BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – I ZR 246/02 – DIESEL (OLG Dresden)
Erste Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 v. 11.2.1989, S. 1) Art. 5 Abs. 1 und 3; EG Art. 28 bis 30; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Ersten Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 v. 11.2.1989, S. 1) und zu Art. 28 bis 30 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber das Recht, die Durchfuhr von Waren mit dem Zeichen zu verbieten?
b) Bejahendenfalls: Kann sich eine besondere Beurteilung daraus ergeben, daß das Zeichen im Bestimmungsland keinen Schutz genießt?
c) Ist – im Falle der Bejahung von Frage a) und unabhängig von der Beantwortung der Frage zu b) – danach zu unterscheiden, ob die für einen Mitgliedstaat bestimmte Ware aus einem Mitgliedstaat, aus einem assoziierten Staat oder aus einem Drittstaat stammt? Kommt es dabei darauf an, ob die Ware im Ursprungsland rechtmäßig oder unter Verletzung eines dort bestehenden Kennzeichenrechts des Markeninhabers hergestellt worden ist?
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Ersten Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 v. 11.2.1989, S. 1) und zu Art. 28 bis 30 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber das Recht, die Durchfuhr von Waren mit dem Zeichen zu verbieten?
b) Bejahendenfalls: Kann sich eine besondere Beurteilung daraus ergeben, daß das Zeichen im Bestimmungsland keinen Schutz genießt?
c) Ist – im Falle der Bejahung von Frage a) und unabhängig von der Beantwortung der Frage zu b) – danach zu unterscheiden, ob die für einen Mitgliedstaat bestimmte Ware aus einem Mitgliedstaat, aus einem assoziierten Staat oder aus einem Drittstaat stammt? Kommt es dabei darauf an, ob die Ware im Ursprungsland rechtmäßig oder unter Verletzung eines dort bestehenden Kennzeichenrechts des Markeninhabers hergestellt worden ist?
Gründe:
I. Die Klägerin ist Inhaberin der IR-Marke Nr. 608 499 „DIESEL“, die mit Priorität vom 4. Oktober 1993 Schutz in Deutschland und Polen u. a. für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klasse 25 „Vêtements, chaussures, chapellerie“ genießt. Weiter ist sie Inhaberin der mit Priorität vom 16. Februar 1982 ebenfalls in der Warenklasse 25 u. a. für „Pantalons, chemises“ und mit Schutzwirkung für Deutschland eingetragenen IR-Marke Nr. 467 393 „DIESEL“.
Die Klägerin ist außerdem Inhaberin der polnischen Marke Nr. 73457 „DIESEL“ mit Priorität vom 20. Juni 1991, ebenfalls eingetragen für Waren der Klasse 25, u. a. für „Kleidung, Schuhe, Kopfbedeckung“.
Die Beklagte vertreibt in Irland unter der Bezeichnung „Diesel“ Jeanshosen. Sie stellt diese Kleidungsstücke her, indem sie die einzelnen Teile einschließlich der Kennzeichnungsmittel im Wege des Zollverschlußverfahrens nach Polen bringt, dort zusammennähen läßt und die fertigen Hosen anschließend nach Irland zurückführt. In Irland hat die Klägerin für das Zeichen keinen Schutz.
Am 31. Dezember 2000 hielt das Hauptzollamt Löbau – Zollamt Zittau – eine für die Beklagte bestimmte Warenlieferung von 5. 076 Damenhosen, versehen mit der Bezeichnung „Diesel“, zurück, die eine ungarische Spedition per Lkw von dem polnischen Fertigungsbetrieb über deutsches Gebiet zur Beklagten nach Irland bringen sollte. Die Hosen sollten in einem durchgehenden Versandverfahren vom polnischen Zollamt Legnica bis zur Bestimmungszollstelle in Dublin befördert werden, wobei sie mit einem vom polnischen Zollamt angelegten Raumverschluß (Zollplombe) am Beförderungsmittel gegen etwaige Entnahme während des Versandverfahrens gesichert waren. Die Beklagte erhob gegen die Anordnung der Beschlagnahme ihrer Waren Widerspruch.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Durchfuhr stelle eine Verletzungshandlung i. S. von § 14 MarkenG dar, weil die Gefahr bestehe, daß die Waren im Durchfuhrland rechtswidrig in Verkehr gelangen könnten.
Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, ohne Genehmigung der Klägerin oder eines hierzu befugten Lizenznehmers Bekleidungsstücke, auf denen oder auf deren Aufmachung oder auf deren Verpackung die Bezeichnung „Diesel“ angebracht ist, durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen oder dies zu veranlassen.
Sie hat ferner die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Außerdem hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in die Vernichtung der beschlagnahmten Hosen einzuwilligen oder nach ihrer Wahl alle Etiketten, Aufdrucke, Knöpfe und sonstige Kennzeichnungen mit der Bezeichnung „Diesel“ zu entfernen und in die Vernichtung dieser Kennzeichen einzuwilligen, sowie festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten der Vernichtung zu tragen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die bloße Durchfuhr von Waren sei nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine markenrechtlich relevante Verletzungshandlung. An solchen Umständen fehle es hier jedoch.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 und 3 MarkenRL und der Art. 28 bis 30 EG ab. Vor der Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung zu den im Beschlußtenor gestellten Fragen einzuholen.
1. Der Senat möchte eine Benutzungshandlung gemäß Art. 5 Abs. 1 und 3 MarkenRL, § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 MarkenG verneinen. In Art. 5 Abs. 3 MarkenRL, § 14 Abs. 3 MarkenG werden Beispielsfälle unzulässiger Benutzungshandlungen aufgeführt. Nach Art. 5 Abs. 3 lit. c MarkenRL, § 14 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG stellen nur die Ein- und die Ausfuhr unzulässige Benutzungshandlungen dar; die Durchfuhr ist nicht als Beispielsfall erwähnt. Nach Ansicht des Senats kann die Durchfuhr den Einfuhr- und Ausfuhrtatbeständen auch nicht gleichgestellt werden.
2. Die Frage, ob in der Warendurchfuhr eine Markenverletzung i. S. von Art. 5 Abs. 1 und 3 MarkenRL, § 14 Abs. 2 und 3 MarkenG gesehen werden kann, ist umstritten. Teils wird in Anlehnung an die bisherige deutsche Rechtsprechung zu §§ 15, 24 WZG (vgl. BGHZ 23, 100, 106 – Taeschner/Pertussin I; BGH, Urt. v. 15.1.1957 – I ZR 56/55, GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner/Pertussin II; Urt. v. 24.7.1957 – I ZR 21/56, GRUR 1958, 189, 197 – Zeiss) angenommen, die bloße Durchfuhr (sog. ungebrochener Transit) stelle keine Markenverletzung i. S. von § 14 MarkenG dar (vgl. Starck, GRUR 1996, 688, 693).
Die Gegenansicht rechnet den Transit gekennzeichneter Ware generell zu den relevanten Benutzungshandlungen (vgl. KG GRUR Int. 2002, 327, 328 – EURO-Paletten; Sack, WRP 2000, 702, 703 f.; ders., Festschrift für Piper, 1996, S. 603, 614 ff.; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 14 Rdn. 100; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 14 Rdn. 483; Ekey in Ekey/Klippel, Markenrecht, § 14 Rdn. 156; offengelassen von öOGH GRUR Int. 2002, 934, 936 = WRP 2002, 844 – BOSS-Zigaretten II). Zur Begründung für diese Ansicht wird in erster Linie die Gefahr angeführt, daß die Markenware während des Transits im Inland in Verkehr gelangen kann. Weiter wird darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH, Urt. v. 6.4.2000 – Rs. C-383/98, Slg. 2000, I-2519 = GRUR Int. 2000, 748 = WRP 2000, 713 – Polo/Lauren; Urt. v. 7.1.2004 – Rs. C-60/02, GRUR Int. 2004, 317 – Rolex) eine Grenzbeschlagnahme auch in Fällen bloßer Durchfuhr möglich sei auf der Grundlage der Produktpiraterieverordnung (Verordnung (EG) Nr. 3295/ 94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr, ABl. EG Nr. L 341 v. 30. Dezember 1994, S. 8 in der Fassung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 241/99 des Rates vom 25. Januar 1999, ABl. EG Nr. L 027 vom 2. Februar 1999, S. 1; mittlerweile ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1383/03 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, ABl. EG Nr. L 196 vom 2. August 2003, S. 7). Damit beurteile der Gerichtshof implizit die Durchfuhr als markenrechtlich relevante Verletzungshandlung (Hacker aaO § 14 Rdn. 100).
