BGH: Anspruch auf rechtliches Gehör – „Melissengeist“

BGH, Beschluss vom 21.02.2008 – I ZB 70/07
§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG

Das Bundespatentgericht hat den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es den Begriff „Melissengeist“ als Warenbezeichnung ohne jegliche Unterscheidungskraft angesehen hat. (Rn. 9)

In dem Rechtsbeschwerdeverfahren

betreffend die Marke Nr. 399 70 457

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2008 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den an Verkündungs Statt am 26. Juni 2007 zugestellten Beschluss des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Für die Markeninhaberin ist am 24. August 2001 die Wortmarke

Melissengeist

für „Arzneimittel, nämlich Destillat aus Melisse und mindestens Angelikawurzel, Zimtrinde sowie Muskatnusssamen und mit einem Äthanolgehalt von mindestens 65% (V/V)“ als durchgesetzte Marke eingetragen worden.

2
Die Antragstellerinnen haben die Löschung der Eintragung der Marke beantragt. Mit Beschluss vom 8. April 2004 hat die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts die Löschung angeordnet.

3
Die Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben (BPatG PharmR 2007, 467). Dagegen richtet sich die – vom Bundespatentgericht nicht zugelassene – Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin, deren Zurückweisung die Antragstellerinnen beantragen.

4
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung statthaft, weil die Markeninhaberin einen im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel – die Versagung rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) – mit konkreter Begründung gerügt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 – I ZB 5/03, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 – turkey & corn; Beschl. v. 1.3.2007 – I ZB 33/06, GRUR 2007, 534, 535 = WRP 2007, 643 – WEST).

6
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, weil der gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

7
a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht ihr Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 83, 133, 144; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712).

8
b) Dieses Verfahrensgrundrecht der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht nicht verletzt.

9
aa) Das Bundespatentgericht hat den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es den Begriff „Melissengeist“ als Warenbezeichnung ohne jegliche Unterscheidungskraft angesehen hat.

10
(1) Die Markeninhaberin macht insoweit geltend, das Bundespatentgericht habe ihr Vorbringen übergangen, dass die Bezeichnung „Melissengeist“ in der Fachliteratur in aller Regel unter Hinweis auf das Produkt der Markeninhaberin oder ihrer Rechtsvorgänger verwendet worden sei, die die Bezeichnung „Melissengeist“ erstmals im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung eines solchen Erzeugnisses verwendet hätten. Außerdem seien ihrem Erzeugnis ähnliche Produkte zuvor meist als „Eaux de Carmes“ bezeichnet worden, in keinem Fall aber als „Melissengeist“.

11
Das Bundespatentgericht hat bei seiner Feststellung, dass die Angabe „Melissengeist“ eine Warenbezeichnung ist, die seit vielen Jahren verwendet wird, auf die Ausführungen im Beschluss der Markenabteilung Bezug genommen. Dass das Bundespatentgericht die von der Markenabteilung angeführten Belege für die Verwendung des Begriffs „Melissengeist“ als Gattungsbezeichnung als ausreichend angesehen hat, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass sich das Bundespatentgericht nicht ausdrücklich mit dem als übergangen gerügten Vorbringen der Markeninhaberin auseinandergesetzt hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet nicht dazu, jedes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten in den Gründen gerichtlicher Entscheidungen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 50, 287, 289 f.; 96, 205, 216 f.).

12
(2) Das Bundespatentgericht hat ferner dargelegt, der Verkehr verstehe die sprachübliche Wortbildung „Melissengeist“ als Sachangabe; die Markeninhaberin habe selbst die Bezeichnung „Melissengeist“ als Warenbegriff in den Warenverzeichnissen anderer für sie eingetragener Marken aufgeführt. Das Bundespatentgericht ist damit aufgrund tatrichterlicher Würdigung ohne Rechtsfehler nicht dem Vortrag der Markeninhaberin gefolgt, von weiten Teilen der maßgeblichen Verkehrskreise werde der Begriff „Melissengeist“ von vornherein gar nicht beschreibend, sondern originär als ein Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs ist dabei nicht zu erkennen.

13
bb) Ebensowenig verletzt es den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör, dass das Bundespatentgericht als beteiligte Verkehrskreise neben dem Fachverkehr auch die allgemeinen Verkehrskreise berücksichtigt hat.

14
Bereits die Markenabteilung war bei ihrer Entscheidung davon ausgegangen, dass hier die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen würden und deshalb auf diese abzustellen sei. Entsprechend hatte die Antragstellerin zu 2 in der Beschwerdeinstanz geltend gemacht, dass es sich im vorliegenden Fall um Waren handele, die nahezu jedermann in Anspruch nehmen könne. Die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung des Bundespatentgerichts, dass hier die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen seien, konnte daher entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde für die Markeninhaberin nicht überraschend sein.

