BGH: Abschlussschreiben

BGH, Urteil vom 12.12.2006 – VI ZR 188/05 (LG Berlin)
BGB § 249

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erstattung von Anwaltskosten für ein Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts (hier: unerbetene E-Mail-Werbung) verlangt werden kann.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 30. August 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht die Gebühren aus einem sich selbst erteilten Mandat für ein sog. Abschlussschreiben im außerwettbewerbsrechtlichen Bereich geltend.

Der Kläger erhielt von der Beklagten per E-Mail eine unerbetene Werbung, die er in seiner Kanzlei öffnete. Nach erfolgloser Abmahnung erwirkte er beim Landgericht eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung solcher Werbung. Die einstweilige Verfügung wurde der Beklagten am 30. April 2004 zugestellt.

Nachdem die Beklagte ihren zunächst eingelegten Widerspruch zurückgenommen hatte, forderte der Kläger sie mit Schreiben vom 6. September 2004 auf, zur Vermeidung einer Hauptsacheklage die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen (Abschlussschreiben). Dem kam die Beklagte am 14. September 2004 nach, weigerte sich jedoch, an den Kläger für das Abschlussschreiben Anwaltsgebühren in Höhe von 644, 50 € bezahlen. Der Kläger machte daraufhin diesen Betrag (nebst 2 € für das in einem zuvor durchgeführten Mahnverfahren benutzte Formular) erfolgreich vor dem Amtsgericht geltend. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger weiterhin die Verurteilung der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht (MD 2006, 946; zustimmend Hess in: Ullmann jurisPK-UWG, § 12 Rn. 122. 1) hat Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz gemäß den §§ 823, 249 BGB und auf Aufwendungsersatz gemäß den Regeln einer Geschäftsführung ohne Auftrag verneint. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen sei zu verallgemeinern. Bei typischen, unschwer zu erkennenden und zu verfolgenden Rechtsverletzungen habe der Betroffene seine eigene Sachkunde einzusetzen. Dies gelte auch bei Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts. Für den klagenden Rechtsanwalt – der vor dem Berufungsgericht schon mehrfach als Partei oder Prozessbevollmächtigter in ähnlichen Fällen aufgetreten sei – sei es nicht erforderlich gewesen, hiermit einen anderen Anwalt zu beauftragen. Es bestehe deshalb auch bei einem Selbstauftrag kein Gebührenanspruch.

II. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat einen Erstattungsanspruch des Klägers für das Abschlussschreiben vom 6. September 2004 ohne Rechtsfehler verneint.

Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch besteht nicht. Das Abschlussschreiben nach Rücknahme des Widerspruchs im Eilverfahren ist nicht mehr Bestandteil desselben, sondern bereitet (für den Fall des Misserfolgs) die Hauptsacheklage vor (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1973 – I ZR 5/ 72NJW 1973, 901, 902 „Goldene Armbänder“; Hess aaO, § 12 Rn. 120; Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 12 Rn. 3. 73; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Auflage, Kap. 58 Rn. 40; Büscher in: Fezer, Lauterkeitsrecht, § 12 Rn. 154). Zu einer Hauptsacheklage ist es im hier zu entscheidenden Fall nicht gekommen.

Ebenso wenig hat die Beklagte nach materiellem Recht die Anwaltsgebühren des Klägers zu tragen.

1. Einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG analog (so Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm aaO, § 12 Rn. 1. 78; Ahrens aaO, Kap. 58 Rn. 40; Nill, GRUR 2005, 740, 741) oder aus § 9 UWG (so Büscher in: Fezer aaO, § 9 Rn. 154) ergeben könnte, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler nicht in Erwägung gezogen. Der Kläger gehört nicht zu dem in § 8 Abs. 3 UWG in der Fassung vom 8. Juli 2004 (§ 22 UWG) genannten Kreis der Anspruchsberechtigten; er ist insbesondere kein Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

2. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch außerhalb des Wettbewerbsrechts besteht ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.

Zwar gehören zu den nach § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Kosten der Rechtsverfolgung grundsätzlich auch die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts. Ein Schädiger hat nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis (hier: die unerbetene Werbemail – „Spam“) adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation (sogenannte „subjektbezogene Schadensbetrachtung“; vgl. Senat, BGHZ 66, 239, 245, 248 f.; 115, 364, 369; 155, 1, 5; 163, 362, 365; Urteil vom 7. Dezember 2004 – VI ZR 119/04VersR 2005, 381) zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 350 f.; Urteil vom 10. Januar 2006 – VI ZR 43/05VersR 2006, 521, 522, jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

a) Bei einer Abmahnung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Wettbewerbsrecht die (Selbst-) Beauftragung eines Anwalts weder unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch unter schadensersatzrechtlichen Aspekten erforderlich, wenn der Abmahnende in typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 – I ZR 2/03NJW 2004, 2448 „Selbstauftrag“). Eine solche Sachkunde wird vom Gesetzgeber insbesondere bei Einbei Einrichtungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG bejaht (vgl. Begr. RegE UWG-Novelle 2004, BT-Drs. 15/ 1487, S. 25, zu § 12 Abs. 1). Das entspricht der Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1984 – I ZR 45/82NJW 1984, 2525 „Anwaltsabmahnung“), die auch größeren Wirtschaftsunternehmen mit eigener Rechtsabteilung und Rechtsanwälten im Fall der eigenen Betroffenheit regelmäßig zumutet, Abmahnungen selbst auszusprechen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 – I ZR 2/03 – aaO; OLG Düsseldorf MMR 2006, 559, 560; Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 9 Rn. 1. 29 und § 12 Rn. 1. 93; Hess, aaO, § 12 Rn. 29; Brüning in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, UWG, § 12 Rn. 85; Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn. 156). In Teilen der Literatur (Hess, aaO, § 12 Rn. 122. 1; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 43 Rn. 32; Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, aaO, § 12 Rn. 3. 73; Piper/ Ohly, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 184; Retzer in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, aaO, § 12 Rn. 665; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rn. 815) und Rechtsprechung (KG MDR 1999, 1409) wird außerdem vertreten, dass für ein sog. Abschlussschreiben Gleiches gelte. Das ist hier jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Wie bereits erwähnt ist der Kläger nicht nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 UWG anspruchsberechtigt und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht anzuwenden.

