in den Anzeigen vom 1., 5. und 8. 3. 1999 die Werbeslogans, in der Anzeige vom 13. 3. 1999 die Hauptaussage); auch die Netzbetreiberkennzahl und die in großer Schrift gedruckten Hauptaussagen, aus denen zugleich unmittelbar erkennbar ist, daß Telefondienstleistungen beworben werden, sind in dieser Farbe herausgestellt. Die anderen Elemente, die beim Betrachten der Anzeigen unmittelbar in den Blick treten, nehmen ihr nicht die Wirkung als Herkunftshinweis.

Die Herausstellung der Netzbetreiberkennzahl der Beklagten kann an der Annahme, daß die verwendete Farbe auf ein bestimmtes Unternehmen als Werbetreibenden hinweist, schon deshalb nichts ändern, weil nicht ersichtlich ist, daß der Verkehr die Netzbetreiberkennzahl einem anderen Unternehmen als demjenigen zuordnet, mit dem es die Farbe magenta verbindet. Für ihre gegenteilige Ansicht hat die Revision nicht – wie erforderlich – auf Vorbringen in den Vorinstanzen verwiesen.

Der Abdruck des Firmenschlagworts der Beklagten „MOBILCOM“ auf den angegriffenen Anzeigen steht der Annahme einer kennzeichenmäßigen Benutzung der magenta sehr ähnlichen Farbe nicht entgegen. Das Firmenschlagwort wird erst bei näherer Betrachtung wahrgenommen, da es in schwarz/ weiß und am unteren Rand der Anzeigen wiedergegeben ist, nur ein wenig die blickfangartig herausgestellte Netzbetreiberkennzahl abdeckend. Es ist daher nicht geeignet, den Herkunftshinweis zu beseitigen, der mit der Verwendung des Farbtons magenta gegeben wird. Gleiches gilt für sonstige Elemente der Anzeigen.

bb) Die Farbgestaltung der angegriffenen Anzeigen, die – wie sich aus dem Vorstehenden ergibt – vom Verkehr als selbständiges Kennzeichnungsmittel aufgefaßt wird, war mit der damals bereits bestehenden Benutzungsmarke der Klägerin verwechslungsfähig (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Die Revision hat die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Farbton in den Anzeigen der Beklagten dem Farbton magenta jedenfalls sehr ähnlich ist, nicht angegriffen. Die Verwechslungsgefahr wird dadurch erhöht, daß die angesprochenen Verbraucher, wenn sie – wie hier – auf ihr Erinnerungsvermögen angewiesen sind, geringe Unterschiede in den Farbtönen kaum feststellen können (vgl. dazu auch EuGH GRUR 2003, 604, 607 Tz. 47 – Libertel).

2. Das Berufungsgericht hat danach auch rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die Verletzung ihrer Benutzungsmarke entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 14 Abs. 6 MarkenG). Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Verschulden sind nicht angegriffen. Der Auskunftsanspruch ist als Hilfsanspruch zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs gegeben.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

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