15
Den Vortrag der Markeninhaberin, als maßgebliche Verkehrskreise seien diejenigen Personen auszuschließen, welche die Einnahme alkoholhaltiger Arzneimittel ablehnten, hat das Bundespatentgericht ausdrücklich berücksichtigt und als sachlich nicht zutreffend zurückgewiesen. Diesen – unbezifferten – Personenkreis hat das Bundespatentgericht als unbeachtlich angesehen. Er schließt die Personen ein, die sowohl die Einnahme alkoholhaltiger Arzneimittel als auch deren Verwendung als Einreibungsmittel ablehnen. Die Rechtsbeschwerde vermag daher eine Verletzung des Anspruchs der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör nicht darzulegen. Sie wendet sich vielmehr lediglich gegen die sachliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Im Übrigen zeigt sie auch nicht auf, dass sich die Nichtberücksichtigung dieser Personen im Ergebnis auf die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung durch das Bundespatentgericht hätte auswirken können.

16
cc) Gleichfalls ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit den Feststellungen des Bundespatentgerichts zum Durchsetzungsgrad der Bezeichnung „Melissengeist“. Das Bundespatentgericht hat den von der Rechtsbeschwerde angeführten Vortrag der Markeninhaberin zu den durchgeführten Verkehrsbefragungen berücksichtigt und sich mit den Ergebnissen der vorgelegten Meinungsforschungsgutachten ausführlich in den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt. Es hat allerdings einen niedrigeren Durchsetzungsgrad ermittelt, als ihn die Markeninhaberin geltend gemacht hat, weil es anders als diese nicht nur auf die Käufer oder Verwender von Gesundheits- oder Naturheilmitteln oder freiverkäuflicher Arzneimittel, sondern auf die allgemeinen Verkehrskreise abgestellt hat. Die Rechtsbeschwerde wendet sich auch insoweit nur gegen die tatrichterliche Würdigung des Bundespatentgerichts.

17
dd) Ohne das Verfahrensgrundrecht der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör zu verletzen, ist das Bundespatentgericht bei seiner Gesamtwürdigung davon ausgegangen, dass die Angaben der Markeninhaberin zu Umsätzen, Marktanteil und Werbeaufwendungen ebenfalls nicht auf eine Verkehrsdurchsetzung der eingetragenen Marke schließen lassen. Die Auffassung des Bundespatentgerichts, dass dann, wenn eine reine Warenbezeichnung (hier: „Melissengeist“) stets zusammen mit einem kennzeichnungskräftigen Bestandteil (hier: „Klosterfrau“ und häufig zusätzlich noch mit dem sogenannten „Nonnenbogen“) benutzt und beworben worden ist, der Verkehr nicht allein schon wegen einer erheblichen Marktführerschaft des Zeichenverwenders und großem Werbeaufwand für das fragliche Produkt die bloße Warenbezeichnung als Marke auffassen wird, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde versucht auch insoweit lediglich, ihre abweichende Auffassung, der Verkehr verstehe die Bezeichnung „Melissengeist“ im Rahmen der Gesamtaufmachung der Produkte der Markeninhaberin neben ihrem Unternehmenskennzeichen „Klosterfrau“ als Herkunftshinweis, an die Stelle derjenigen des Bundespatentgerichts zu setzen. Dieses hat in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass nach der von der Rechtsbeschwerde angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften das Erfordernis, dass sich eine Marke infolge ihrer Benutzung durchgesetzt haben muss, auch infolge der Benutzung als Bestandteil einer eingetragenen Marke oder in Verbindung mit einer eingetragenen Marke erfüllt sein kann (EuGH, Urt. v. 7.7.2005 – C-353/03, Slg. 2005, I-6135 = GRUR 2005, 763 = WRP 2005, 1159 – Nestlé/Mars). Auch in diesen Fällen ist jedoch erforderlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise infolge dieser Benutzung die Ware gerade dann, wenn sie allein mit der Bezeichnung gekennzeichnet wird, deren Eintragung als Marke beantragt wird – also ohne die anderen Kennzeichnungen -, tatsächlich als von einem bestimmten Unternehmen stammend wahrnehmen (EuGH GRUR 2005, 763 Tz. 30 – Nestlé/Mars). Dies hat das Bundespatentgericht im vorliegenden Fall jedoch rechtsfehlerfrei verneint.

18
III. Die Rechtsbeschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zurückzuweisen.

(Unterschriften)

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 26.06.2007 – 25 W(pat) 92/04

BGH Volltext

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