b) Auch außerhalb des Wettbewerbsrechts ist es nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Anwalt hinzuzuziehen, wenn – wie hier – in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der maßgebenden Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde. In derart einfach gelagerten Fällen ist der Geschädigte – insbesondere wenn er selbst sachkundig ist – grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Anwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 351 f.; Urteil vom 12. Dezember 2006 – VI ZR 175/05 – zur Veröffentlichung bestimmt).

Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im hier zu entscheidenden Fall dem Kläger einen Anspruch auf Erstattung versagt hat (vgl. KG MDR 1999, 1409; Teplitzky, aaO, Kap. 43 Rn. 32 Fußnote 120). Entgegen der Ansicht der Revision führt auch der Gesichtspunkt des „Abschlussschreibens“ nicht zu einer anderen Beurteilung. Als „Abschlussschreiben“ im außerwettbewerbsrechtlichen Bereich genügte die formlose Anfrage, ob die vorangegangene einstweilige Verfügung nunmehr als endgültige Regelung anerkannt werde. Bei dieser Sachlage unterliegt ein Abschlussschreiben geringeren Anforderungen als eine erste Abmahnung (so schon für das Wettbewerbsrecht Melullis, aaO, Rn. 815; Teplitzky, aaO, Kap. 43 Rn. 32; Eser, GRUR 1986, 35, 39 f.). Aus der maßgeblichen Sicht des geschädigten Klägers, der nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts schon mehrfach vor dem Berufungsgericht als Partei oder Prozessbevollmächtigter in Fällen mit unerwünschter E-Mail-Werbung aufgetreten war, war das Abschlussschreiben hier ein reines Routinegeschäft und warf keine schwierigen Rechtsfragen auf. Der Kläger hätte deshalb das Abschlussschreiben selbst formulieren können. Nach Abschluss eines Verfahrens mit Erlass einer einstweiligen Verfügung kann es auch keine Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Absenders der unerbetenen Werbesendung mehr geben.

Unter den Umständen des denkbar einfach gelagerten Streitfalls kann auch der im Wettbewerbsrecht gelegentlich vertretenen Auffassung, nach Durchführung eines Verfügungsverfahrens sei für das Abschlussschreiben stets ein Anwalt hinzuzuziehen, weil nur er der Prozesssituation adäquat und mit ausreichendem Nachdruck begegnen und die mitunter eilbedürftigen Maßnahmen ohne Übermittlungsrisiken koordinieren könne (LG Köln GRUR 1987, 655 m. w. N.; Ahrens, aaO, Kap. 58 Rn. 41), für Fälle der vorliegenden Art nicht gefolgt werden. Jedenfalls für einen Anwalt, der schon das Verfügungsverfahren erfolgreich selbst durchgeführt hat, erscheint es zumutbar, vor Durchführung des Hauptsacheverfahrens die erste Anfrage, ob dieses durchgeführt werden muss oder ob es bei der einstweiligen Verfügung verbleibt, ohne Einschaltung eines anderen Rechtsanwalts durchzuführen. Das muss erst recht gelten, wenn – wie hier – der Verfügungsbeklagte zunächst Widerspruch eingelegt, diesen aber dann zurück genommen hat. In einem solchen Fall bedarf es nicht der Beauftragung eines anderen Anwalts, um möglicherweise vorhandene Unklarheiten abzuklären.

Hätte der Kläger folglich bei Einschaltung eines anderen Anwalts keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten gehabt, muss Entsprechendes auch für den Fall der Selbstbeauftragung gelten (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2006 – VI ZR 175/05 – zur Veröffentlichung bestimmt; BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 – I ZR 2/03 – aaO).

Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach ein Rechtsanwalt, der sich selbst vor einem Prozessgericht vertritt, einen Anspruch auf Kostenerstattung wie ein bevollmächtigter Rechtsanwalt hat, kann als Sonderregelung für das gerichtliche Verfahren im außergerichtlichen Bereich keine Anwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 – I ZR 2/03 – aaO m. w. N.).

c) Ob als Anspruchsgrundlage (entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Wettbewerbsrecht seit der Entscheidung vom 2. März 1973 – I ZR 5/ 72 – aaO „Goldene Armbänder“) auch die §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) in Betracht kämen, kann dahinstehen. Denn auch dann würden nur die Aufwendungen gemäß § 670 BGB ersetzt, die „erforderlich“ waren.

3. Da die Beklagte die Bezahlung der Anwaltsgebühren nicht schuldete, besteht auch kein Anspruch des Klägers aus Verzug auf Erstattung von 2 € für das im Mahnverfahren benutzte Formular.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

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