BGH: alphaCAM

BGH, Beschluss vom 30.04.2008 – I ZB 4/07 – alphaCAM (Bundespatentgericht)
GG Art. 103 Abs. 1; MarkenG § 69 Nr. 1, § 83 Abs. 3 Nr. 3

Hat nur der Beschwerdeführer für den Fall, dass seinem Rechtsmittel nicht schon nach Lage der Akten entsprochen werden kann, eine mündliche Verhandlung beantragt, wird der Anspruch des Beschwerdegegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, wenn das Bundespatentgericht der Beschwerde ohne mündliche Verhandlung stattgibt.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. April 2008 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 23. November 2006 wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Die Widersprechende ist Inhaberin der unter anderem für „elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte“ eingetragenen Marke Nr. 395 18 291

„AlphaCom“.

2
Aus dieser Marke hat sie gegen die Marke Nr. 396 06 139

„alphaCAM“

Widerspruch erhoben. Diese prioritätsjüngere Marke ist unter anderem eingetragen für „Programme für die Datenverarbeitung, Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Erstellung von Programmen“.

3
Die Markenstelle hat auf den Widerspruch zunächst die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet. Auf die Erinnerung der Markeninhaberin hat die Markenstelle die Löschung der Marke für einen Teil der Waren und Dienstleistungen rückgängig gemacht.

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Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht stattgegeben (BPatG, Beschl. v. 23.11.2006 – 25 W (pat) 211/02, juris).

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Gegen diesen Beschluss richtet sich die (vom Bundespatentgericht nicht zugelassene) Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin.

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II. Das Bundespatentgericht hat eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken auch für diejenigen Waren und Dienstleistungen bejaht, die das Deutsche Patent- und Markenamt im Erinnerungsverfahren von der Löschung ausgenommen hat.

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III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Statthaftigkeit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und hat dies im Einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 10.4.2007 – I ZB 15/06, GRUR 2007, 628 Tz. 7 = WRP 2007, 788 – MOON).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, weil der gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

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Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Markeninhaberin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).

11
a) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712).

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b) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe das rechtliche Gehör der Markeninhaberin dadurch verletzt, dass es weder eine mündliche Verhandlung anberaumt noch zu erkennen gegeben habe, es werde ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

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aa) In dem Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht findet eine mündliche Verhandlung statt, wenn einer der Beteiligten sie beantragt (§ 69 Nr. 1 MarkenG). Allerdings liegt nicht in jeder Entscheidung, die verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung ergeht, ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den an einem Verfahren Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den in Rede stehenden Sach- und Rechtsfragen zu geben. Daraus folgt nicht, dass das rechtliche Gehör in einer bestimmten Form gewährt werden muss. Erhalten die Verfahrensbeteiligten in dem erforderlichen Umfang Gelegenheit zur Stellungnahme, ist, auch wenn die im Gesetz vorgeschriebene mündliche Verhandlung nicht stattfindet, nicht das Grundrecht, sondern allein das Verfahrensrecht verletzt (BGHZ 102, 338, 341 f.). Anders verhält es sich aber, wenn ein Verfahrensbeteiligter davon ausgehen kann, eine Entscheidung werde dem Verfahrensrecht entsprechend nicht ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 – I ZB 5/00, GRUR 2003, 1067, 1068 = WRP 2003, 1444 – BachBlüten Ohrkerze). Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Anspruchs der Markeninhaberin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht vor. Abgesehen davon zeigt die Rechtsbeschwerde schon keinen Verfahrensfehler des Bundespatentgerichts in diesem Zusammenhang auf.

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bb) Die Markeninhaberin konnte nicht davon ausgehen, dass das Bundespatentgericht eine Entscheidung zu ihren Lasten nicht ohne mündliche Verhandlung fällen würde.

15
Einen Antrag, mündliche Verhandlung anzuberaumen, hatte lediglich die Widersprechende und dies auch nur für den Fall gestellt, dass ihrer Beschwerde nicht schon nach Lage der Akten entsprochen werden konnte. Ein derartiger Hilfsantrag ist zulässig (BGH, Beschl. v. 19.1.2006 – I ZB 77/05, MarkenR 2006, 346, 347 = Mitt. 2006, 450; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, Bd. 1 1. Teil Kap. 2 Abschnitt 3 Rdn. 398). Das Bundespatentgericht durfte daher die Beschwerde der Widersprechenden nur aufgrund mündlicher Verhandlung zurückweisen, während es der Beschwerde ohne mündliche Verhandlung stattgeben konnte, weil die Markeninhaberin keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hatte.

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Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde konnte die Markeninhaberin nach dem Verfahrensgang auch nicht damit rechnen, dass das Bundespatentgericht mit einer Entscheidung weiter zuwarten würde. Das Gericht hatte am 31. Mai 2006 angekündigt, in der Sache am 10. August 2006 zu entscheiden, sofern sich das Beschwerdeverfahren nicht zuvor durch Einigung der Beteilig-ten erledigte. Diese hatten daraufhin um Fristverlängerung bis 24. August 2006 gebeten. Nachdem auch diese Frist verstrichen war und die Beteiligten auf eine Sachstandsanfrage des Gerichts vom 20. September 2006 nicht reagiert hatten, musste die Markeninhaberin damit rechnen, dass das Bundespatentgericht – wie geschehen – in der Folgezeit entscheiden würde.

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c) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde weiter geltend, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Markeninhaberin, die Widersprechende sei in dem Verfahren nur vorgeschoben, nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest nicht in der gebotenen Weise erwogen. Ein Verstoß des Bundespa-tentgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG folgt nicht daraus, dass es sich mit dem in Rede stehenden Vortrag der Markeninhaberin nicht ausdrücklich in den Beschwerdegründen auseinandergesetzt hat.

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aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Erst wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146).

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bb) Im Streitfall betraf der von der Rechtsbeschwerde in den Vordergrund gerückte Gesichtspunkt, die Widersprechende sei nur vorgeschoben, keinen wesentlichen Kern des Widerspruchsverfahrens. Die Markeninhaberin hatte diesen Gesichtspunkt eher beiläufig erwähnt und im Beschwerdeverfahren im Zusammenhang mit dem Gang der Vergleichsverhandlungen dargestellt. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Markenrechts durch die Widersprechende ergaben sich aus dem Vortrag der Markeninhaberin nicht. Grundsätzlich ist es der Widersprechenden nicht verwehrt, die sich aus ihrem Schutzrecht ergebenden Ansprüche geltend zu machen, ohne dass es auf ihre hierfür maßgebliche Interessenlage ankommt. Es braucht deshalb auch nicht entschieden zu werden, inwieweit der Einwand des Rechtsmissbrauchs im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu auch: BGH, Beschl. v. 24.11.1999 – I ZB 17/97, GRUR 2000, 890, 892 = WRP 2000, 743 – IMMUNINE/IMUKIN).

20
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

(Unterschriften)

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.11.2006 – 25 W(pat) 211/02

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