Von einem Teil des Schrifttums wird schließlich die Einbeziehung des Transits als rechtsverletzende Benutzung aus Gründen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28, 30 EG) jedenfalls für die innergemeinschaftliche Durchfuhr von rechtmäßig in einem Mitgliedstaat hergestellten Produkten abgelehnt (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 14 Rdn. 201; Hacker, MarkenR 2004, 257, 260 f.; Heim, WRP 2005, 167, 175).
3. In der Rechtsprechung zu §§ 15, 24 WZG ist bei Import-, Export- und Durchfuhrgeschäften danach unterschieden worden, ob die Ware im Inland Gegenstand eines Veräußerungsgeschäfts sein sollte oder ob ein reiner Transitverkehr gegeben war. Im ersten Fall wurde eine Verletzungshandlung angenommen, so wenn z. B. eine im Ausland hergestellte, allein im Inland geschützte Ware nur importiert wurde, um sie ins Ausland zu verkaufen und zu versenden (RGZ 21, 206, 207; 45, 149; RGSt 10, 349, 350 f.; BGHZ 23, 100, 103, 106 – Taeschner/Pertussin I). Im zweiten Fall wurde eine Verletzungshandlung im Inland verneint, selbst wenn im Inland irgendwelche Hilfsgeschäfte (z. B. Beförderungs- oder Frachtverträge) abgeschlossen wurden, um den vorgesehenen Transfer planmäßig durchzuführen (vgl. BGHZ 23, 100, 104 f. – Taeschner/Pertussin I). Zur Begründung wurde angeführt, jedes Land habe ein starkes Interesse, möglichst großen Transitverkehr an sich zu ziehen. Demgegenüber könne ein berechtigtes Interesse inländischer Schutzrechtsinhaber, eine derartige Durchfuhr allein aufgrund ihrer deutschen Schutzrechte zu verbieten, nicht anerkannt werden (BGHZ 23, 100, 106 f. – Taeschner/Pertussin I).
Diente die Beförderung der Ware dagegen dazu, in dem Bestimmungsland zu einer Verletzung eines ausländischen Zeichens zu führen, so wurde in der Durchfuhr ein im Inland begangener Teilakt einer Beeinträchtigung des ausländischen Schutzrechts gesehen, der als unlauterer Wettbewerb sowie als unerlaubte Handlung i. S. des § 823 Abs. 2 BGB im Inland verfolgt werden konnte (vgl. BGH GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner/Pertussin II; GRUR 1958, 189, 197 – Zeiss).
4. Der Senat möchte an dieser Rechtsprechung festhalten und die Durchfuhr gekennzeichneter Ware nicht als Benutzung der im Durchfuhrstaat eingetragenen Marke ansehen. Die Abwägung der Interessen der Betroffenen gebietet keine davon abweichende Beurteilung.
Bei einem reinen Durchfuhrgeschäft kann allein wegen der bloß theoretischen Möglichkeit, daß die Ware mißbräuchlich im Inland in Verkehr gebracht werden könnte, einem Interesse des (inländischen) Schutzrechtsinhabers, Gefährdungen seines Schutzrechts möglichst von vornherein auszuschließen, gegenüber dem Interesse der Beklagten an einem die Zeichen der Klägerin nicht verletzenden Vertrieb der Waren in Irland und den Interessen der weiteren an dem Transitgeschäft Beteiligten sowie dem Allgemeininteresse an einem ungehinderten inländischen Transitverkehr kein Vorrang eingeräumt werden. Es kann nicht angenommen werden, daß allgemein Transitverfahren zur Umgehung genutzt werden (vgl. auch Zweiten Produktpirateriebericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2111, S. 9).
Auch im vorliegenden Fall ist keine besondere Gefährdung der inländischen Markenrechte der Klägerin ersichtlich. Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagte die Ware in Irland unter der Bezeichnung „Diesel“ verkaufen will, zuvor aber die für die Herstellung benötigten Stoffe und Teile nach Polen verbringt, um dort die Jeanshosen zusammennähen zu lassen. Die Ware wird – zunächst in ihren Einzelteilen, sodann im fertiggestellten Zustand – nur deshalb über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht, weil die Beklagte sie nach der aus Kostengründen in Polen erfolgenden Endfertigung in Irland vertreiben will. Veräußerungsgeschäfte über die Ware sollen weder in Deutschland noch in Polen, sondern ausschließlich in Irland getätigt werden. Markenrechte oder sonstige Rechte der Klägerin stehen einem Vertrieb der Ware in Irland unter der Bezeichnung „Diesel“ nicht entgegen.
5. a) Der Senat sieht sich in seiner Auffassung durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Oktober 2003 in der Rechtssache C-115/02 (GRUR Int. 2004, 39 – Rioglass) bestärkt. Die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 und 3 MarkenRL war zwar nicht Gegenstand dieser Entscheidung, sondern die Vorlagefrage betraf die Auslegung der Art. 28 bis 30 EG. In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof jedoch zum Zusammenhang zwischen Durchfuhr und spezifischem Inhalt des Markenrechts ausgeführt, daß dieser nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere darin bestehe, dem Inhaber das ausschließliche Recht zu sichern, die Marke beim erstmaligen Inverkehrbringen einer Ware zu benutzen, und ihn so vor Konkurrenten zu schützen, die unter Mißbrauch der Stellung und des guten Rufes der Marke widerrechtlich mit dieser Marke versehene Waren veräußern (Tz. 25 m. N.). Dieser Schutz komme also nur bei einer Vermarktung der Waren zum Tragen (Tz. 26). Eine Durchfuhr wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die darin bestehe, in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte Waren durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten in einen Drittstaat zu befördern, impliziere keine Vermarktung der betreffenden Waren und könne folglich den spezifischen Gegenstand des Markenrechts nicht verletzen (Tz. 27). Diese Schlußfolgerung gelte unabhängig von der endgültigen Bestimmung der Waren, die sich im Durchfuhrverkehr befänden (Tz. 28).
b) Nach Ansicht des Senats kann die Schlußfolgerung, daß die bloße Durchfuhr keine Vermarktung der betreffenden Waren im Durchfuhrland darstellt und damit dort den spezifischen Gegenstand des Markenrechts nicht berührt, nicht davon abhängen, ob die betreffenden Waren im Herkunftsland rechtmäßig oder rechtswidrig hergestellt werden oder ob es sich bei dem Herkunftsland um einen Mitgliedstaat handelt oder nicht. Der Gerichtshof selbst hat diese Folgerung in der genannten Entscheidung jedoch nicht gezogen, weil dies durch die Fallgestaltung und die Vorlagefrage des Ausgangsverfahrens nicht veranlaßt war.
c) Es kann folglich nicht als sicher angesehen werden, daß Art. 5 Abs. 1 und 3 MarkenRL (vgl. auch Art. 9 Abs. 2 lit c GMVO) dahin auszulegen sind, daß die bloße Durchfuhr (generell) keine unzulässige Benutzungshandlung darstellt, weil sie den spezifischen Inhalt des Markenrechts nicht berührt.
Zweifel an dieser Auslegung bestehen ferner wegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Beschlagnahme in Produktpirateriefällen. Denn der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 in der Rechtssache C-60/02 (GRUR Int. 2004, 317 – Rolex) festgestellt, daß die Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 nach ihrem Art. 1 auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, bei denen aus einem Drittstaat eingeführte Waren bei ihrem Transit in einen anderen Drittstaat auf Antrag eines Rechtsinhabers, der eine Verletzung seiner Rechte behauptet, beschlagnahmt werden (Tz. 54). Er hat sodann ausgeführt, daß einschlägigen Vorschriften des nationalen Markenrechts, die den bloßen Transit nachgeahmter Waren durch das Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats nicht verbieten und somit nicht sanktionieren, den Art. 2 und 11 der Verordnung Nr. 3295/94 entgegenstehen (Tz. 58; vgl. auch EuGH GRUR Int. 2000, 748 Tz. 24 ff. – Polo/Lauren). Da das nationale Gericht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das nationale Recht innerhalb der durch das Gemeinschaftsrecht gesetzten Grenzen auslegen müsse, um das mit der Gemeinschaftsnorm vorgeschriebene Ziel zu erreichen (Tz. 59 m. N.), habe es, wenn eine solche konforme Auslegung möglich sei, den Inhabern eines Rechts am geistigen Eigentum einen Schutz dieses Rechts gegen die nach Art. 2 der Verordnung Nr. 3295/94 verbotenen Beeinträchtigungen dadurch zu garantieren, daß es auf den Transit nachgeahmter Waren durch das eigene Staatsgebiet die zivilrechtlichen Sanktionen anwende, die das nationale Recht für die anderen nach Art. 2 der Verordnung verbotenen Verhaltensweisen vorsehe, sofern sie wirksam, verhältnismäßig und abschreckend seien (Tz. 60). Diesen Ausführungen könnte entnommen werden, daß die Durchfuhr markenrechtlich als Benutzungshandlung angesehen werden muß.
6. Wird die erste Vorlagefrage verneint, so ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen. Wird die erste Vorlagefrage dagegen bejaht, so stellen sich die weiteren, den Grundsatz der Freiheit der Warendurchfuhr innerhalb der Gemeinschaft (Art. 28 bis 30 EG) betreffenden Vorlagefragen:
Für die Klageansprüche kommt es teils auf den in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt der Begehung der konkreten Verletzungshandlung, teils auf den Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung an. Insoweit hat sich die für die Beurteilung maßgebliche Sachlage dadurch geändert, daß Polen nach Erlaß des Berufungsurteils Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften geworden ist. Zum Zeitpunkt der Begehung der konkreten Verletzungshandlung war Polen assoziierter Staat aufgrund des EUROPA-Abkommens durch Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits (ABl. EG Nr. L 348 v. 31.12.1993, S. 2-180).
Danach stellt sich für den Zeitraum vor dem Beitritt Polens die Frage, ob der in der Entscheidung des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2003 – Rioglass für die Beförderung in einem Mitgliedstaat (rechtmäßig) hergestellter Waren durch das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in einen dritten Staat ausgesprochene Grundsatz, daß darin keine den spezifischen Gegenstand des Markenrechts betreffende Beeinträchtigung liegt, auch Anwendung findet, wenn die Ware nicht aus einem Mitgliedstaat, sondern aus einem assoziierten Staat stammt, es sich bei dem Bestimmungsland der Waren aber um einen Mitgliedstaat handelt. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften könnte entnommen werden, daß der Grundsatz der gemeinschaftsrechtlichen Durchfuhrfreiheit nicht nur für Waren gilt, die aus einem anderen Mitgliedstaat stammen, sondern auch auf solche Waren Anwendung findet, die für einen Mitgliedstaat (hier: Irland) bestimmt sind (vgl. EuGH, Urt. v. 16.3.1983 – Rs. 266/81, Slg. 1983, 731 Tz. 23 – SIOT).
Schließlich stellt sich für beide Sachverhaltsalternativen (Mitgliedstaat oder assoziierter Staat) die Frage, ob die Zulässigkeit der Durchfuhr davon abhängt, daß die Ware in dem Ursprungsland rechtmäßig hergestellt worden ist (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 39 Tz. 27 – Rioglass). Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Fertigung der Hosen in Polen unter Anbringung der Kennzeichnungsmittel nach polnischem Recht eine Markenverletzung ist oder nicht. Das Berufungsgericht hat zum maßgeblichen polnischen Recht nichts festgestellt.
Sollte es auf diese Frage ankommen, müßte die Sache daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit dieses die erforderlichen Feststellungen zum polnischen Recht trifft.
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